Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Promotions-Märchen im Deutschlandfunk

Hadmut Danisch
29.8.2009 22:07

Im Deutschlandfunk gab es heute eine Radio-Sendung über den Titelhandel bei Promotionen und die Ermittlungen gegen 100 Professoren. Warum mir dabei der Kamm geschwollen ist.

(Vorab: Ich habe mir die Sendung aufgezeichnet, aber kann sie natürlich nicht veröffentlichen. Normalerweise geben sie auf der Seite zur Sendung nach kurzer Zeit ein MP3 zum Download bereit, aber das ist noch nicht verfügbar. Update: Das MP3 ist inzwischen verfügbar. )

Die Sendung wurde moderiert von Armin Himmelrath, ein bekannter Journalist, der häufig über Forschung und Universitätswesen berichtet, und eigentlich ja auch ganz kompetent ist. Umso verblüffter war ich, wie leichtgläubig, widerstandslos (und wie ich leider sagen muß, auch naiv und dünn bis nicht vorbereitet) der sich von dem eigentlich bekannten und üblichen Universitätsgeschwätz hat über den Haufen reden lassen.

Schon das Thema war weit vom Kern entfernt, denn es wurde so hingestellt, als würde der Promotionsschwindel ausschließlich über diese windigen Promotionsberater abgewickelt, als würden Schwindel und Korruption nur in deren Anwesenheit stattfinden und die lieben – vor allem ordentlichen – Professoren für sich allein betrachtet ja alles sooo ehrliche und seriöse Leute sein. Nachdem sie in der Sendung noch zum Anrufen aufforderten, habe ich auch mal angerufen. Sie wollten mich sogar für ein Livegespräch zurückrufen, kam aber nicht, vermutlich Zeitnot. Verblüfft war ich aus diesem (längeren) Vorgespräch aber sehr, weil denen gar nicht bewußt war, daß es auch Schwindel direkt in den Universitäten gibt, und das sogar der Hauptteil ist. Die gingen wirklich davon aus, daß Schwindel nur über diese Promotionsberater stattfindet und die Kernfrage wäre, wie weit man Promotionsberatung dulden sollte. Wirklich meilenweit am Thema vorbei. Das Thema hätte eigentlich sein müssen, daß es für die Promotionen keine klaren Regeln gibt und deshalb soviel Willkür erlaubt ist, und daß Professoren eben mit allen möglichen Schmiergeldern arbeiten. Diese Promotionsberater sind eigentlich nur ein unwichtiges Detail. Zwischendrin klang zwar mal an, daß die Promotionsberater eigentlich nicht der Helfer des böswilligen Doktoranden sondern eher der Helfer des korrupten Professors sei, weil diese verschleiern, daß der Professor kassiert und der Doktorand davon gar nichts mitbekommt, daß also der Strolch, der sich bewußt krimineller Promotionsberater bedient, nicht – wie in der Presse dargestellt – der Doktorand sei, sondern der Professor, der damit das Handaufhalten tarnt. Die Interviewten reagierten aber überrascht, das sei ihnen neu. Nicht gerade ein Ausweis der Sachkompetenz, denn so läuft das ja meistens. Auch in meinem Fall wollten die Professoren an mir vorbei kassieren und ich habe es erst später und hintenrum herausbekommen. Eigentlich sollte man sowas aber schon wissen, wenn man sich auf ein Radiointerview zu einem Thema einläßt.

Der Kölner Staatsanwalt Günter Feld (Schreibweise?) sagte im Interview, daß keine Dissertationen erschlichen worden seien, sondern die zahlenden Doktoranden alle ihre Dissertationen selbst geschrieben haben. Daß aber in Deutschland keine reguläre Bewertung von Doktorarbeiten stattfindet, weil es keine greifbaren und rechtskonformen Regeln gibt und die meisten Professoren nicht entfernt in der Lage sind, ein Prüfungsgutachten zu schreiben, und daß es da sowieso die Regel ist, Gefälligkeitsgutachten zu schreiben, meist sogar ohne die Dissertation überhaupt zu lesen. Das Hauptproblem beim Promotionsschwindel liegt nicht etwa im Kaufen der Dissertationen von Ghostwritern. Die viel größeren Probleme liegen

