“Professoren im allgemeinen sozial sehr viel dümmer”
Teil 2 meiner Buchkritik zu Das Elend der Universitäten.
Das Buch ist – wie schon angesprochen – kein monolithisches Werk, sondern eine Sammlung verschiedener, unterschiedlicher Beiträge. Nach dem Inhaltsverzeichnis hege ich den Verdacht, daß nicht alle von derselben Qualität sind. Deshalb werde ich das Buch in mehreren Teilen besprechen. Nach einer Betrachtung des ersten Beitrags kommt hier meine Kritik des zweiten Teils, den ich heute gelesen habe.
Der zweite Beitrag des Buches ist eigentlich gar kein Beitrag zum Buch, sondern – soweit die Fußnote hergibt – ein Skript zur Abschiedsvorlesung des Professors Bodo Zeuner, gehalten 2007 an der FU Berlin. Das würzt ungemein, denn bekanntlich geben Leute ihren Abschiedsvorlesungen besonderen Pfeffer, weil sie in Erinnerung bleiben wollen und nichts mehr zu befürchten haben. Und vielleicht noch die ein oder andere Rechnung offen haben.
Um es gleich zu sagen: Der Pfeffer ist gut. Auch wenn ich an einem Punkt nicht zustimmen kann.
Zeuner rechnet ziemlich drastisch, aber fundiert mit dem Umbau der Universitäten von der öffentlichen und gemeinnützigen Wissenschaftseinrichtung zu profitorientierten unternehmensgleichen Objekten ab. Er kritisiert die FU, die sich “bei ihren eigenen Umstrukturierungen so verhält, als wolle sie sich demnächst kapitalprivatisieren, als wäre der Börsengang, wie bei der Deutschen Bahn AG, ihr oberstes Entwicklungsziel.” Er kritisiert sehr deutlich, daß immer mehr (bemerkenswerterweise unwissenschaftliche) Stellen Einfluß auf die Umgestaltung der Universitäten zu Unternehmen haben, etwa über ein Ranking, daß das Wirtschaftsmagazin karriere mit dem Prognos-Institut durchgeführt hat, und auch das CHE der Bertelsmann-Stiftung findet Erwähnung. Immer wieder erstaunlich, wie oft diese Bertelsmann-Stiftung kritisiert wird.
Wissenschaft kann sich nicht vollständig den Schuh- oder Automobil-Produzenten angleichen – denn sie unterliegt dem Wahrheitskriterium, Schuhe und Autos müssen dagegen nur nützlich sein. Diese Bindung an das Streben nach Wahrheit macht sogar den spezifischen Gebrauchswert der Wissenschaft aus und verleiht ihren Produkten eine besondere Würde und Autorität. Sie erst begründet das Grundrecht auf
Trefflich formuliert. Man denke an die diversen Gefälligkeitsgutachten oder die zunehmende Zahl von Ehrendoktorgrade für Geldspenden. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum man nie irgendwelche Kriterien für Promotionen erfährt – denn dann könnte man ja daran messen.
Die Humboldtsche Gelehrtenrepublik, auch wenn sie in Deutschland im 20. Jahrhundert zur autoritären Ordinarienuniversität degeneriert war, hatte die Struktur einer durch Kooptation rekrutierten aristokratischen Republik, in dem nur der Professorenstand Vollbürgerrechte genoss. Dass die selbstherrlichen Ordinarien sich von den Nazis bereitwillig bis widerstandslos gleichschalten ließen, hätte diese Struktur schon 1945 dringend reformbedürftig erscheinen lassen müssen. Zu dieser Reform kam es aber erst mit der Studentenbewegung.
Schön gesagt und gut getroffen. Nur daß die Studentenbewegung daran so viel geändert hätte, könnte ich jetzt nicht bestätigen. Was die Autorität und die Selbstherrlichkeit angeht.
