Naivität gegenüber Titelhandel
Hatte ich nicht eben vor ein paar Minuten noch geschrieben, daß der SPIEGEL so langsam was zu merken scheint? Fehlanzeige.
Gerade schieben sie einen neuen Artikel nach, angeblich wollen Professoren und Kultusminister jetzt ausmisten. Klassischer Fall von den Bock zum Gärtner machen. Die aus Professoren aufgebauten Kommissionen zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die die DFG als Alibi verlangt, funktionieren ja auch nicht. Welcher Professor soll denn da effektiv ausmisten?
Und die Kultusminister? Diese Laienspieltruppe, die uns die Rechtschreibreform eingebrockt hat und sich selbst über nichts einig werden kann? Ausgerechnet diese Knalltruppe soll den Universitätssump ausmisten? Im Leben nicht. Wieso auch? Die Forschungsminister setzen alles daran, einen undurchsichtigen Korruptionssumpf aufzubauen, und die intellektuell und bezüglich der Macht weit unterlegenen Kultusminister sollen den aufdecken? Ich lach mich tot.
Der Müncher BWL-Professor Manuel Renè Theisen, angeblich der immerhin beste Fachmann für das Phänomen Titelhandel, schätzt, daß jede 40. Promotion in Deutschland faul ist. Wie naiv ist das denn (und mal eine dümmlich neu-deutsche Redewendung zu gebrauchen)? Oder geht es darum, das Problem kleinzureden? Nach meinen Erfahrungen sind die Quoten sehr stark Fach- und Lehrstuhlspezifisch, aber für Informatik und einige Lehrstühle würde ich von einer Quote der faulen Promotionen von signifikant über 50% ausgehen.
5 Kommentare (RSS-Feed)
Ach sieh an, noch ein Milliardär aus dem Karlsruher Uni-Umfeld – Schrauben-Würth. Schon verblüffend, wieviele Milliardäre sich an der Uni Karlsruhe rumtreiben.
Da fällt mir noch ein, daß in den Fällen, die ich in Karlsruhe aufgedeckt habe, das Rektorat gegenüber der Staatsanwaltschaft zugeben mußte, daß man offiziell von den Profs verlangt habe, daß sie Schmiergeld für Prüfungen reinholen. Titelhandel dürfte als Brot-und-Butter-Geschäft zum regulären Portfolio der Forschungsmafia zu gehören.
Es könnte also durchaus sein, daß da die ein oder andere Uni den Professoren sogar vorgeschlagen/nahegelegt/verlangt hat, daß die sich über Schmiergeldprüfungen selbst finanzieren.
Vielleicht wird sich der ein oder andere dieser 100 damit verteidigen.
Heute in Panorama ging es auch zeitweise um diese Hannoveraner Seilschaft. http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2009/panoramatitel100.html falls Du es nicht eh schon selbst bemerkt hast.
Pfiat di. 🙂
Nee, hatte ich nicht gemerkt. Danke! 🙂
Bei den Kommentaren in der ZEIT zu dem Promotionsskandal habe ich einen aufschlußreichen Link zur Frankfurter Rundschau gefunden. Die ganze Geschichte könnte noch einen weiteren ganz üblen Twist haben:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/1898517_Gekaufter-Titel-Korrupte-Doktorvaeter.html
Es wird hauptsächlich gegen Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren ermittelt. Die Lebenssituation dieser Personengruppe ist eine weitere äußerst üble Begleiterscheinung des deutschen Universitätssystems. Die sind das wirkliche “akademische Proletariat”; jahrzehntelang in Abhängigkeitsverhältnis von einem Ordinarius stehend, müssen sie sich nach der Habilitation für unbestimmte Zeit irgendwie durchschlagen, während in den Berufungskommissionen gemauschelt und getrickst wird, und die PrivDoz in einem kafkaesken Limbus gehalten werden; teilweise jahrzehntelang. Mit “C4 oder Hartz 4” hat einmal ein PrivDoz seine Zukunftsaussichten sehr komprimiert beschrieben.
Es könnte sein, daß die faulen Promotionen eventuell gar nicht wegen Gier, sondern schlicht aus nackter finanzieller Not heraus vertickert wurden. Und daß jetzt halt einige ‘expendables’ Privatdozenten über die Klinge springen müssen, während die Ordinarien natürlich völlig unantastbar bleiben.