Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Panorama-Beitrag über Titelhandel und CDU-Politiker mit falschem Doktorgrad

Hadmut Danisch
28.8.2009 13:01

Hatte mir ein Leser als Kommentar geschrieben, aber weil’s gerade aktuell und interessant ist und Kommentare zu älteren Artikeln untergehen, hier nochmal der Link zum Panorama-Beitrag über Titelhandel von gestern abend (mit Video zum angucken).

Besonders bemerkenswert an diesem Beitrag ist aber, daß er auf die Politiker der CDU, FDP und SPD als Konsumentengruppe des Titelhandels abzielt, und daß man da seit 25 Jahren nichts gegen Titelhandel unternimmt.

So langsam wird mir auch klar, warum man im CDU-regierten und korruptionsverseuchten Baden-Württemberg nichts gegen korrupte Universitäten unternimmt bzw. das sogar noch fördert und forciert. Universitäten sind ein riesiger, politisch gewollter Korruptionsbrutkasten.

Dazu muß man etwas über die Entstehung des Doktorgrades in Deutschland (bzw. dem mittelalterlichen Vorläufer dessen, was Deutschland heute ist) wissen. Die Vergabe des Doktorgrades in Deutschland war (fast) noch nie etwas anderes als korrupter Titelhandel.

Im Mittelalter, als die ersten Universitäten entstanden, war Bildung zwar interessant, aber eher brotlose Kunst und der Wissenschaftler deshalb ein Hungerleider, der auf Spenden und Almosen angewiesen war. War der Doktor (lat. Lehrer) zunächst die Bezeichnung und ausreichende Qualifikation für einen, der lehren darf, kauften sich da immer mehr Leute in die Universitäten ein, indem sie den Professoren dort ein paar Kröten gaben. Dafür waren die dann immer williger, die Bezeichnung des Doktors zu vergeben. So kam das auch auf, daß an den deutschen Universitäten Leute ohne Doktor als immer wertloser und unbedeutender angesehen wurden – weil sie noch nicht gezahlt hatten.

Anders als etwa in Frankreich war in Deutschland der Adel lange sehr aktiv (ist er im Prinzip ja heute noch, siehe Wirtschaftsminister zu Guttenberg), achtete aber darauf, daß der Adelsstand nur durch Geburt zu erwerben war. Wer bürgerlich geboren war, hatte zunächst keine Chance, da irgendwie gesellschaftlich aufzusteigen, bis sich schließlich der Doktor als Teil des Namens und damit als käuflicher Pseudo-Adelstitel etablierte und jeder, der angeben wollte, sich so einen kaufte. Daher kommt auch die Ansicht, daß der Doktor ein Titel sei, obwohl er kein Titel sondern ein Grad ist. Halt irgendwas für auf die Visitenkarte.

Deshalb ist der Doktor in Deutschland und Österreich auch (historisch gewachsen) so ungeheuer wichtig, um gesellschaftlich angesehen zu werden, aber genauso historisch gewachsen schon immer verlogen und käuflich gewesen. Besonders in Preußen war es üblich, daß der Staat Geld sparte, indem er die Beamten nicht bezahlte, sondern es ihnen selbst überließ, sich ihren Lebensunterhalt durch Korruption zu verdienen (so wie jetzt in den von der Staatsanwaltschaft Köln aufgedeckten Fällen die unterbezahlten Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren). Deutschland ist historisch gesehen quasi korrupt durch Konstruktion. Dazu ein Zitat von Erwin K. Scheuch (in Hans Herbert von Arnim: Korruption — Netzwerke in Politik, Ämtern und Wirtschaft):

„Die Beamten im Feudalismus und dann auch noch bis weit hinein ins 19. Jahrhundert ernährten sich von so genannten Sporteln. Dies sind Vergütungen in Geld oder Naturalien, die der Beamte als Empfänger einer Dienstleistung erhielt. Preußische Professoren durften beispielsweise erwarten, dass Studenten nach ihren Examina sich für diese mit Gänsen oder anderen Leckereien bedankten.“

Als das dann überhand nahm, führte man ein, daß Beamte eben nur noch vom Staat zu bezahlen wären. Und weil man an den Universitäten erkannte, daß der Doktor so inflationär und massenhaft verkauft worden war, führte man als Lehrbefähigung eben die Habilitation ein. Die Existenz der Habilitation ist nichts anderes als die Folge ausufernden Titelhandels mit dem Doktor.

