Was Mathematik eigentlich ausmacht – das “Gewaltsame”
Eigentlich habe ich über diese Dissertation von Heike Stach schon genug geschrieben. Ein aufmerksamer Leser machte mich nun aber noch auf eine Textstelle aufmerksam, die man doch zitieren muß. Darüber, was Mathematik so ist. Das hält man im Kopf nicht aus.
Seite 25:
In “Moderne, Sprache, Mathematik”, einer Arbeit zur Frage danach, was Mathematik eigentlich ausmacht, befragt Herbert Mehrtens auch die Art und Weise, wie mathematische Texte geschrieben sind. Als ein zentrales Stilmittel mathematischer Texte arbeitet er die demiurgische Attitüde des mathematischen Schöpfers heraus, in dessen “Sei M eine Menge” sich seine Herrschaft über die Zeichen und auch das Gewaltsame der Mathematik dokumentiert (S. 459f.): “Die Sprache der Zeichen ist gewaltsam, weil die Zeichen gesetzt werden. Die mathematische Sprache hält sich an das, was unwiderruflich gesetzt werden kann. So kann sie Gesetze formulieren.” Aus dem Habitus der Mathematiker, Regeln als Befehle zu nehmen – und nicht etwa aus der Übereinstimmung zwischen mathematischen Regeln und natürlichen Erscheinungen – leitet er den Urgrund der mathematischen Gewißheit ab (S. 461): “Die These, scharf formuliert, zielt hier nur auf die Sprache Mathematik und behauptet, daß ihre Gewißheit darin liegt, daß die Regeln Befehle sind, Verbote und Gebote, die in der Konkretion der Zeichen realisiert werden.” Ich werde im weiteren Verlauf noch des öfteren auf Mehrtens Überlegungen Bezug nehmen.
In “Die Logik und das Schweigen” untersucht Käthe Trettin die Evidenz, die logische Deduktionen und Formalismen in Texten produzieren, anhand des Aristoteles-Textes “Erste Analytik” und Freges “Begriffsschrift”. Ich möchte ihre Arbeit hier als ein weiteres Besipiel dafür anführen, daß auch sehr formale und auf den ersten Blick nicht in Hinblick auf ihre soziale und kulturelle Gebundenheit interpretierbare Texte nach ihrer Weltanschauung, nach unterliegenden Orientierungsmustern und der Art und Weise, wie sie Wirklichkeit herstellen, befragt werden können. Ausgehend von der Beobachtung “Die Logik zeigt und schweigt” fragt Trettin nach dem, was in dem evidenten Zeigen verschwiegen wird, was verborgen bleibt, und kommt zu dem Schluß (S. 31:): “[…] ich behaupte, daß die Anti-Faszinations-Unternehmung Logik als Form-Faszination wiederkehrt wie das Verdrängte.” Unterschlagen wird, so ihre Schlußfolgerung, durch das Form-Faszinosum zum einen “die Zeitproblematik – und damit die universale und zugleich individuelle Endlichkeit des Lebens – ” sowie die Geschlechterdifferenz, die verschwiegen, verdrängt oder asymmetrisch bewertet wird (S. IX). Ihr Ausgangspunkt, “eine allgemeine Skepsis gegenüber Purifizierungsstrategien und deren Legitimationsversuchen” und die damit verbundene Frage danach, was mit HIlfe solcher ungebrochenen Reinheit implizit bewältigt wird (S. 31), ist für die Interpretation technisch-wissenschaftlicher und besonders formal gehaltener Texte beispielhaft.
So ein gequirlter Schwachsinn!
Ich kann mich nicht erinnern, jemals so ein Geschwätz, so ein leeres, dümmliches Geschwafel, solche inkompetente Wortwichserei gelesen zu haben, jedenfalls nicht in technischen Fächern (abgesehen von der von Geisteswissenschaftlern in Beschlag genommenen Mailingliste, die ich schon früher erwähnte). Dies ganzen Philosophie- und Sozialwissenschaften ergötzen sich selbst in der Verwendung immer ähnlicher Satzverschnörkelungen, wilder Satzkonstruktionen, eines abgedrehten Vokabulars, aber sagen eigentlich nichts anderes als daß sie nicht verstanden haben, worum es geht und es hier nicht um Wissenschaft, sondern um ein Gegenseitiges Zitieren um des Zitierens Willen als reinem sinnentleertem Selbstzweck geht.
