Lehren aus dem Uni-Massaker von Blacksburg, Virginia?
Wie inzwischen jeder mitbekommen haben dürfte, hat ein Attentäter – angeblich ein Student – an einer US-amerikanischen Hochschule ein Blutbad angerichtet. Noch ist es zu früh um zu wissen, was genau da vor sich gegangen ist und was die Beweggründe waren. Aber man könnte einige Lehren auch für deutsche Universitäten daraus ziehen.
Ich bekomme eine Menge von Kommentaren, Anrufen und Hinweisen wegen meiner Webseiten zum Prüfungsrecht und meiner Dokumentation. Erstaunliche viele Leute fühlen sich von Prüfern, Vorgesetzten, Doktorvätern – oft eben Professoren – ausgenutzt, erpresst, in der Karriere ruiniert. Ich habe schon eine ganze Reihe von Anrufen von Leuten bekommen, die wirklich verzweifelt und am Ende waren, und die nicht mehr weiter wußten, und die vor der Wand aus Willkür und Korruption, die sich an manchen Universitäten gebildet hat, kapitulieren mußten aber nicht wollten, die nicht wußten, wohin mit ihrer Wut. Es ist eine Frage der Zeit, wann so etwas auch in Deutschland passiert. Und es ist ja wirklich nicht so, daß so etwas in Deutschland nicht vorkommen könnte. Vor einiger Zeit hatte ich in Erfurt zu tun und komme zufällig an einem markanten Gebäude vorbei, das mir sofort auffiel, weil ich es irgendwie aus dem Fernsehen und der Zeitung kannte: Das Gymnasium, an dem vor einiger Zeit ein Schüler mehrere Lehrer und dann sich selbst erschossen hat. Es kann also auch hier passieren.
Mir fallen spontan zwei Punkte dazu ein:
- Es gibt in Deutschland niemanden, an den sich Leute in so einer Situation wenden könnten. Wie sich aus den vielen Erzählungen, die bei mir angekommen sind, zeigt, sind die Dekane und Fakultäten völlig unfähig und unwillig, im Konfliktfall zu helfen. Im Gegenteil: Oftmals leisten die sich die dreckigsten Dinger, was bei den Betroffenen das berühmte Gefühl “ohnmächtiger Wut” hervorruft. Die Rechtsabteilungen wissen zwar oft, daß es krumm läuft, machen aber nichts. Man hat jegliche Kritik an Prüfern und Professoren institutionell abgeschafft.
Zuständig wären eigentlich noch die Kommissionen zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Die aber machen grundsätzlich nichts und sind nur Attrappe. Auch das ist ein Wut-Katalysator. Und die Wut ist groß, auch bei deutschen Studenten.
In den USA werden Studenten für solche Fälle psychologisch betreut, und es gibt Beschwerdemöglichkeiten. In Deutschland passiert gar nichts, außer daß den Studenten klargemacht wird, daß sie keine Chance haben, sich zu wehren. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch hier mal wieder einer durchdreht.
- Auch wenn in den USA Kritik an der Uni-Leitung laut wurde, daß sie den Campus nicht schnell genug evakuiert hatte: Immerhin hat die Universitätsleitung mehrfach durch E-Mails an die Studenten und Mitarbeitern vor der Schießerei gewarnt, und sehr viele Leute wurden dadurch auch tatsächlich gewarnt, und sind in den Gebäuden oder dem Campus ferngeblieben. Immerhin.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das heute in deutschen Universitäten läuft. Aber zumindest in denen, die ich kenne, gibt es keinerlei einheitliches Kommunikationsmedium. Es gibt nicht einmal eine verbindliche Mailingliste für die Hörer einer Vorlesung, falls da mal was wichtiges mitzuteilen wäre. Und zumindest noch vor kurzer Zeit mußte selbst die angeblich beste deutsche Informatik-Fakultät ihre Mitteilungen an ihre Professoren teils per E-Mail, teils per Papier herausgeben, weil selbst deutsche Informatik-Professoren mitunter nicht in der Lage sind/waren, mit E-Mail umzugehen – man würde sie in den USA nicht mal als Erstsemester annehmen.
Wie hätte denn nun eine deutsche Universität vor einer Schießerei gewarnt?
Gibt es hier Evakuierungspläne? Gibt es eine Möglichkeit, Informationen schnell an alle Universitätsmitglieder – Lehrer, Studenten, Angestellte – zu versenden? E-Mail? SMS? Gibt es Sirenen? Gibt es eine Campus-Polizei, wie in den USA oft üblich? Gibt es – außer normaler Post – überhaupt irgendeine Möglichkeit, eine Information an alle zu verteilen, von der Geschwindigkeit mal ganz abgesehen? Oder plätschert das nur alles so vor sich hin? Bisher habe ich noch nie gehört, daß eine deutsche Universität Vorsorge zum Katastrophenschutz getroffen hätte. Ich kenne ein paar einsame Notrufsäulen und eine Bibliothek mit Alarmknöpfen gegen sexuelle Belästigung. Bei einer Schießerei würden wie wohl kaum helfen.
Es wurden in den USA Vorwürfe laut, daß die Polizei und die Uni-Leitung nicht gezielt und planvoll genug vorgegangen wären. Ich glaube, es würde in Deutschland noch viel schlimmer verlaufen. Unsere Polizei ist zwar sehr gut, aber würde sich auf dem Campus wohl nicht auskennen. Von einer Evakuierungsübung – Polizei, Feuerwehr usw. – an einer deutschen Uni hätte ich noch nie etwas gehört.
Sollte es sowas jedoch geben, bin ich gerne an jedem Hinweis interessiert.
Ach ja: Sowas gehört auch in den Fach-Bereich “Security”.