Open Access im Wissenschaftspublikationszirkus
Noch ein aktuelles Thema. So ganz langsam und unter der Oberfläche, aber doch zunehmend erhitzt die Debatte um Open Access die Wissenschaftslandschaft – und den Forschungssumpf mit dessen untergründigen Geldflüssen.
Leute, vornehmlich Informatiker oder eben solche, die sich mit Computerzeugs auskenne, die mindestens in meinem Alter sind und andererseits damals, als sie noch jung waren, also vor langer, langer Zeit, in der Lage waren, irgendetwas von außerhalb der Universitäten mitzubekommen (und dann auch noch als real existierend zu akzeptieren), könnten wahrscheinlich mit dem Begriff “Public Domain” noch etwas anfangen. Für die anderen: Der Begriff stammte – meiner Erinnerung nach – hauptsächlich aus den USA und fand vor allem im softwareproduktiven Südwesten, in und um Kalifornien seine intensiveste Anwendung. Der dahinterliegende Gedanke war so einfach wie gut: Viel Software wurde damals an Universitäten oder gelegentlich auch an Firmen mit öffentlichen Geldern erstellt. Also, so die Sichtweise, hat es der Steuerzahler und damit die Öffentlichkeit bezahlt und damit quasi gekauft. Was bedeutet, daß man sie nicht noch einmal kaufen muß und auch – in Abweichung von der heute so populären intellectual property-Doktrin – einfach so legan benutzen kann. Was der Steuerzahler gezahlt hat, mußte also für alle offen und frei verfügbar sein. Keine dumme Idee. Bezog sich vor allem auf Software, an eine Anwendung auf Publikationen kann ich mich da weniger erinnern. Im Prinzip wurde damit eine der – wenn nicht die – Grundlagen für die diversen heutigen Open Source Modelle gelegt, und damit letztlich auch für BSD, GNU, Unix, Linux.
In den letzten Jahren hat im Universitätsbereich eine sehr unschöne Entwicklung eingesetzt. Es wird nicht mehr geforscht und entwickelt, sondern es wird veröffentlicht auf Teufel komm raus. Publish or perish. Die Zahl der Publikationen wächst und wächst, und die Qualifikation eines Forschers wird zunehmend an der Länge seiner Publikationsliste und der Wertung der Journale gemessen. Phantasiewährung “Impact Factor”. Alles andere interessiert nicht mehr. Bei Berufungsverfahren kommt es vor, daß das eigentliche Bewerbungsschreiben gar nicht mehr gelesen wird, sondern nur die Zahl der Veröffentlichungen zählt. Plagiate, Forschungsbetrug und Zerlegen selbst mickrigster und dünnster Ergebnisse in unzählige Einzelveröffentlichungen mit dem Mikrotom ufern aus. Geht man in eine ordentlich ausgestattete Informatikbibliothek, findet man reihenweise Regale mit tonnenweise Journale und Konferenzbände, aber nur sehr wenig, was wirklich brauchbar und tauglich ist. Quantität vor Qualität.
Das ganze Spiel hat noch einen bösen Drall bekommen, nämlich durch die kommerziellen Verlage. Offiziell heißt es, die Verlage wären notwendig, um die Qualität der Veröffentlichungen sicherzustellen, durch peer review und andere Maßnahmen. Dafür könnten die Verlage auch Geld verlangen. Das Dumme an diesem Spiel ist, daß es vorne und hinten nicht stimmt. Der peer review ist in den meisten Fällen wertlos, und versinkt immer mehr in den Korruptionsspielchen. Immer mehr Wissenschaftler geben noch vor ihren eigenen Veröffentlichungen an, in welchen Konferenz- und Journalgremien sie sitzen. Also welche Macht sie haben, nicht was sie wissen und können. Immer wieder passiert es, daß selbst in den angesehensten Journalen Fälschungen und Plagiate auftauchen und zurückgezogen werden müssen. Ich habe in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen schon so viel Murks und Dreck gefunden, und wenn man nachprüft, stellt sich dann heraus, daß die Editorial Boards völlig versagt haben oder generell so arbeiten wie an den Universitäten üblich: Die tun nur so als ob, agieren auf Gegenseitigkeit und ziehen stattdessen ihre Seilschaften durch, Zitier- und Akzeptierkartelle regieren. Der ganz normale Universitätsschwindel.