Wer solchen Quatsch schreibt, der hat Mathematik nicht verstanden. Als wäre Mathematik allein das Hervorrufen von Faszination durch die gewählte Sprache. Als würde hinter einer mathematischen Aussage kein Gedankengang stehen, sondern die optische Wirkung der Aussage zählen. Eine extrem laienhafte Sichtweise, so wie wenn jemand über etwas schreibt, was er selbst noch nie erlebt hat. Was erstaunt, denn die Autorin hat ein Diplom in Informatik und der oben Zitierte eines in Mathematik. Was eindeutig beweist, daß ein Deutsches Diplom das Papier nicht wert ist, auf das es gedruckt ist.
Es wird mir immer unverständlicher, wie man mit so einem unqualifizierten Geschwafel an einer Informatik-Fakultät zum Dr.-Ing. promovieren kann. Mit so einer Sichtweise auf die Mathematik.
Das ist doch einfach unglaublich, was da an deutschen Universitäten abgeht.
Und wenn es sich wirklich um dieselbe Heike Stach handelt (und dafür spricht derzeit alles), die im Bundesinnenministerium im IT-Stab sitzt und für das Bürgerportal / De-Mail zuständig ist, dann schwant mir ganz Übles. Wahrscheinlich hat die dann auf Kryptographie so eine ähnliche Sichtweise wie auf Mathematik. Wahrscheinlich liegt der Sinn und Zweck von Kryptographie auch in der Geschlechterdifferenz und der Gewalt der Worte.
Schon aufschlußreich, woraus die in Schäubles Innenministerium sich rekrutieren.
7 Kommentare (RSS-Feed)
*Mist* Stimmt, die hatte ich leider übersehen. Nach der Promotionspraxis beispielsweise der Uni Karlsruhe wäre das ein Fehler der alleine schon ausreicht um bei der Promotion durchzufallen. Sowas muß drinstehen.
Vergleiche nebenbei:
“In “Die Logik und das Schweigen” untersucht Käthe Trettin die Evidenz, die logische Deduktionen und Formalismen in Texten produzieren…”
mit der Amazon-Zusammenfassung des Buches:
“The fascination of evidence and the transparancy of formalisms are penetrated by defining the unstated assumptions, those left to ′silence′.”
Ach so, es geht um die Faszination von wissenschaftlicher Erkenntnis!
Hei den nei, die hat ja noch nichtmal ihre eigenen Quellen richtig gelesen…
Die einzige Möglichkeit, das da oben zu beschreiben, ist “Cargo-Kult-Mathematik”.
Moment, der Schwachsinn stammt nicht von ihr selbst, den hat sie nur
zitiert. Natürlich ist für den Rest der Arbeit schlimmes zu befürchten,
wenn sie den Quatsch überhaupt ernst nimmt, aber das ist etwas anderes.
Trotzdem basiert die Arbeit darauf, sie hat es ausgewählt und damit auch die Art des Ausgangsmaterials.
Das zitieren solcher Quellen bedeutet aber nicht zwangsläufig,
dass man die eigene Arbeit darauf aufbaut; es ist auch dann sinnvoll,
wenn man die eigene Vorgehensweise methodisch von anderen Arbeiten
angrenzen will. Allerdings glaube ich auch nicht, dass letzteres
hier zutrifft.
Meine Vermutung ist, dass diese Methode der “dokumentarischen Interpretation”
in der Arbeitsgruppe mal ausprobiert wurde und dann ohne Rücksicht auf
Verluste auf alles mögliche angewandt wurde. Schließlich wollte sie
halt auch mal.
Also Hadmut, Dein Beitrag verschweigt Adoleszenzprobleme von gemusterten Meerschweinchen.