  • In den Prüfungs- und Bewertungsverfahren und den Prüfungsgutachten, die das Papier nicht wert und meist so unterirdisch schlecht sind, daß man sie geheim halten muß, der grenzenlosen Willkür und Prüferinkompetenz, und eben der Tatsache, daß eine richtige Bewertung der Dissertationen nicht stattfindet, es also letztlich völlig wurscht ist, was in der Dissertation steht,
  • in der unheimlich hohen Dichte von plagiierten, fehlerhaften, wertlosen, gefälschten oder sonst richtig schlechten Dissertationen, was mit dem ersten Grund zusammenhängt,
  • der hohen Zahl an gekauften Dr. h.c., bei denen es erst gar nicht zu einer Disputation und Prüfung kommt, der Käufer also gar nicht erst fälschen, plagiieren oder einkaufen muß

Insofern rührend naiv (oder unverschämt geheuchelt?) wenn die da sagen, daß können doch alles gar nicht möglich sein, weil man doch eine Leistung vorzulegen hat und durch eine Prüfung gehen müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob die, die da interviewt wurden, wirklich so realitätsverlustig und naiv sind, daß die das wirklich glauben, oder ob sie so verlogen und abgebrüht sind, da in einer Radiosendung das Blaue vom Himmel zu heucheln. In beiden Fällen hätte der Moderator aber kontra geben müssen.

Im Interview Prof. Dr. Johanna Hey für den Deutschen Hochschulverband, in dessen Präsidium sie sitzt:

Wenn man einmal in die Promotionsordnung hineinschaut, dann soll ja eigentlich nur der zur Promotion angenommen werden, der überdurchschnittlich qualifiziert ist. Und es scheint ja so, als ob genau über diese Hürde hinweggeholfen wird.

Die macht einen Nebenkriegsschauplatz auf und schiebt die ganze Sache allein darauf, wen man überhaupt in das Promotionsverfahren reinläßt. Das stimmt so schon mal nicht, weil es in den meisten Promotionsordnungen keine, keine einheitliche oder keine nachvollziehbare Zugangsbeschränkung gibt. Außerdem wäre das (und die Einschätzung stammt von einem im Prüfungsrecht äußerst erfahrenen und anerkannten Juristen und Autor von Standardwerken) verfassungswidrig. Mit der Aussage zeigt die Frau aber schon, daß die Promotion in die falsche Richtigung läuft, wenn nämlich nicht die Promotionsleistung, sondern die Examensnote darüber entscheidet, ob jemand promoviert wird. Auch aus dem weiteren Gespräch hört man heraus, daß die Promotion als eine Art Elite-Beschleuniger und nicht als Prüfungsverfahren aufgefasst wird. Und die lehrt Recht. Übrigens klappt das mit der Examensnote auch nicht in allen Fächern, denn in vielen Fächern gibt es gar kein Examen, etwa. in Informatik. Die Bewertung der Diplomnoten ist so weit gestreut, daß sie als Zugang nicht hergenommen werden darf. Manche Fakultäten gehen freilich hin und schreiben in die Promotionsordnung, daß nur die jeweils besten 5 % eines Jahrgangs zur Promotion zugelassen werden können. Das ist einmal verfassungswidrig, weil damit eine mit Art. 33 Art. 2 GG unvereinbare Verengung des Zugangs zum Amt stattfindet (was die Frau als Jura-Professorin eigentlich wissen müßte), und zum anderen bekloppt, denn damit dürfte ein schlechter Student, der sich eine ganz dumme Land-Uni rausgesucht hat und dort der Einäugige unter den Blinden war, promovieren, während der sehr gute Student, der eben an einer wirklich guten und anspruchsvollen Uni mit Super-Leuten war, und dann eben nur unter den besten 15% aber nicht den besten 5% war, nicht promovieren dürfte, obwohl er viel besser als der Dorf-Student ist.

