Die Doppel-Verdien-Professoren (und was aus Studiengebühren wird…)
Ich hatte kürzlich Strafanzeige wegen Untreue gegen das hessische Wissenschaftsministerium erstattet, weil man einer Professorin die Nebentätigkeit als Direktorin eines Fraunhofer-Instituts genehmigt hatte. Das vorläufige Zwischenergebnis ist überraschend:
- Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden behauptet, daß die Genehmigung rechtmäßig erteilt worden sei. Daß aber nach § 79 HBG Nebentätigkeitsgenehmigungen versagt werden müssen, wenn sie die Unparteilichkeit des Beamten gefährden, die dienstlichten Pflichten beeinträchtig oder einen zweiten Beruf darstellt, dazu sagt die Staatsanwaltschaft nichts.
- Auch dazu, daß die Tätigkeit weit über das geehmigungsfähige Maß hinausgeht, dazu sagt sie nichts. Die Nebentätigkeiten eines Beamten dürfen nur 8 Stunden die Woche betragen – und zwar alle zusammen, auch die ehrenamtlichen. Im Falle dieser Professorin müßte man noch rund ein halbes Dutzend mehr oder weniger ehrenamtlicher Tätigkeiten in allen möglichen Vereinen und Gremien abziehen. Wie man ein Fraunhofer-Institut mit über 100 Mitarbeitern in erheblich weniger als 8 Stunden pro Woche leiten will, erklärt die Staatsanwaltschaft nicht.
- Laut § 79 Abs. 3 HBG sind Nebentätigkeiten außerhalb der Dienstzeit zu erledigen, wenn der Dienstherr kein eigenes Interesse anerkannt hat. Laut Staatsanwaltschaft hat das Land Hessen ein Interesse daran, daß die Frau während ihrer Dienstzeit nicht an der Universität, sondern am Fraunhofer-Institut arbeitet. Aber welches Interesse das sein soll, das erklärt man nicht.
- Als Rechtsgrundlage für diese Vorgehensweise gibt man eine kuriose Begründung:
“Die Wissenschaftseinrichtungen sprechen bei diesem, durchaus üblichen Modell der Kooperation zwischen Universitäten und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen von einem “Personalunion-Modell” (sog. Karlsruher Modell). Im Rahmen dieses Modells erfolgt eine Berufung an eine Hochschule mit Übertragung einer Institutsleiterfunktion an einem Forschungszentrum in Nebentätigkeit, wobei in Personalunion das Institut des Forschungszentrums und zugleich ein ähnlich ausgerichtetes Hochschulinstitut geleitet werden. Die Universität trägt bei diesem Modell die finanziellen Mittel der Professur selbst. ”Ist ja sagenhaft. Nicht mehr das Gesetz sagt, was zu tun ist, sondern was üblich ist. Hauptsache, es hat einen kernigen Namen. Wenn man “dabei von … spricht”, muß es wohl legal sein.
Wobei ich mich ja bei der Bezeichnung “Karlsruher Modell” schon amüsiert habe. Besser könnte man solche Methoden wohl kaum bezeichnen.
Was aber ist das “Karlsruher Modell”? Es ist gar nicht leicht, etwas dazu zu finden. Laut einer Webseite der TU Berlinhandelt es sich dabei um eine Empfehlung und Vorgabe der Bund-Länder-Komission. Na, wenn die BLK das empfiehlt, dann muß es ja in Ordnung sein. Muß es? Ich hab bei der BLK nachgefragt: Sie haben das weder empfohlen noch vorgegeben, von ihnen stammt es nicht. Sie kennen das Modell zwar, wissen aber auch nicht, wo es herkommt. Aha.
Bisher habe ich noch nicht herausgefunden, wer dieses Modell mit welchem Recht erfunden und in Umlauf gesetzt hat, und wer meint, damit das Recht außer Kraft setzen zu können. Ob die Staatsanwaltschaft auch Bankräuber laufen läßt, wenn die meinen, das wäre üblich, man spräche da vom “Wiesbadener Modell der Geldbeschaffung”?