Richtig übel sind dann noch die Preise, die die Verlage dafür nehmen, daß sie eigentlich doch nichts machen und nahezu jeden Mist drucken. Der Haken ist nämlich, daß da keine Marktwirtschaft herrscht. Die Verlage bieten irgendwelche Journale oder Bücher an, und jede Bibliothek, die was auf sich hält, steht damit quasi unter dem Zwang, das Zeug zu kaufen – unabhängig davon ob es taugt und es jemand braucht. In den Universitätsbibliotheken steht kilometerweise Schrott. Nutzloses Altpapier. Aber teuer. Nun ist es so, daß das Zeug immer teurer wird, die Bibliotheken immer weniger Geld haben und sich deshalb nicht mehr alles leisten können. Dann beschweren sich wieder die Wissenschaftler, weil plötzlich irgendeine vermeintlich wichtige Quelle in irgendeinem Journal erschienen ist, das jetzt gerade nicht mehr da ist. Dann kommt dazu, daß auch die Drittmittelgeber langsam die Schnauze davon voll haben, daß sie das Geld geben und die Verlage sich dann nacher an den Forschungsergebnissen eine goldene Nase verdienen, die tollen geförderten Ergebnisse dann aber nur den wenigsten zugänglich sind. Na, und dann ist da noch die technische Entwicklung. Bis etwa in die Achtziger Jahre gab es keine Alternative zu Papier, aber jetzt haben wir das Internet. Papier ist plötzlich altmodisch und rückständig.
Und dann wurmte es eben viele, daß der Prozess, bis man mit seiner Veröffentlichung in einem Journal oder Konferenzband erscheint, durchaus Monate oder gar Jahre dauern kann. Bis dahin ist das heiße Thema veraltet oder man ist von anderen überholt worden. Das System der kommerziellen Verlage bremst die Forschung aus. Eigentlich ist es nur noch mit Nachteilen behaftet, Vorteile hat es eigentlich – außer für die, die kassieren – nicht mehr. Viele Konferenzbände und Journals haben sicherlich mehr Editoren als Leser.
Also besann man sich plötzlich wieder der alten Idee und kam zu dem Begriff “Open Access”. Was nicht rechtlos bedeutet, aber daß Publikationen für alle und kostenlos zugänglich sind. Also beispielsweise als PDF auf einer Webseite liegt und mit Google zu finden ist.
Doch das paßt natürlich den Professoren nicht mehr in den Kram. Erstens geht es um Geld. Zweitens um die Wichtigkeit, in irgendwelchen hochangesehenen Verlagswerken zu erscheinen bzw. als Herausgeber Macht ausüben zu können. Wo kämen wir da hin, wenn einfach jeder seinen Kram auf seine Webseite packen kann und die Publikationen sich plötzlich einem echten Wettbewerb um die Leser stellen müssen? Oder wenn das Werk des hochangesehenen Professors keiner herunterladen will und sich seine Veröffentlichungen bisher nur über die Bibliothekszwangseinkäufe verteilten?
Mitte der neunziger Jahre, ich war damals Mitarbeiter an der Uni Karlsruhe, erklärten mich amerikanische Wissenschaftler mal für völlig bescheuert. Das Europäische Institut für Systemsicherheit E.I.S.S. hatte damals seine eigene Veröffentlichungsreihe, die E.I.S.S.-Reports. Es war so die Zeit, als das World Wide Web in die Gänge kam. Ich wollte damals die Reports auf die Webseiten des E.I.S.S. packen, bekam aber einen Riesenärger mit dem Institutsleiter Beth, der der Meinung war, daß Kryptographie nur bei ihm entwickelt würde und der Rest der Welt nur darauf lauert, bei ihm zu klauen. Auf gar keinen Fall dürfe ich die Reports auf die Webseiten packen. Nach langem hin und her und mit vereinten Kräften konnten wir Beth schließlich davon überzeugen, daß ich wenigstens die Liste der Reports auf den Server legen durfte. Schon da sah sich Beth um den Ruf des Geheimnisvollen geprellt, so doll waren die Reports nämlich nicht. Wie dem auch sei, die Universität von San Francisco wurde auf uns aufmerksam und bat darum, die Reports lesen zu dürfen. Ich wollte sie ihm als Postscript oder PDF schicken (gabs glaub ich damals gerade ganz neu), durfte aber nicht. Als ich denen mailte, daß ich nicht darf, boten sie mir großzügig an, die Reports auf deren Webserver in den USA zu legen. Da dürfe man sowas nämlich, da hätten sie freedom of speech und würden nicht der deutschen Zensur unterliegen. Amerikaner glaubten lange, man bräuchte in Deutschland eine Lizenz, um etwas veröffentlichen zu dürfen, die nicht jeder bekäme. Als ich ihm aber erklärte, daß es nicht am Staat sondern am Institutsleiter läge, der darauf bestünde, die Veröffentlichungen nicht zu veröffentlichen sondern erwarte, daß man ihn schriftlich per Brief um Zugang zu den Reports bitte und der dann persönlich entscheide, welcher der Veröffentlichungen man handverlesen für würdig erachtet und der individuellen Zusendung teilhaftig würde, haben die aus San Francisco uns kollektiv für bekloppt erklärt (womit sie Recht hatten). Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört. Beth fand sich gut und jeden, der ihn nicht untertänig um Einsicht in die heiligen Reports bat, für ohnehin nicht wert, an den erlauchten Reports des E.I.S.S. teilzuhaben.