Es zeigt aber auch, daß der Hochschulverband eben versucht, die Korruption kleinzureden und unter den Teppich zu kehren, weil man es eben so darstellt, als würde die Korruption nur bei den Zulassungsvoraussetzungen stattfinden, die Promotion nach hinten raus aber normal verlaufen. Da wird systematisch getäuscht und verharmlost.

Gefallen hat mir eigentlich nur die Aussage des NRW-Wissenschaftsministers Prof.Dr. Andreas Pinkwart, der sagte, daß man gegen Titelhandel strafrechtlich sehr hart vorgehen muß. Wenn er allerdings Bußgelder vorschlägt, dann ist das nicht das, was ich unter “hart” verstehe, ich halte da – besonders bei der Schutzgelderpressung – schon spürbare Gefängnisstrafen für angemessen. Bischen naiv kommt er mir freilich schon vor, wenn er sagt, daß die deutsche Promotion saubergehalten werden müßte. Der glaubt auch, die Promotion wäre toll und hätte nur einige Flecken. Daß da ziemlich viel faul ist, scheint er auch noch nicht gemerkt zu haben. Und wenn er als Lösung vorschlägt, daß Doktoranden doch eine eidesstaatliche Versicherung abgeben sollen, dann kommt mir das schon wieder ziemlich naiv und hilflos vor. Erstens zeigen ja schon die Diensteide der Professoren und der Politiker, daß die völlig wert- und bedeutungslos sind und ignoriert werden, warum sollte es da also anders sein. Zweitens muß man fragen, was eigentlich eine eidesstattliche Versicherung des Doktoranden bringen soll, wenn die Korruption auf Seiten des Professors stattfindet. Drittens muß er sich fragen lassen, was das überhaupt alles bringt, wenn zu viele Leute als Professoren eingestellt werden, die dazu nicht befähigt sind. Da bringt ein Eid dann auch nichts mehr.

Nicht naiv, sondern verlogen kam mir dann vor, daß dann auch die DHV-Professorin Hey einstimmte und ebenfalls forderte, daß die Doktoranden eidesstattliche Versicherungen abgeben müßten. Denn in meinem Fall hat der DHV im Jahr 2000 sogar ein faules Rechtsgutachten beschafft, was den Professoren damals helfen sollte, die Schutzgelderpressung zu vertuschen – ein Rechtsprofessor hatte über den DHV ein Gutachten erstellt, wonach ich keinen Einblick in die Dissertationsexemplare nehmen dürfte, weil ich nicht mehr Eigentümer der Exemplare sei. Das Gutachten war so peinlich schlecht, daß nicht einmal die Uni Karlsruhe es verwenden wollte – und das will viel heißen. Wenn der DHV jetzt also so tut, als wären sie gegen Titelhandel und als läge das Problem bei den Doktoranden, dann ist das einfach nur dreckig und verlogen – wie an unseren Universitäten eben so üblich. Schuld ist immer der Mittelbau, der muß immer den Kopf für die Professoren hinhalten.

Geheuchelt wirkte auf mich auch, daß der DHV in Form der Professorin Hey “bedauerte, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, der deutsche Doktortitel sei nicht viel wert”. (Das könnte unter anderem daran liegen, daß der Doktor kein Titel, sondern ein Grad ist, aber welcher Professor weiß schon, was er da eigentlich tut, wenn er jemanden promoviert…). Fragen könnte man aber mal, was der Doktor denn nach Ansicht der Frau Hey überhaupt wert sein soll, denn in über 10 Jahren Streit war weder von der Exzellenz-Uni Karlsruhe noch von irgendeiner anderen deutschen Universität zu erfahren, was eigentlich die mit der Promotion nachgewiesene und abgeprüfte Fähigkeit sein soll. Anstatt im Radio den (gefühlten) Wert-Verlust zu bedauern sollte der DHV lieber mal klipp und klar sagen, was denn überhaupt der Wert sein soll, den die Promotion angeblich verlieren können sollte .