Sehr dubios, das alles. Markige Formulierungen, aber bisher nichts dahinter gefunden.
- Professorale Fraunhofer-Direktoren haben meines Wissens normalerweise zu ihrem normalen Beamten-Gehalt noch einen Vertrag mit Fraunhofer. Sie arbeiten also nicht doppelt, aber sie verdienen doppelt. Einfach so.
Nun ist Fraunhofer, insbesonde das fragliche Institut, aber hauptsächlich für die öffentliche Hand tätig. Das heißt, daß das zweite Gehalt zu einem erklecklichen Teil auch aus Steuergeldern kommt. Und das widerspricht dem Verbot der Doppelbesoldung.
Nein, meint da die Staatsanwaltschaft, alles kein Problem, das fiele nicht unter die Abführungspflichten der hessischen Nebentätigkeitsverordnung. Alles im grünen Bereich.
Dumm nur: Der Staatsanwalt wußte wohl nicht, was das Doppelbesoldungsverbot ist. Das beruht nämlich nicht auf Landesrecht und auch nicht auf der Abführungspflicht, sondern auf § 2 Bundesbesoldungsgesetz, das da besagt, daß die Besoldung von Beamten durch das Gesetz abschließend geregelt ist, und alle Vereinbarungen, die darüber hinaus gehen, unwirksam sind. Deshalb kann das Ministerium eine Nebentätigkeit nicht wirksam genehmigen, durch die ein Professor mehr Geld aus öffentlichen Kassen erhält, als ihm nach Gesetz zusteht. Sollten Staatsanwälte als Beamten eigentlich wissen. Aber vielleicht will man das bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ja gar nicht so genau wissen und nehmen. Staatsanwälte sind ja auch Beamte.
Insofern wären übrigens auch die Arbeitsverträge zwischen Professoren und Fraunhofer unwirksam. Interessant. Da kann man noch was draus machen.
Also alles überaus fragwürdig. Riecht sehr stark nach politischer Einflußnahme aus dem Ministerium. Staatsanwälte sind nämlich nicht unabhängig, sondern unterliegen politischen Anweisungen (und dem politischen Wohlwollen bei der nächsten Beförderung).
Man müßte mal ausrechnen, wieviele Studis in Hessen nun Studiengebühren zahlen müssen, um diese Professorin zu finanzieren. Letztlich wird damit nämlich die Fraunhofer-Gesellschaft subventioniert, die auch stark im militärischen Bereich tätig ist. Und mit der Nato hat die Sache auch was zu tun. Im Prinzip könnte man also sagen, daß hessische Studenten mit ihren Studiengebühren auch Militärforschung und -Industrie sowie die Nato subventionieren. Nicht unbedingt das, was man als Zweck der Studiengebühren angegeben hat.
Insofern muß man die ganzen Aktionen und Klagen gegen Studiengebühren, die m. W. bisher alle erfolglos waren, auch als ziemlichen Quatsch abtun. Da wurden so linkspolitische Wischi-Waschi-Argumente wie soziale Verträglichkeit und solches Zeugs gebracht. Also mehr das medienwirksame Pla(t)zieren gewisser politischer Positionen als ein Bekämpfen der Studiengebühren. Kein Wunder, daß das nicht funktionierte.
Meines Erachtens hätte man sehr viel mehr erreicht, wenn man darauf abgestellt hätte, daß hier das Land Hessen Steuergelder verpulvert und Professoren gesetzeswidrig zum Doppelverdienen abstellt, also nicht mit der nötigen Sparsamkeit vorgeht, die zur Erhebung von Abgaben nötig ist. Und daß die angegebene Zweckbindung nicht zutreffend ist. Damit wäre man höchstwahrscheinlich durchgekommen.