Buchkritik: Uni-Angst und Uni-Bluff
Ich habe wieder ein Buch über Universitäten gelesen, nämlich das Buch “Uni-Angst und Uni-Bluff – Wie studieren und sich nicht verlieren” des Professors Wolf Wagner. Meine Buchkritik.
Na ja, eigentlich ist alles, was ich noch sagen kann, redundant: Das Buch ist seit 30 Jahren ein heimlicher Untergrund-Bestseller und bekommt die besten Kritiken. Ich kann mich dem nur anschließen, das Buch ist wirklich super. Ich kann es nur jedem, der an der Uni ist oder war, dringend empfehlen. Es ist hochinteressant, sehr aufschlußreich und bietet jede Menge Aha-Effekte, für mich auch viele Bestätigungen dessen, was ich selbst beobachtet habe. Mit 120 Seiten ist es ohne großen Aufwand zu lesen und teuer ist es auch nicht.
Allerdings ist es kein hochwissenschaftliches Buch – das soll es auch nicht sei, und das ist gut so. Es ist eine Beschreibung von Wagners eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und Schlüssen, aber trotzdem weit besser mit Quellenangaben unterlegt als manches “hochwissenschaftliche” Buch. Es ist kein Lehrbuch, es ist ein Lesevergnügen, ein despektierlicher Blick eines Universitäts-Erfahrenen auf den Wissenschaftszirkus, der sich viel wichtiger nimmt, als er ist, und hinter dem viel weniger steckt, als es scheint. Eine Art Bedienungsanleitung für den Umgang mit der Universität, mit Wissenschaftlern, mit Professoren.
Mit Ironie und sagenhafter Beobachtungsgabe beschreibt Wagner in mehreren Kapiteln unterschiedliche Aspekte des universitären Betriebsschwindels – wie “Wissenschaftler” sich selbst und andere täuschen.
Beispielsweise beschreibt er den Bluff als berufliche Qualifikation des Wissenschaftlers, die der erst erlernen muß. Auch die Wissenschaftssprache dient mehr dem Bluff als der Wissenschaftlichkeit. Mit spitzer Feder beschreibt er, wie die Wissenschaftssprache, die vermeintlich der Präzisierung dient, letztlich nur Werkzeug zu Bluff und Schwindel ist.
Er beschreibt, welche Fehler in der Wissenschaft gemacht werden, daß nämlich die Wissenschaft als Arbeits- und Entstehungsvorgang nur noch heimlich stattfindet und nach außen nur noch fertige, perfekte Ergebnisse präsentiert werden, als wären sie vom Himmel gefallen.
Er beschreibt etwas die Geschichte der deutschen Universität, warum in Deutschland soviel mehr schief ging als in anderen Ländern, die Willkür der Professoren, die die Universität als ihren Privatbesitz ansehen.
An dem Buch ist sogar das super, was eigentlich nicht drin steht: Obwohl die Thematik der Plagiate und des Abschreibens in dem Buch nicht vorkommt, werden die Ursachen auch für solche Phänomene hervorragend beschrieben.
Ich habe die Angewohnheit, Stellen in Büchern, die mir wichtig erscheinen oder gut gefallen, mit gelbem Textmarker anzustreichen, um sie später wiederzufinden. (Ich weiß, eine Unsitte, aber nur gelb, möglichst akkurat, es spart einfach eine Menge Zeit und ist eben auch eine Form der Dokumentation, im Gegensatz zum Arbeiten aus dem Gedächtnis.) Ich habe noch bei keinem Buch soviel Textmarker verwendet wie bei diesem. Das Buch hat einfach richtig gute Substanz und macht Spaß.
Der einzige kleine Kritikpunkt, den ich habe, ist, daß selbst dieses Buch, in dem die Universität und die Professoren nun wirklich ganz und gar schlecht weggekommen und aufs Korn genommen werden, nach meinem Dafürhalten immer noch zu harmlos ist. Der Begriff “Bluff” ist halt doch noch etwas zu niedlich und harmlos, und es liegt etwas Anerkennung darin. Schwindel oder Betrug wären angemessener gewesen. Auch wenn Wagner eine erstaunliche Liste schlechter Eigenschaften zusammengestellt hat, sie bleiben in der Wertung harmlos, geht nicht über die Rüge charakterlicher und wissenschaftlicher Schwächen hinaus. So, als wäre das zwar alles dämlich und unfassbar, aber auch verzeihlich und eben irgendwie typisch.
Ich sehe das anders. Viele Bereiche universitären Treibens sind inzwischen von Korruption und anderem kriminellem Verhalten durchseucht, wir haben einen regelrecht kriminellen Komplex gebildet. Vielleicht war das vor 30 Jahren, als das Buch erstmals geschrieben wurde, und vor 15 Jahren, als das Buch neu geschrieben wurde, noch nicht so. Man kann in so einem Buch naturgemäß nur die (damalige) Gegenwart, und nicht die Zukunft kritisieren. Trotzdem geht mit der zunehmenden Kriminalität im Universitätsbereich eine gewisse Herab-Relativierung früherer Beschreibungen einher. Macht hier aber nichts.
Das Buch ist super. Wer sich an der Universität herumtreibt oder – wichtiger noch – sich darüber ärgert, was der da vorfindet, für den ist das Buch ein Muß. Eigentlich sollte man jedem Erstsemester eines in die Hand drücken.