Und die Aussage der Professorin Hey

Das sollte man durchaus auch rausstellen, daß es sich ganz klar um Einzelfälle handelt.

ist definitiv unwahr, wirkt auf mich bewußt gelogen. An einigen Unis, insbesondere Karlsruhe, hat das Nehmen von Schmiergeld für die Annahme von Diplom- und Doktorarbeiten flächendeckende Ausmaße angenommen (wenn Firmen beteiligt sind; das Fordern von geldwerten Leistungen wie Ghostwriter-Dienste für den Prof falls der Doktorand alleine ist und nichts zahlen kann, wobei mir auch ein Institut bekannt ist, was lange Zeit von jedem Doktoranden eine “freiwillige” Spende von 5.000 Euro verlangte). Spätestens hier drängt sich mir der Eindruck auf, als sei der DHV bewußt ausgezogen, um dort die Sache kleinzureden und zu zerstreuen, und ein zu wenig vorbereiteter und blauäugiger Moderator denen auf den Leim gegangen.

Dann hatten sie noch einen Anrufer, der ohne jeglichen Bezug zur Promotion irgendwas von Angst-Situationen, dem Selbstmord von Barschel und dem Verlassen des eigenen Körpers durch den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde faselte, was ich auch nach dreimaligem Wiederholen der Aufnahme beim besten Willen nicht verstanden habe. Nach welchen Kriterien die die Anrufer durchließen vermag ich nicht nachzuvollziehen, aber die Interview-Partner zu konfrontieren oder zu fordern war anscheinend nicht das Ziel der Sendung. Man könnte es vielleicht als ironische Anspielung darauf verstehen, wie weit die Diskussion von der Problematik weg war.

Ich hatte auch eine E-Mail geschrieben, die – auf einen Halbsatz verkürzt und weichgespült – zitiert wurde, daß eben Professoren selbst Schmiergelder für die Betreuung fordern. Max Reinhardt (?) vom Doktorandennetzwerk Thesis zeigte sich erschüttert und sagte etwas, was keine Antwort auf die Frage war, daß die Promotion am Ende einer Leistung stehen müßte. Und er meinte, daß man in Kolloquien ja feststellen würde, wenn einer seine Doktorarbeit nicht selbst geschrieben hätte. Frage nicht verstanden oder bewußt am Thema vorbeigeredet? Wieder sind es nur die Doktoranden, die als Bösewichter in Betracht gezogen werden.

Dann hatten sie die Professorin und DFG-Ombudsfrau für wissenschaftliches Fehlverhalten Ulrike Beisiegel im Interview. Die hab ich sowieso gefressen, wie die DFG. Ich hatte damals während der Erpressung die DFG um Hilfe gebeten und informiert, daß da im SFB Schindluder mit DFG-Gelder getrieben wird, und das hat die DFG nicht interessiert. Dann wurde Beisiegel Ombudsfrau, sie hat m. W. auch an den DFG-Richtlinien mitgearbeitet, die von den Universitäten diese unsäglichen “Kommissionen zur Untersuchung von Vorwürfen Wissenschaftlichen Fehlverhaltens” verlangen um die Politik zu beruhigen. Diese Kommissionen sind der blanke Schwindel und völlig kontraproduktiv. Ich hatte mit den Kommissionen in Karlsruhe, Heidelberg, Darmstadt, Duisburg-Essen, Ilmenau, ETH Zürich zu tun. Da wird eigentlich nur vertuscht und totgeschwiegen, untersucht wird da gar nichts, manchmal wird der Anzeigende eingeschüchtert, wie mir mehrere Leser meiner Webseiten berichtet haben. Der Ombudsmann der ETH Zürich hat sogar zur Vertuschung ganz bewußt einen falschen Bericht erstellt, und an so mancher Uni (u.a. Darmstadt) gibt es die Kommission gar nicht, sie wird nur vorgegaukelt, ist aber nicht besetzt, existiert nicht. Wo es keine Kommission gibt, da gibt es auch keine Untersuchung. Und wo es keine Untersuchung gibt, gibt es kein Fehlverhalten. So einfach ist das. Darüber habe ich Frau Beisiegel informiert, aber reagiert hat sie überhaupt nicht. Die rennt rum, gaukelt den Leuten vor, man würde etwas gegen Fehlverhalten unternehmen, und weiß doch, daß das nur Attrappen sind. Hören wir, was sie sagt:

…weil natürlich im akademischen System die ethischen und […] die Ehrlichkeit betreffenden Dinge eigentlich fast noch höher zählen als die juristischen, denn wir möchten ja unsere jungen Leute zur ehrlichen Wissenschaft erziehen.