Insgesamt: Wenn ich der Humboldtschen Professorenrepublik vorwerfe, sich in den Jahren 1933 ff. widerstandslos dem Nationalsozialismus an den Hals geworfen zu haben, dann werfe ich der von meiner Generation bestimmten demokratisierten Gruppenuniversität vor, sich in den 1990er Jahren ebenso widerstandslos der Umwandlung ihrer Universitäten in Privatunternehmen gebeugt zu haben.
Es erscheint sehr verwegen, einen Vergleich zwischen Privatisierung und Nazis herzustellen. Aber irgendwo ist da schon was dran an diesem extremen Opportunismus, der an den Universitäten herrscht. Was steckt eigentlich hinter dieser Privatisierung? Seine Theorie:
Ein ganz wichtiges Ziel, wenn nicht sogar das Hauptziel des ganzen Programms zur Ökonomisierung der Wissenschaft scheint mir zu sein, die Studentinnen und Studenten, dieses in jeder Gesellschaft immer wieder nachwachsende Potential an Infragestellung und zuweilen auch an Rebellion, dauerhaft karrieristisch ruhig zu stellen.
Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube nicht, daß Studenten da eine nennenswerte Rolle spielen. Ich habe den Eindruck, daß es da mehr um zahlen und möglichst schnell und mit wenig Aufwand durch geht.
Zutreffend erscheint mir dagegen das:
Bei den Universitätswissenschaftlern besteht eine strukturbedingte Unfähigkeit zu solidarischem Handeln. Ihnen wird im Zuge ihres Aufstiegs Konkurrenz als Habitus ansozialisiert und Solidaritätsbedürfnisse werden wegsozialisiert. Man muss auf jeden Fall besser sein als die oder der andere. Was es unter den individuell auf Konkurrenz gegeneinander ausgerichteten WissenschaftskarrieristInnen gibt, sind nicht-solidarische Gruppenzusammenschlüsse von stets prekärer Art: Seilschaften und Zitierkartelle. Das heißt: Jeder kann jeden fallen lassen, wenn es ihm gerade opportun erscheint. […]
In der Wissenschaft aufgestiegene Menschen, vor allem die Professoren, sind daher im allgemeinen sozial sehr viel dümmer als etwa Fabrikarbeiter, die ziemlich früh durch Erfahrung lernen, dass es ihnen schlechter geht, wenn sie nur für sich ihr Glück versuchen, statt sich zusammenzuschließen: Allein machen sie dich ein, lautet die Formel für diese Solidarität.
Starker Tobak. Aber ein interessanter Gedanke. Daß sich Professoren nach rein strategischen Gesichtspunkten zusammenfinden und ansonsten in die Waden beißen, wo sie nur können, habe ich in Karlsruhe ständig erlebt. Und daß die Professur besonders die Leute anzieht, die nicht teamfähig und eher so die Kategorie Zivilversager sind, habe ich auch schon beobachtet, aber noch nicht so auf den Punkt gebracht und in dieser Konsequenz dargestellt. Muß ich mehr drüber nachdenken.
Die Darstellung gefällt mir insgesamt sehr gut. An einem Punkt bin ich aber skeptisch:
Zeuner schimpft immer wieder darüber, daß die Selbstverwaltungsgremien entmachtet werden und die “Firmenleitung” immer mehr unangefochtene Alleinmacht hat. Das beruht sicherlich auf seinen Erfahrungen an der FU Berlin, wo es anscheinend ziemlich wüst zugehen bzw. zugegangen sein muß. Man merkt da einige Verbitterung, die ich persönlich gut nachvollziehen kann. Nur habe ich aus meinen Erfahrungen große Zweifel daran, daß die Selbstverwaltungsgremien wirklich besser sind. Das ist eher so die Wahl zwischen Pest und Cholera. Korrupt sind die inzwischen alle, und wenn ich mir ansehe, wie die Fakultäten bei Promotionen und Berufungsverfahren manipulieren und fälschen, sind die keinen Deut besser.