Jedenfalls ist ein Krieg entbrannt. Auf der einen Seite sind alle die, die Open Access fordern. Ein paar vernünftige Wissenschaftler, Und beispielsweise die Vergabe von Drittmitteln davon abhängig machen, daß alles, was daraus erwächst, als Open Access herausgegeben wird. Auf der anderen Seite die Professoren, die sich ihr Publikationsgehabe nicht nehmen lassen wollen, an Büchern satt verdienen und auch nicht darauf verzichten wollen, irgendwelche teuren Verlage in ihren Publikationslisten zu haben. Die Schlacht ist eröffnet.
- Golem beschreibt den Kulturkampf ums Wissen. Es geht um den Heidelberger Appells “Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte”, um den sich eine Wolke der Polemik ergießt, etwa hier und hier. Es geht um die angebliche “Faire Honorierung” und die Frage, wovon ein Autor dann noch leben soll. Die Frage, wovon ein auf Lebenszeit verbeamteter C4-Professor noch leben sollte, finde ich bizarr. Kritik folgte auf dem Fuße, etwa hier.
- Auch in den USA geht’s rund. Das MIT will alle Publikationen zum Open Access freigeben. Dafür wollen Politiker die Auflagen zur Veröffentlichung der Forschungsergebnisse als Open Access wieder rückgängig machen.
- In der FAZ wettert ein gewisser Roland Reuß (anscheinend der Professor gleichen Namens von der Uni Heidelberg) in Propaganda-Ton gegen Open Source. Selten so viel Quatsch auf einmal gelesen, der bestätigt so ziemlich alle meiner schlechten Erfahrungen mit deutschen Professoren. Betreibt übelsten Interessenlobbyismus und stellt es als Wissenschaft hin. Paßt genau in mein Beuteschema des pseudowissenschaftlichen geldgeilen fremdwortpanschenden Interessenschwätzers mit Verdacht auf Parasitentum. Solche Leute haben meines Erachtens nichts in der Wissenschaft verloren. Immerhin, bemerkenswert an seiner Hetzschrift ist folgender Absatz:
Die Kosten, die Verlage für Satz, Druck und Lektorat ausgeben, werden in der Welt des „Open Access“ zudem komplett auf die Autoren abgewälzt – mit verheerenden Folgen für die Apperzeption wissenschaftlicher Arbeiten. Standard: Times New Roman in Blocksatz ohne Silbentrennung und mit Dauerfolter durch falsche Apostrophe und Anführungszeichen, kurz: digitale typographische Massengräber. Zu lesen gibt es da nichts mehr.
Da hat er ausnahmsweise Recht, war sich aber offenbar nicht bewußt, was er da eigentlich sagt. Wenn nämlich die Wissenschaftler selbst nicht in der Lage sind, ordentliche Veröffentlichungen zu produzieren und dazu die Verlage zum nachschleifen brauchen, ist das doch eigentlich ein Armutszeugnis für die Universitäten und deren Ausbildung. Sollte die Promotion als Nachweis der Befähigung zu selbständigem Wissenschaftlichem Arbeiten nicht gerade auch die Fähigkeit umfassen, etwas ohne fremde Hilfe ordentlich zu Papier zu bringen? Aber von wem sollen es die Doktoranden schon lernen, wenn schon die Professoren es selbst nicht können? Ich habe selbst an der Universität niemals eine dahingende Lehrveranstaltung erlebt und auch nie davon gehört, daß es in Deutschland so etwas gibt.