So? Als die Uni Karlsruhe nach einem anderen, früheren Promotionsstreit über ihre DFG-Gutachter Rache an denen nahm, die sie kritisiert hatten, unternahm die DFG gar nichts. Als ich die darauf hinwies, daß Beth damals Schmiergeld erpresste, reagierte die DFG überhaupt nicht, Beth blieb DFG-Gutachter.

“Bemerkenswert”, um es vorsichtig zu formulieren, war dann folgende Aussage Beisiegels:

Wir alle wissen, daß in der Medizin die Promotion eine Fast-Notwendigkeit ist, um dann hinterher den Doktor am Türschild zu haben. […] Ich hab ja für den Wissenschaftsrat ja vor kurzem auch nochmal betont, daß man überlegen muß, ob die Mediziner ihren “Türschild-Doktor”, wenn man das so sagen darf, mit dem Examen bekommen, und dann wirklich nur noch die Promotionen durchgeführt werden, die dann wirkliche Promotionen sind.

Jipiehh. Gebt den Medizinern ihren Doktor gleich mit dem Studium für umme und für alle dazu, um den Saustall überhaupt noch in den Griff zu kriegen. Wobei: Ganz so dämlich ist die Idee nicht, die hat einen positiven Effekt (an den der Wissenschaftsrat vermutlich noch nicht gedacht hat): Wenn man die Rauschgiftkriminalität gar nicht mehr in den Griff bekommt, kann der Staat zum letzten Mittel greifen und Ersatzdrogen wie Methadon, saubere Spritzen oder auch gleich im Labor sauberes und unverschnittenes Heroin selbst herstellen und kostenlos an Süchtige abgeben. Damit sind Krankheiten und Beschaffungskriminalität auf einen Schlag weg und den Dealern sofort das Wasser abgedreht, es lohnt sich einfach nicht mehr Heroin zu verkaufen. Gibt man jedem Mediziner zum Examen gleich den Doktor für umme dazu, dann ist natürlich auch da der Beschaffungskriminalität, der Professorenprostitution und der Schutzgelderpressung durch die Promotionsluden das Wasser abgedreht. Insofern hätte das schon was.

Naiv war dann wieder die Aussage Beisiegels, daß es einfach ein Zeitproblem wäre, weil die Betreuung einer Promotion soviel Zeit verschlingt und die Promotionsbetreuer keine Chance mehr hätten, wenn genügend Betreuungszeit aufgebracht würde. Es ist ja nicht so, daß der Titelhandel und diese Betreuer existieren, weil der Doktorand nicht genug betreut würde, sondern weil die Professoren Schmiergeld nehmen. Auch hier wieder völlig am Problem vorbeigelabert. Außerdem wäre es ein Trugschluß, daß eine intensivere Betreuung auch eine bessere Betreuung wäre. Viele Professoren sind dazu schlichtweg nicht in der Lage, und was Beth damals unter Betreuung verstand, war schlichtweg inkompetent und ausufernde Schikane. Die damalige EISS-Truppe war eigentlich froh, wenn er wegblieb und beim Promovieren nicht störte. Und wenn ich mir so die diversen Promotions- und Sachverständigengutachten anschaue, frage ich mich, wie ein Professor, der schon nicht in der Lage ist, ein tageslichttaugliches Prüfungsgutachten zu schreiben, in der Lage sein soll, einen Doktoranden zu betreuen. Da wird wieder so unterstellt, daß Professoren von Beruf alle automatisch gut und befähigt wären. Daß ein Teil des Problems darauf beruht, daß ein großer Teil der deutschen Professoren nur korrupt kann, weil sie nicht befähigt – auf deutsch: zu blöd und zu faul – sind, richtig zu arbeiten, und das in der deutschen Wissenschaftslaufbahn auch nie erlernt wird, wird da ausgeklammert. Professoren sind in Deutschland toll, daran wird nicht gerüttelt.

