Der Exzellenz-Universitäts-Skandal
Die Exzellenz-Universitäts-Nummer entpuppt sich immer mehr als fauler Zauber.
Kürzlich hatte ich nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beim BMBF Akteneinsicht in die Vorgänge um die Wahl der Universität Karlsruhe nehmen wollen. Die Akteneinsicht wurde damals damit verwehrt, daß die Akten bei Wissenschaftsrat und DFG liegen, auf die sich das IFG nicht erstrecke. Die Ministerin Schavan habe außerdem die ihr übergebenen Akten sofort vernichten lassen. Ich habe Widerspruch erhoben und heute vom BMBF einen Widerspruchsbescheid mit etwas deutlicheren Erklärungen bekommen.
Zwar wird auch wieder auf die Aktenvernichtung durch die Ministerin Schavan eingegangen, aber interessanter sind folgende Aussagen:
“Ein Schutz dieser Informationen ist aus mehreren Gründen auch nach Abschluss der ersten Förderrunde erforderlich: Zunächst deswegen, weil die Exzellenzinitiative aus mehreren Förderrunden besteht, die derzeit weiter andauern. Durch den Informationszugang bestünde daher die ernstzunehmende Gefahr, dass Einfluss auf weitere Entscheidungen der Auswahlkommissionen genommen und die unbefangene Entscheidungsfindung sowie die Unabhängigkeit der Gutachter eingeschränkt wird. Die Gutachten enthalten Bewertungen der einzelnen Universitäten, die nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit getroffen werden könnten, soweit diese bekannt würden. Da die Gutachter teilweise personenidentisch sind, könnte bei Veröffentlichung auch auf zukünftige Förderentscheidungen oder auf einzelne Gutachter Einfluss genommen werden.
Es bestünde darüber hinaus aber auch die sehr ernstzunehmende Gefahr, dass sich für künftige Begutachtungen keine Gutachter mehr zur Verfügung stellen würden, soweit eine Offenlegung der Gutachten erfolgen würde. Dies gilt hier insbesondere auch deswegen, da den Gutachtern im Rahmen der Exzellenzinitiative von DFG und Wissenschaftsrat zugesichert wurde, dass die Gutachten weder veröffentlicht noch den Antragstellern zugänglich gemacht werden. Den Gutachtern wurde vielmehr eine strenge Vertraulichkeit der Diskussionen der Gutachter und der Ergebnisse der Evaluation zugesichert. Insofern ist das Verhältnis zwischen Behörde und externen Gutachtern auch über den Abschluss der Förderrunden hinaus geschützt. Externe Gutachter werden im Rahmen der Kultur- und Forschungsförderung eingesetzt, um objektive Verfahren bei der Auswahl zu gewährleisten. Es ist anerkannt, dass § 3 Nr. 3 IFG das Verhältnis zwischen Behörde und externen Gutachtern schützt ([…]). Der Informationszugang wird daher aller Voraussicht nach wegen der Gefahr der Beschädigung des Gutachtersystems auch nach Abschluss der Exzellenzinitiative nicht möglich sein.
Der Informationszugang ist außerdem auch nach § 3 Nr. 7 IFG ausgeschlossen, da die Informationen zur persönlichen und vertraulichen Verwendung von Frau Ministerin Schavan als Mitglied des Bewilligungsausschusses übermittelt wurden. Insbesondere aufgrund der Gefahr der Einflussnahme von außen besteht auch zum Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang ein berechtigtes Interesse der DFG und des Wissenschaftsrats daran, die Gutachten nicht zu veröffentlichen.
Es wird rein vorsorglich bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die Gutachten personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Universität enthalten und daher ein Informationszugang auch nach Abschluss der Exzellenzinitiative in jedem Fall nur unter den Voraussetzungen der §§ 5,6 IFG zulässig wäre.”
Aha. Da liegt also der Hund begraben:
Das Gutachtersystem würde “beschädigt”, wenn die Gutachten öffentlich würden. Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Denn alles, was ich bisher an universitär entstandenen Gutachten gesehen habe, war von so miserabler Qualität, daß es weder die Bezeichnung “Gutachten” noch das Papier, auf das es gedruckt war, verdient hätte (vgl. Adele und die Fledermaus). Das Erlernen des Erstellens von Gutachten kommt in der akademischen Laufbahn nämlich überhaupt nicht vor. Da herrschen zu oft Willkür, Inkompetenz und Gefälligkeitsgutachten.
Ich kann mir das so richtig gut vorstellen, welcher Schaden da entstünde wenn herauskäme, daß da in den normalen DFG-Förderprogrammen und bei der Exzellenzinitiative Milliarden aus Steuergeldern aufgrund dilettantischer Gutachten vergeben würden.
Und daß unter den Professoren keiner mehr begutachten wollte, wenn jeder nachlesen könnte, was die da für einen Murks schreiben, kann ich mir auch vorstellen. Professorenherrlichkeit beruht auf Heimlichtuerei und Fassade. Tageslichttauglich ist da nur wenig. Warum sollte da auch einer freiwillig begutachten wollen, wenn dabei die Gefahr bestünde, daß er sich blamiert und herauskommt, daß er das gar nicht kann? Feigheit vor dem Feind? Sind die Gutachten nicht vorzeigbar? Wurde da gar gemauschelt?
Auch wenn man nicht weiß, was in diesen Gutachten steht: Es führt diese Exzellenzinitiative ad absurdum. Denn es reduziert die Exzellenz zur leeren Worthülse, zum losen Marketinggeschwafel.
Das Attribut “exzellent” kann man nur tragen, wenn auch genauso ersichtlich ist, was eigentlich exzellent sein soll, gemessen an welchem Maßstab.
Der Leser stelle sich vor, ihm stünde jemand gegenüber, der einfach so behauptet “Ich bin exzellent!”.
Das drängt sich doch die Frage auf “Exzellent worin? Wie kommst Du darauf?” Es soll Universitäten geben, an denen das Mensa-Essen, die Parkplatzsituation, die Tennisplätze exzellent sind.
Exzellenz setzt Nachprüfbarkeit voraus. Umsomehr, wenn es sich um Exzellenz im Wissenschaftsbereich handeln soll, denn gerade die Wissenschaft beruht auf Nachprüfbarkeit. Hier wird die Nachprüfung gezielt verweigert.
Ich halte die Exzellenz-Initiative deshalb für einen großangelegten Schwindel, den Versuch, die Öffentlichkeit über die Mängel deutscher Universitäten hinwegzutäuschen.