Was aber bedeutet diese Aussage dieses Professors Reuß? Sie besagt, daß letztlich die Verlage als Feigenblatt dafür herhalten müssen, daß die Wissenschaftler selbst nicht in der Lage sind, tageslichttaugliche Darstellungen zu produzieren und diese als Nachbearbeiter brauchen, womit Verlage in dieselbe Kategorie wie die Promotionsberater so als Semi-Ghostwriter fallen würden. Der Mann hat über das, was er da schreibt, offenbar kaum nachgedacht. Ich halte es gerade für besonders sinnvoll und gut, wenn Wissenschaftler ungefiltert publizieren und nicht durch den Verlag, denn dann sieht man auch gleich besser, wer etwas kann und wer nicht. Das würde einiges ans Licht kommen.
- Der FAZ muß man immerhin lassen, daß sie auch die Gegenmeinung darstellt. Liest sich auch wesentlich vernünftiger.
- In der TAZ (mit T, nicht mit F!) gibt es auch so eine Schmähschrift, von einem gewissen Rudolf Walther, der nichts weniger als die Bewahrung des Wissens in Gefahr sieht und Open Access mit den Piraten vor der somalischen Küste gleichsetzt. Weil doch digitale Medien nicht so haltbar seien wie Bücher. Die Frage nach dem Open Access an der Art des Druckens festzumachen halte ich ebenfalls für absurd. Wissenschaftler-Argumentation eben, irgendwas finden die immer, was man an den Haaren herbeiziehen kann. Bemerkenswert, daß er den Brockhaus über die Wikipedia stellt, gemessen an den “wissenschaftlichen Standards”.
Auf den Begriff mit den “wissenschaftlichen Standards” bin ich allergisch. Hat sich ja schon herausgestellt, daß da gar nichts dahintersteckt als ein permanentes Handaufhalten für Geld und ein Vertreten beliebiger Interessen. Eine klare Darstellung “wissenschaftlicher Standards” habe ich noch nirgends gefunden und auch vor Gericht nicht festellen können. Eigentlich ist das nur so ein Universal-Schwafel-Begriff, den Wissenschaftler gerne verwenden, wenn sie verdecken wollen, daß ihnen gerade nichts substantiiertes einfällt. Insofern spricht dieser Artikel für sich selbst.
Überhaupt scheint die TAZ sich und ihre Artikel gelegentlich aus dem untersten intellektuellen Bodensatz zu rekrutieren. Jedenfalls bekamen sie für diesen Mist-Artikel jede harsche und sehr lesenswerter Menge Kritik der Blogger, beispielsweise onlinejournalismus.de, immateriblog.de und netzpolitik.org. Gemessen an diesen Artikeln ist Open Access (Blog) dem kommerziellen (TAZ) qualitiativ eindeutig haushoch überlegen. Fand immerhin auch in der TAZ ein gewisses Echo.
Auch hier erkennt man aber wieder sehr deutlich das Standardmärchen der etablierten Wissenschaft, nämlich durch angebliche wissenschaftliche Standards und Überprüfbarkeit überlegen zu sein. Hört sich immer gut an. Nur war es nach meinen Erfahrungen bisher immer so, daß an diesem Wissenschaftsgedöns viel weniger nachprüfbar war als in der Open Access Szene. Seit rund 15 Jahren befasse ich mich (in der Informatik) mit dieser Thematik und muß sagen, daß da bisher so gut wie gar nichts nachprüfbar war – nicht mal vor Gericht. Das, was den Wissenschaftszirkus an deutschen Universitäten ausmacht, ist eben nicht, daß alles nachprüfbar wäre, sondern daß man nicht nachprüft und nicht nachprüfen darf, und es deswegen nicht ans Licht kommt, was alles nicht nachprüfbar ist. Im Übrigen muß ich sagen, daß nach meinen Erfahrungen im Bereich der Blogger und des Open Source und der freien Enzyklopädien eigentlich immer vollständig und sorgfältig zitiert wird. Ist ja auch viel einfacher mit URL. An den Universitäten kann von sorgfältigem Zitieren keine Rede sein, da wird nicht nur plagiiert und gefälscht, daß die Wände wackeln, es gibt auch die Ansicht, daß niemals von oben nach unten zitiert wird, daß es etwa unter der Würde eines Professors oder schon Doktoranden und quasi unmöglich sei, eine Diplomarbeit zu zitieren. Gerade in Heidelberg – wo diese Kampagne gegen Open Access ja offenbar ihren Brandherd hat – habe ich mal als Beistand eines Geschädigten an einer Sitzung vor einer Untersuchungskommission