Max Reinhardt von Thesis meinte dann noch, daß er nicht verstehen könnte, wie es überhaupt geschehen konnte, daß die Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt wurden. Welche Kontrollmechanismen? Alles was ich in den letzten 10 -12 Jahren gefunden habe ist, daß man an den deutschen Universitäten mit allen Mitteln versucht, jegliche Kontrollmechanismen zu verhindern. Was soll da noch außer Kraft gesetzt werden? Immerhin sagt er etwas dazu, wieder den Blödsinn von vorhin: Wenn man kein Prädikatsexamen hat, sei die Regel in den Promotionsordnungen, daß die Fakultät zustimmen müsse. Toll, da haben sie eine Radiodiskussion über Titelhandel und sie schicken einen, der nicht weiß, daß es in vielen Fächern, vor allem in den ganzen besonders korruptionsgefährdeten technischen Fächern, keine Examen und damit auch kein Prädikatsexamen gibt. Da haben die echt so ein paar Kapazitäten eingeladen. (Wieso tun die eigentlich immer so, als würde ein Prädikatsexamen jegliche Korruption ausschließen?)

Und dann kam noch der absolute Brüller, mein fleischgewordenes Klischee vom Professor. Sie hatten einen Politikwissenschaftler der Uni Essen, einen gewissen Professor Stein, im Interview.

Moderator: Schaun wir nochmal in die Praxis und an einen Lehrstuhl, und an eine Universität, nach Essen nämlich, zu Professor Stein, er ist dort Politikwissenschaftler. Guten Tag.

Stein: Guten Tag, Professor Doktor Gerd Stein sage ich jetzt, weil ich weder meinen Professor noch meinen Doktortitel gekauft habe…

Moderator: … das haben wir Ihnen auch nicht unterstellen wollen …

Stein: Nein, nur weil Sie ihn jetzt wegfallen lassen. Und für den Professorentitel auch habilitiert. Ich bin entsetzt über das, was an deutschen Universitäten da passiert. […]

Naja, da haben wir’s doch schon. Wenn einer am Telefon erst mal klarstellen muß, daß er bitte mit Prof. Dr. habil. angeredet werden will, dann ist doch schon wieder alles klar. Solche Leute sind für mich der Inbegriff der korrupten Dekadenz der Universitäten. Fals das der da ist, reißt er das Maul ganz schön auf, denn dann wäre er ein außerplanmäßiger Professor im Ruhestand, heißt im allgemeinen soviel wie hat’s nie zu was richtigem gebracht. Und was ich von der Wissenschaftlichkeit der Politikwissenschaft oder überhaupt der Gesellschaftswissenschaften halte, hab ich auch schon anderweitig gesagt. Bei mir liegt das in der Schublade für eingebildetes Kampfschwafeln, nicht für Wissenschaft.

Das wurde aber noch besser (nur zu lang, um es hier wiederzugeben). Er regt sich über die Zustände an anderen Universitäten auf und erklärt, daß das an seiner Universität eigentlich nicht passieren könnte, weil es da Promotionsordnungen und Promotionsausschüsse gibt. Hat der ne Ahnung. An jeder deutschen Uni, die Promotionen verkauft, gibt es Promotionsordnungen und -ausschüsse, sonst könnte sie es ja nicht. Darin stünde, daß der Bewerber sich an den Ausschuss wenden und sein Begehren anmelden müsse. Hab ich damals getan. Und was hat’s mir gebracht? Gar nichts. Leeres Geschwätz.