Daß wir heute eine Politiker- und Reichenkaste haben, die sich wie im Mittelalter mit gekauften Doktorgraden als Ersatz für Adel den gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg erkauft, zeigt eigentlich, wie weit weg wir von einer Demokratie sind und wie sehr wir uns wieder dem feudalistischen Gezappel annähern.

Gegenmittel: Macht’s wie die Franzosen und stellt die Guillotinen auf dem Marktplatz auf. Drastisch, aber hat funktioniert und ist nachhaltig.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
28.8.2009 17:15
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Es wäre zu überlegen ob es eine kritische Masse gibt, und ob wir über die längst hinaus sind, weil die Professoren, die für die Vergabe sauberer Titel zuständig wären, kaum noch existieren, weil ihre eigenen Titel schon erschwindelt sind, während die Richter dem nicht Einhalt gebieten, weil sie auch ihre Titel mehr erkauft als erarbeitet haben, und die Politik keinen Druck macht, weil da die meisten Luftdoktoren versammelt sind.

Man sollte einen Extratitel einführen, den man nur käuflich erwerben kann, und der letztlich nichts bedeutet, außer das er gekauft wurde, aber nett soll es klingen, Fellow vielleicht, oder Foolo, oder vielleicht Follower? Man zahlt 100 000 in eine Stiftung und darf sich MoB nennen (Member of Board), zahlt man 1 Mio. dann darf man sich gar PreMob nennen – Premium-Mob. Das Gesetzt schützt die Titel, und verbietet allen anderen sich so zu nennen, wodurch Exclusivität erzielt wird. Die Reputation kommt, weil das Geld gemeinnützigen Zwecken dienen muß – Kriminalitätsopfer, seltene Froschart, Das Lied des Mittelalters – etwas in der Art.


Hadmut
28.8.2009 17:28
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Gibt’s doch, guck mal in meine Artikel der letzten Tage. Der Titel “Ehrensenator” wird an der Uni Karlsruhe ganz offiziell und nach einer eigenen Vergabeordnung für finanzielle Zuwendungen vergeben.

Daß wir die kritische Masse zur Korruption, den “Point of no return” überschritten haben, könnte gut sein.


quarc
28.8.2009 18:49
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Morgen (d.h. 29.08.) ab 14.00 Uhr hat der Deutschlandfunk noch
eine Sendung zu dem Thema
Der Drang zur Promotion


Ascag
30.8.2009 22:22
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Mhmmm…. also von der ‘französischen Methode’ und daß die nachhaltig sein soll bin ich nicht so recht überzeugt.

In Frankreich läuft das ganze halt etwas hinterfotziger ab: Da rekrutieren sich die gesellschaftlichen Eliten allesamt aus den “Grand Ecoles”, in die natürlich hauptsächlich die Kinder der oberen Schichten reinkommen. Effekt: für Außenstehende vollkommen undurchdringliche Netzwerke von Kungelei. Die Grand Ecoles wurden übrigens von Napoleon aufgebaut… als die Revolution vorbei war hatten die Franzosen zwar keinen König mehr, aber dafür einen Kaiser, bitte das nicht vergessen. Die Franzosen haben ebenfalls bis heute einen Pseudoadel.

Es hatte durchaus seinen Grund, warum während der Finanzkrise T-Shirts mit Aufdrucken wie “Ich bewundere Jerome Kerviel” unter der Jugend Frankreichs höchstbeliebt waren. Es war eine unglaubliche Genugtuung, daß jemand der ‘nur’ von einer zweitklassigen Universität kam und irgendeinen unteren Job gekriegt hatte, die Inkompetenz der blasierten Herrn Hochwohlgeboren von der Societe Generale derart vorführen konnte.

Ich sehe in Deutschland im Vergleich zu Frankreich eher folgendes: Was die Sache hierzulande so unerträglich macht, ist die jahrhundertealte Kleinstaaterei. (Frankreich war schon immer zentralistisch, vor und nach der Revolution) Das hat den Effekt, daß hier jeder kleine Provinzfürst sich gleich für den Nabel der Welt hält, und natürlich auf einem entsprechenden Hofstaat, unantastbaren Pfründen usw. besteht. Genau das Regime, das unsere Herren Professoren an den deutschen Universitäten aufgebaut haben.