teilgenommen, wo man ganz offen den Standpunkt vertrat, daß Doktoranden sich an Diplomarbeiten bedienen dürfen ohne sie zu zitieren. Als ich damals im Streit mit der Uni an anderen Universitäten nach einem Ersatzprüfer suchte, lehnte einer die Prüfung mit der Begründung ab, ich hätte ja ihm Literaturverzeichnis Artikel der c’t zitiert und damit die Dissertation wissenschaftlich entwertet und es unmöglich gemacht, daß ein angesehener Professor sie würdigen könnte. Material aus der c’t zu entnehmen sei schon in Ordnung, aber sie dürfe eben nicht im Literaturverzeichnis auftauchen, da dürften nur die feinsten und wissenschaftlichsten Quellen angegeben werden. Dafür verlangte man damals von mir, daß ich Quellen zitiere, die ich nie verwendet habe und die noch gar nicht erschienen waren, einfach als Ehrerbietung an andere Wissenschaftler und Selbsteinordnung in das Hierarchiesystem. Insofern halte ich das Märchen, daß nur die kommerziellen Veröffentlichungen der Universitäten nachprüfbar und sauber mit Quellen versehen seien, nicht nur für unwahr, sondern für bewußt gelogen. Auch hier entsteht wieder der Eindruck, daß man nicht gegen Open Access, sondern gerade gegen die Nachprüfbarkeit kämpft. Denn auch kämpft man hier gegen Google. Vielleicht liegt die Gefahr, die man bekämpfen will, ja gerade darin, daß alles, was man geschrieben hat, per Google zu finden ist – und damit auch alles, was man abgeschrieben hat.
- Lesenswert ist auch dieser Artikel in scienceblogs.de: Wußtet Ihr etwa, daß das teuerste Zeitschriftenabo der Unibibliothek Karlsruhe über 17.000 Euro kostet? Und alle der 10 teuersten Abos vom Verlag Elsevier stammen und die allein dafür von einer einzigen Bibliothek jährlich über 120.000 Euro bekommen? Haben die noch alle Tassen im Schrank?
- Ein kritischer und sehr lesenswerter Artikel findet sich auch in der ZEIT. Über den Würgegriff der Großverlage, die Preise fast beliebig diktieren können.
Was mich an der Diskussion besonders anwidert ist das Gejammer der Professoren, daß sie enteignet und in ihrer Veröffentlichungsfreiheit verletzt würden. Teilweise vergleichen sie sich mit Künstlern und Journalisten (Link gerade nicht mehr zur Hand, wird nachgereicht), denen man ja auch nicht ihre Werke abnehmen würde.
Künster und meistens auch die Journalisten sind Freiberufler. Die bekommen vom Staat kein Grundgehalt und sind daher frei – und wenn sie nichts verkaufen, dann hungern sie.
Professoren sind in der Regel Beamte und zwar auf Lebenszeit. Das heißt, daß sie bis ins Grab aus Steuergeldern dick bezahlt werden, egal ob sie gut oder schlecht, fleißig oder faul, schlau oder dumm sind. Sie haben keine greifbaren Arbeitszeiten, de facto keine Vorgesetzten und werden so gut wie nicht in ihrer Arbeitsleistung überprüft, haben weitgehende Narrenfreiheit, fahren nach Lust und Laune zu Konferenzen, oft in der ganzen Welt. Und schreiben ihre Werke, die sie dann teils teuer verkaufen, oft nicht einmal selbst, sondern lassen sie von – wiederum aus Steuergeldern bezahlten – Mitarbeitern für sich schreiben. Die Universität Darmstadt und die Staatsanwaltschaft Darmstadt halten das sogar für normal. Und trotzdem beschweren sich viele Professoren, daß sie enteignet und geknechtet werden.
Nur mal zum Vergleich: Wer normaler Angestellter ist, der hat mit dem Arbeitsvertrag in aller Regel die Nutzungsrechte seiner Werke, die während seiner Tätigkeit entstehen, an seinen Arbeitgeber übertragen. Der wird nicht mehr gefragt, ob, wie und wann veröffentlicht wird, und die Erträge steckt der Arbeitgeber ein, denn der hat ja schon das Gehalt gezahlt. Insofern müßten auch die Werke der Professoren (falls sie sie denn überhaupt selbst geschrieben haben) dem gehören, der deren Gehälter zahlt. Als dem Land und damit der Öffentlichkeit. Die Idee des Public Domain. Aber irgendwie bilden sich manche Professoren da wieder mal ein, daß für sie andere Regeln als für den Rest der Welt gelten. Glücklicherweise nicht alle Professoren.