Dann, so sagte er, ein ordentliches Verfahren würde Korruption ausschließen. Hat der ne Ahnung, wie es an seiner eigenen Uni, die er so lobt, hergeht. Ich hatte ja das Vergnügen mit Professor Han Vinck von der Uni Duisburg-Essen, der auch ein Blindgutachten erstellte ohne die Akten zu lesen und sich für Leistungen, die er nicht erbracht hat, erstmal 3.400 Euro in die Tasche stopfte. Und das, obwohl es wie Stein behauptet, dort reguläre Promotionsverfahren geben soll, die Manipulationen ausschließen. Trifft man dann aber auf jemanden wie Vinck , wohlgemerkt von derselben Uni Duisburg-Essen, nutzt einem das alles nichts. Also muß man auch Stein – oh pardon, ich vergaß: Prof. Dr. habil. Gerd Stein – vorhalten, daß er nicht weiß, wovon er redet – oder bewußt täuscht. Typisch universitärer rangorientierter Dampfschwätzer.

Und damit hat die Sendung doch ganz gut belegt, wie Korruption zustande kommt. Nur nicht so, wie der Moderator sich das gedacht hatte.

Wenn aber schon DFG, DHV und Wissenschaftsrat solche Vertreter schicken, die so einen Mist daherreden und – aus meinem Blickwinkel – weder ehrlich, noch seriös oder kompetent sind, dann wird das mit der Korruptionsbekämpfung eigentlich auch nichts mehr.

5 Kommentare (RSS-Feed)

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yasar
31.8.2009 10:02
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Apropos Mediziner:

Ich weiß in einem Fall, daß ein Zahnarzt den Doktor für das Auswerten von Statistiken über das Einnässen von Kindern erhalten hat.

Da ich die Arbeit selbst aber nicht kenne, kann ich allerdings kein Urteil darüber abgeben, ob diese Arbeit wissenschaftlich anspruchsvoll ist oder nicht. Ich finde es halt nur bemerkenswert, mit was man als Zahnmediziner promovieren kann.

yasar


quarc
31.8.2009 19:14
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Ich habe die Sendung auch gehört und fand, dass Deine per e-mail
hineingereichte Frage einfach übergangen wurde, weil sie wohl nicht
in die Wahrnehmung passte (der Thesis-Vertreter hatte die Perspektive
verdreht). Das vorgegeben Thema “der Drang zum Doktor” sollte ja auch
noch beleuchten, warum hierzulande der Doktortitle auch noch
wichtig genommen wird, wenn er mit der ausgeübten Tätigkeit gar
nicht mehr im Zusammenhang steht. Das kam etwas zu kurz.

Da ist noch etwas seltsames: das Gerede vom angeblich notwendigen
“Prädikatsexamen”, um zur Promotion zugelassen zu werden. Kann es
sein, dass dies eine ähnliche Sprachhülse ist wie “Eliteuniversität”?
Bis jetzt kannt ich nur ein erfolgreich absolviertes Hochschulstudium
in einem einschlägigen Fach, gegebenfalls noch mit “überdurchschnittlichem”
Abschluss, also besser als 2.5, was ein einschlägig interessierter
Student wohl locker schafft. Das korruptionsanfällige Nadelöhr ist
aber, dass für die Zulassung bereits eine Vereinbarung mit einem
bestimmten Betreuer abgeschlossen sein muss.

Übrigens: der beste Zahnarzt den ich je hatte, war nicht promoviert.


Hadmut
31.8.2009 20:04
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Was sie als meine Frage vorgelesen haben, hatte sehr wenig mit meiner E-Mail zu tun. Das war gekürzt und völlig weichgespült, damit sich nur ja keiner auf den Schlips getreten fühlt. Und trotzdem wurde sie übergangen.


Jens
17.9.2009 20:08
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“Da ist noch etwas seltsames: das Gerede vom angeblich notwendigen
“Prädikatsexamen”, um zur Promotion zugelassen zu werden. Kann es
sein, dass dies eine ähnliche Sprachhülse ist wie “Eliteuniversität”?”

Bei Juristen bedeutet das vollbefriedigend oder besser. Die haben die Naturwissenschaften wohl überhaupt nicht im Blick gehabt …

Zum Mediziner-Doktor: In Österreich gibt es jetzt ein Medizin-Diplom, das gleichzeitig ein “Dr. med. univ.” ist. Und wer nen richtigen Dr. will, kann richtig promovieren und ist dann “Dr. med. univ. et scient. med.”, also “Doktor der Medizin und der medizinischen Wissenschaft”, oder so ähnlich.