Fragen in der Wissenschaft unerwünscht
Schon die Sesamstraße lehrte uns: “Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!”
Da ist was dran. Fragen ist eine Grundtechnik der Wissenschaft.
Erstaunlicherweise ist ausgerechnet an den Universitäten ab einem gewissen Hierarchielevel das Fragen sehr unerwünscht – ebenso wie die Erkenntnis, die man daraus ziehen würde. Worüber ich mich kürzlich mit jemandem im Zusammenhang mit Adele unterhalten habe.
Durch die Seltsamkeiten, die ich in den letzten 10 Jahren, eigentlich sogar den letzten 14 Jahren erlebt habe, zieht sich etwas wie ein roter Faden: Fragen sind unerwünscht. Wer fragt, fliegt raus. Das heißt, es sind höchstens Verständnisfragen erlaubt. Bestenfalls ein “könnte vielleicht” oder “wäre denkbar”. Ernsthafte Fragen, gar ein Infragestellen der Lehrmeinung, sind nicht drin.
- Promotionsanforderungen
- Mehrfach hatte ich als Doktorand gefragt, was denn die Anforderungen an eine Dissertation seien und wonach sie bewertet würde. Immer dieselbe viel- und nichtssagende Antwort des “Betreuers”: Eine Dissertation ist genau dann eine Dissertation, wenn ich sie dafür halte. Weitere Fragen nicht gestattet.
- Standards der Fakultät
- Angeblich müßte man nach den “Standards der Fakultät” das erfüllen, was der “Doktorvater” sich gerade wünscht und was er gerade für sich braucht. Fragen nach der Herkunft, der Natur, dem Inhalt dieser “Standards” ? Nicht erwünscht. Die Fakultät drohte “Klappe halten”, sonst würde eine Promotion wegen Unwürdigkeit verweigert. Nicht einmal dem Ministerium hat man geantwortet.
- Was steht in den Prüfungsgutachten?
- Mit allen Mitteln wollte man verhindern, daß ich die Prüfungsgutachten zu sehen bekomme. Und das geht nicht nur in Karlsruhe so. An der ETH Zürich werden Promotionsgutachten grundsätzlich geheim gehalten und dem Prüfling nicht gezeigt. (Was nicht wundert, wenn man deren Qualität mal gesehen hat.)
- Wo steht das?
- Fragen danach, wo die Behauptungen Beths nachzulesen wären (der von Needham angeblich eingeführte Principal, die Public-Key-Adressierung usw.) oder wie die nicht nachvollziehbaren Quellenangaben richtig lauten würden, wurden nie beantwortet.
- Einwendungen gegen die Gutachten Beths und Zorns?
- Wurden nie weitergeleitet
- Gutachten Ueli Maurer
- Der schrieb schon bevor man gefragt hat, daß man ihn ja nichts fragen dürfe, keine Begründung von ihm erwarten dürfe. Nach Karlsruhe käme er nicht. Sein Gutachten vor einem Gericht zu vertreten käme auch nicht in Frage.
- Sachverständigengutachten Claudia Eckert
- Einwände wurden vom Gericht zurückgehalten. Auf die Frage, warum ihr Gutachten so massiv von ihrem Fachbuch abweicht, der sofortige Rückzug wegen Befangenheit und der Versuch, mich vor Gericht zum Schweigen zu bringen. Fragen absolut unerwünscht. Kein Wort zu den Fehlern in ihrem Gutachten. Wie sie das Gutachten begründen will? Sogar die TU Darmstadt hat ihr verboten, Fragen zu beantworten.
- Sachverständigengutachten Vinck
- Schriftsätze wurden an ihn nicht weitergeleitet. Zwar gab ihm das Gericht auf, Einwände gegen sein Sachverständigengutachten zu prüfen, etwa daß da etwas unmöglich ist, hat der aber gar nicht erst gelesen. Kritische Fragen und Einwände in der Verhandlung? Verbot das Gericht, sonst könnte Vinck ja noch mehr ins Schwimmen kommen. Und wenn man doch mal eine Frage durchbringt, antwortet Vinck mit etwas völlig anderem oder mit “Sie hören mir nicht zu!” Einen Professor stellt man nicht in Frage, man hat zu lernen, was er sagt.
- Warum wurden Vergleichsdissertationen anders bewertet?
- Fragen nicht gestattet, denn “Gleichheit im Unrecht gibt’s hier nicht!”
- Rektorwahl Hippler
- Es gab für die ausgewählten Kandidaten eine universitätsöffentliche Fragestunde. Wer kritische Fragen stellte, wurde aus dem Saal geworfen (ernsthaft). Nichts wurde dokumentiert. Damit ja keiner auf die Idee kommen könnte, etwas nachlesen oder Gründe wissen zu wollen.
- Berufungsverfahren Nachfolge Beth
- Auch hier: Nichts dokumentiert. Nichts nachprüfbar. Rechtlich gesehen hat jeder Bewerber Anspruch darauf, rechtzeitig über den ausgewählten Bewerber informiert zu werden. Nicht in Karlsruhe. Da werden Fragen nicht beantwortet.
- Deutscher IT-Sicherheitspreis
- Mund halten! Wer die falschen Fragen stellt, dem wird angedroht, mit einem teuren Rechtsstreit überzogen zu werden. Die Entscheidungen einer Jury sind gefallen und dürfen gleich gar nicht mehr in Frage gestellt werden. Als ob man Wissenschaft der Begründung entheben könnte, indem man sie “Jury” tauft. Auch Leute mit Geld darf man nichts fragen, denn die sitzen eben am längeren juristischen Hebel.
- Exzellenzinitiative
- Fragen ist gar nicht erlaubt. Auswahlkriterien, Gutachter, Verfahren, alles streng geheim. Alles versteckt hinter den Türen der DFG und des Wissenschaftsrat, für die Verwaltungsrecht, Akteneinsicht, Informationsfreiheitsgesetz nicht gelten. Die Akten im Forschungsministerium wurden sofort vernichtet – damit keiner über das Informationsfreiheitsgesetz Zugriff nehmen kann.
- Konferenzen und Workshops
- Fragen gibts meist nicht. Das heißt, laut Tagesordnung gibt es sie schon, aber man darf oft nicht ernsthaft fragen, denn das ganze dient ja dazu, sich gegenseitig in Frieden die Veröffentlichungslisten zu stärken. Fragen passen da nicht rein. Hab ich sogar am MIT erlebt. “Good Question. Next Question.”
Es gibt eine ganze Menge Leute, die inzwischen auch der Meinung sind, daß die Wissenschaft in Deutschland – oder zumindest die Informatik – längst zu einem Behaupten-und-nie-Anzweifeln verkommen ist.