3 Kommentare (RSS-Feed)
Naja, also der erste Punkt war ja, wie man ordentlich/ schreibt, also zunächst mal etwas ordentlich formatiert und halbwegs lesbar formuliert. Offenbar braucht man die Verlage ja schon, um den Inhalt überhaupt halbwegs lesbar und ansehnlich zu machen, Übrigens kenne ich jemanden, der gerade in der Oberstufe eines Wirtschaftsgymnasiums ist und dort sowas lernt. Wenn es sowas auch an Universitäten geben soll, bitte ich um einen Link.
Und die nächste Stufe ist eben das “wissenschaftliche Arbeiten”. Also sprechen wir mal von der Informatik: Von wem sollen die denn das lernen?
Ich habe in den 11 Jahren Uni-Streit nicht einen einzigen Professor gefunden, der hier in der Lage gewesen wäre, als Prüfer oder Gutachter drei vernünftige Sätze hinzuschreiben. Im Gegenteil: Ich haben den beteiligten Professoren nachweisen können, daß das, was sie schreiben falsch und Unfug ist, und sie das, worüber sie schreiben, nicht gelesen haben, nicht wissen, worum es geht und einfach vor sich hinquatschen. Und daß ihre Behauptungen einfach willkürlich aus der Luft gegriffen waren und sie keinerlei Quellen angeben konnten. Und teilweise ihr eigenes Hauptfach nicht beherrschten. Einige dieser Professoren hatten nicht mal die einfachsten Grundkenntnisse und eine Professorin kannte den Inhalt ihres eigenen Fachbuches nicht.
Was meinst Du, was mir in den letzten Jahren alles zugetragen wurde. Nur ein erschreckend kleiner Teil der deutschen Professoren kommt überhaupt in die Nähe dessen, was man als wissenschaftliches Arbeiten bezeichnen kann. Die meisten sind nicht einmal in der Lage, ein einfaches Sachverständigengutachen zu erstellen – und die Anforderungen daran sind nichts anderes als die Grundfähigkeiten zu wissenschaftlichem Arbeiten. Das ganze System beruht darauf, Kritik auszuschalten oder zu ignorieren.
Erklär mir doch mal, wie Studenten von solchen Leuten wissenschaftliches Arbeiten lernen können sollen.
“Was mich an der Diskussion besonders anwidert ist das Gejammer
der Professoren, daß sie enteignet und in ihrer
Veröffentlichungsfreiheit verletzt würden.”
Wer das als Argument gegen Open-Source anführt, muss in der Tat
ein Vollidiot sein. Schließlich ist doch gerade die von vielen
Verlagen geforderte Übertragung des Copyright vom Autor an den Verlag,
die einer Enteignung nahe kommt. Denn da kann es dem Autor passieren,
dass er seine bereits vergriffenen Arbeiten selbst nicht mehr
zugänglich machen kann, weil der Verlag vielleicht in Zukunft noch
einmal mit einer e-Version Geld machen will.
In ein paar Jahren ist solch Gejammere ohnedies verebbt: dann wird
es sich auch bis Heidelberg herumgesprochen haben, dass es
“Open-Source” Zeitschriften gibt, die nicht auf “peer review” verzichten,
und den Autoren hauseigene LaTeX Stilvorlagen zur Verfügung stellen.
Deine schlechten Erfahrungen sind vielleicht wirklich fachspezifisch
bedingt: die betreffenden Professoren scheinen sich immer dann übelst
verhalten zu haben, wenn sie sich an Tätigkeiten versuchten, die
mit der eigentlichen Wissenschaft nur wenig zu tun hatten und für
die sie die erforderlichen Fähigkeiten nicht hatten. Das geht oft schief.
Zu “Ich habe selbst an der Universität niemals eine dahingende Lehrveranstaltung erlebt und auch nie davon gehört, daß es in Deutschland so etwas gibt.”
Schau mal übern Tellerrand. Ausserhalb der Informatik ist es durchaus üblich, dass den Studenten erstmal genz genau beigebracht wird, wie man z.B. wissenschaftlich schreibt. Als Quelle hab ich allerdings grade nur eine Kommilitonin, die Politikwissenschaft studiert.