Millionen für die gekaufte Gefälligkeitswissenschaft?
Nicht nur der SPIEGEL berichtete über die zwei Fälle, in denen Leute einer Universität und einem Institut Beträge in der Größenordnung von 30 Millionen Euro zukommen ließen (hier und hier), vorhin kam auch in den Tagesthemen der ARD ein kurzer Bericht zum Fall des Ehepaars, das Geld hinterlassen hat.
Ich habe nur leider auf dem Webserver des Tagesschau keinen Text dazu gefunden. Gut fand ich jedoch, daß der Bericht die Sache durchaus kritisch gesehen hat. Da war nämlich durchaus auch die Rede von regelrechten “Stiftungsuniversitäten”, also massiv fremdfinanzierten.
Worauf das hinausläuft, kann man sich denken: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Schon bisher waren von Universitäten kaum noch objektive Äußerungen zu haben, viele Professoren sind schon längst der Auffassung, daß Wissenschaft und Gutachtertätigkeit grundsätzlich nur das Äußerung einer beliebigen Meinung und das Vertreten irgendeines Interesses ist. Das merke ich in meinem Streit vor dem Verwaltungsgericht gerade ganz massiv: Die Sachverständigen und Prüfer sind überhaupt nicht mehr in der Lage, etwas auf Richtigkeit zu prüfen und eine fundierte und nachvollziehbar begründete Erläuterung zu geben. Die haben sich schon so daran gewöhnt, daß “Wissenschaftler” einfach irgendetwas behaupten, um die ihnen jeweils naheliegendsten Interessen zu vertreten, daß die das schon selbst nicht mehr merken und nicht verstehen, was man noch von ihnen will oder warum man damit nicht zufrieden ist. Das fachlich nicht begründete Vertreten eines Interesses als Meinung ist schon zu Standard geworden.
Vor diesem Hintergrund sind solche Finanzierungen natürlich eine ganz gefährliche Angelegenheit. Insbesondere, da ja kürzlich die Meinung geäußert wurde, daß “Prüfungen” dem Kontakt zur Industrie dienen.
Und momentan findet ein – von der Politik angefeuerter – Run auf die Umstellung der Universitäten auf den fremdfinanzierten Gefälligkeitsbetrieb statt. Und wenn man sich die Rektoren und Dekane so anhört, scheint das blind gewünscht zu sein.
Daß das nicht so positiv ist, wie die Universitäten es darstellen, zeigt sich an einem Fall, an dem ich gerade bohre: Da wurde aufgrund einer Spende einer Stiftung eine Frau als Professorin eingestellt und gleichzeitig gesetzeswidrig in hohem Umfang für Dritte abgestellt. Es ergeben sich interessante Zusammenhänge mit der Interessenlage des Spenders, und der Verdacht, daß die Professorin mehr Lobbyistin als Wissenschaftlerin ist und der Professorentitel quasi eingekauft wurde.
Wenn man bedenkt, wie hoch die Bereitschaft der Wissenschaft schon heute ist, willkürlich Interessen und Meinungen als “Gutachter” zu vertreten, kann es einem Angst machen sich auszumalen, wohin das führt, wenn erst einmal der Gefälligkeitsbetrieb so richtig aufgebaut wurde.
Man nennt da ja auch oft die US-Universitäten als Vorbild, die so richtig dick Geld sammeln.
Interessant dabei: Ich habe bis heute kein treffendes englisches Wort als Übersetzung für “Gutachten” gefunden. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird so etwas stets als “Opinion” bezeichnet – und damit als das Gegenteil dessen, was ein Gutachten eigentlich ist, denn in Deutschland muß der Gutachter seine Meinung da gerade heraushalten. Einer der wenigen Fälle (der einzige?), in dem die amerikanische Übersetzung eines deutschen Wortes eigentlich das Gegenteil bedeutet.
Kommt dies aus der Toleranz der Amerikaner gegenüber Lobbyismus? Aus Erfahrung? Oder einfach aus der Erkenntnis, daß man solchen Gutachten nicht trauen darf, und sie deshalb erst gar keine Bezeichnung verdienen, die Objektivität vorgaukelt?
Wie es vorhin so schon in den Tagesthemen hieß: Bald werden Hörsäle nicht mehr nach Wissenschaftlern, sondern nach Sponsoren benannt. Dann gibt es dann den Aldi-Süd-Hörsaal oder so.
Man könnte den Gedanken noch weiter treiben: Mit der Einführung der Studiengebühren steigt auch bei den Studierenden eine gewisse Empfänglichkeit, schlicht aus dem Bedarf. Man stelle sich folgendes vor:
Die 500 Euro pro Semester tun manchem ganz schön weh. Und Bücher kosten auch Geld, oder vielleicht mal ein Notebook, was man dringend braucht.
Da wäre es doch naheliegend und denkbar, so eine Art “Mikro-Stipendium” von vielleicht 1.000 oder 2.000 Euro pro Semester zu vergeben. Damit sind die Studiengebühren und was man so an Büchern braucht bezahlt. Für viele Firmen wäre es ein Klacks, einfach mal ein paar tausend Studenten eines Studienganges sowas zukommen zu lassen. Das kann zunächst mal auf Kundensuche hinauslaufen: “Eröffnen Sie Ihr Konto für die nächsten 20 Jahre bei der XY-Bank und wir zahlen Ihre Studiengebühren!” Oder statt einem Handy-Sponsoring?
Damit wären die Leute schon mal psychologisch an die Firma gebunden.
Was aber, wenn die Firma in Zusammenhang mit dem Studienfach steht? Ist dann schon der Nachwuchs auf Interessenvertretung geeicht?
Ich glaube, daß es die Wissenschaft, wie wir sie eigentlich kennen, nicht mehr lange geben wird, und daß gerade der Umbruch zu etwas hin stattfindet, das diese Bezeichnung nicht mehr verdient. Wissenschaft wird gerade durch Lobbyismus und Gefälligkeitsgutachtertum ersetzt.