Zersetzung des Rechtsstaates durch die Gerichte
Ich beobachte und höre zunehmend, daß immer mehr Fälle vorkommen, in denen es gerade die Richter und die Gerichte sind, in denen der Rechtsstaat von innen heraus zersetzt wird. Hier ein neuer Fall.
Ich weise vorab darauf hin, daß ich dies hier unter Vorbehalt schreibe. Denn ich habe darüber bisher nur einen anderen Blog-Artikel gelesen, der stimmen kann oder auch nicht. Problematisch daran ist, daß man erst die Gegenseite hören müßte, was de facto aber nicht möglich ist, weil die einer Privatperson zu solchen Angelegenheiten erfahrungsgemäß keine Auskunft geben können und vielleicht auch nicht dürfen. Ich hielte es aber für nicht sinnvoll, allein deshalb dazu gar nichts zu schreiben. Zumal private Blogger, wie schon berichtet, nicht verpflichtet sind, Meldungen Also schreibe ich dies hier unter der Voraussetzung, daß das so stimmt. Was nur mit gewisser Vorsicht zu genießen ist, denn je nachdem, wo man liest, heißt die besagte Gerichtspräsidentin mal Anne-José und mal Anne-Josè mit Vornamen, und mit Nachnamen mal Paul und mal Paulsen. Andererseits stimmt die besagte Geschichte ziemlich gut mit meinen eigenen Beobachtungen und Erlebnissen überein, weshalb sie mir als sehr glaubwürdig erscheint. Ich bitte daher um positive und negative Rückmeldung zum Wahrheitsgehalt.
In LawBlog ist ein Fall unter dem Titel Strafantrag auch ohne Unterschrift beschrieben worden, in dem eine Gerichtspräsidentin Strafantrag gegen einen Rechtsanwalt gestellt hatte, weil der Kritik an den Richtern geübt hatte.
Leute, vergesst mal das formaljuristische Detail, ob ein Strafantrag unterschrieben sein muß, darum geht’s nicht.
Der wichtige Punkt ist dieser Einschüchterungsversuch durch das Gericht – eine Richterin! – gegenüber einem Rechtsanwalt, der Kritik übt.
Dabei war der Anwalt nicht ausfällig geworden, sondern hatte – sehr zurückhaltend, ich selbst bin da in der Wortwahl deutlicher – gesagt, die Richter agierten “rein ergebnisorientiert”. Darin läge der Vorwurf der Rechtsbeugung, was die Richter in ihrer Ehre verletzt hätte. Und die Staatsanwaltschaft ging gleich gegen ihren “Gegner” vor und eröffnete ein Verfahren.
Das muß man sich mal vorstellen: Immer mehr Korruptions- und Wirtschaftsstraftaten bleiben unverfolgt, weil die Staatsanwaltschaften nichts mehr machen und alles einstellen oder gar nicht mehr eröffnen, aber um Strafverteidiger einzuschüchtern haben sie Zeit und Lust.
Das Ganze ist auch juristisch fragwürdig. Denn erstens ist der Vorwurf vermutlich gerechtfertigt, denn auch mir und vielen Anwälten in meinem Bekanntenkreis fällt immer stärker auf, daß Gerichte immer mehr bzw. nur noch “ergebnisorientiert” arbeiten. Rechtsprechung und Jurisprudenz haben längst fast nichts mehr mit “Rechtsfindung”, sondern mit “Begründungsfindung” zu tun. Es ist mir immer wieder – besonders am Verwaltungsgericht Karlsruhe – aufgefallen, daß das Urteil schon vor der Verhandlung feststeht und die Richter da nur noch reingehen, um irgendeine vordergründige Begründung zu schnitzen. Da kann man dann sagen, was man will, die interessieren sich nur noch für das, was ihrem Wunschurteil dient, und drehen alles so zurecht. Ich habe das ja kürzlich gemerkt, daß man mir Einwände verboten hat, einen völlig desorientierten Sachverständigen vernommen und dann hinterher die Niederschrift verfälscht hat. (Siehe Adele und die Fledermaus.) In einer ähnlichen Situation befanden sich schon viele Anwälte, und in einer ähnlichen Situation befand sich wohl auch dieser Anwalt. Und das dann zu rügen und vorzutragen ist seine heilige Pflicht als Strafverteidiger.
Offenbar bewegen sich die Richter aber immer mehr in die Richtung eines willkürlich agierenden Obrigskeitsstaates, der Kritiker mundtot machen will. Rechtliches Gehör wird immer weiter abgebaut.
Ich bin der Meinung, daß jemand, der sich von einem solchen Vorhalt, von solcher Kritik beleidigt fühlt, als Richter charakterlich ungeeignet ist und deshalb niemals hätte Richter werden dürfen, schon gar nicht Präsidentin eines Oberlandesgerichts. Wer Kritik nicht verträgt, sollte sich nicht mit Streit befassen. Oder wie der Volksmund sagt: Wer die Hitze nicht verträgt, sollte die Küche meiden.
Auch strafrechtlich erscheint mir der Vorwurf reichlich dubios und es erscheint mir sehr seltsam und fragwürdig, daß eine Staatsanwaltschaft da tatsächlich ein Verfahren führt oder führen soll.
Schon die allgemeine Meinungsfreiheit deckt es nämlich ab, das Handeln eines anderen für eine Straftat zu halten, solange man nicht das Handeln selbst unwahr darstellt. Der Anwalt hätte den Richtern sogar explizit den Vorwurf der Rechtsbeugung machen können, ohne sie zu beleidigen. Zumal man ja gerade von Juristen erwarten kann und muß, daß die selbst in der Lage sind, den Vorwurf einzuschätzen. Gerade ein Richter eines OLG sollte durch so etwas überhaupt nicht zu beleidigen sein, weil er selbst wissen muß, was Rechtsbeugung ist, und ob der Vorwurf zutrifft.
Außerdem gibt es da den § 193 StGB, der wissenschaftliche Urteile, die Wahrnehmung eigener Interessen usw. von den Beleidigungsstraftatbeständen ausnimmt, sofern man nicht schon durch die Form beleidigend wird. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht hier ganz klar und deutlich in die Richtung, daß die Beleidigungsstrafen auf keinen Fall die Meinungs- und Redefreiheit oder den Rechtsweg beeinträchtigen dürfen, weshalb im Zweifelsfall die Redefreiheit Vorrang hat.
Wäre sicherlich interessant herauszufinden, ob das diesen Richtern da am OLG bekannt ist. Denn ähnlich wie an den Universitäten ist auch bei den Gerichten der zunehmende Trend zu beobachten, daß man sich mit Kritik und abweichenden Meinungen überhaupt nicht mehr befaßt, sondern zunehmend alles, was einem nicht in den Kram paßt, als beleidigend abtut. An den Universitäten längst zum rabulistischen Universalwerkzeug geworden.
Schauen wir mal, wieviel sich von dieser Meldung verifizieren läßt. Ich werde demnächst mal das OLG anschreiben und fragen, was da los ist (und wie die Präsidentin nun wirklich heißt). Glaube aber nicht, daß ich eine Antwort erhalte. Vielleicht zeigen sie mich dann auch an.