Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Voteremote – Wahlen über das Internet – beendet

Hadmut Danisch
17.9.2009 23:29

Gleich mehrere Leser haben mich auf die Seiten bei Heise und dem BMWi aufmerksam gemacht, wonach das Förderprojekt für Wahlen über das Internet beendet worden sei.

Viel kann ich dazu nicht sagen, denn ich habe mich mit Voteremote noch nie beschäftigt. Um genau zu sein, habe ich davon vorher noch nie etwas gehört.

Liest man nur die Meldung als solche, dann erweckt sie den Eindruck, als habe man da wieder mal eine Million in der Wissenschaft versenkt, ohne daß da irgendetwas herausgekommen ist, Wissenschaftsprojektbusiness as usual, könnte man meinen. Es gibt so viele Projekte aus Steuergeldern, bei denen außer Spesen nichts gewesen ist. So hört sich das jetzt auch an. Ein erstes schnelles Googlen hat mir nicht mehr als diverse Meldungen gebracht, daß Voteremote jetzt auf Eis läge – scheint die einzig erwähnenswerte Eigenschaft zu sein, daß es jetzt kein Geld mehr kostet.

Aber irgendwie stinkt das doch noch mehr.

Blenden wir mal zurück auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Wahlmaschinen vom letzten Herbst und Bingo Voting. Nach dem, was das Bundesverfassungsgericht damals entschieden hat, ist an politisch bedeutsame Wahlen allein über das Internet nicht mehr zu denken. Auffällig ist, daß man die Forschung an Voteremote nun 11 Monate nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beendet hat. Das riecht so, als hätte man direkt vor der Entscheidung noch ein Jahr Förderung bewilligt, die nun abgelaufen wäre.

Seltsam ist auch mal wieder das Zusammentreffen der üblichen Verdächtigen: TU Darmstadt. Die haben da irgendwie immer die Finger drin, und aus dem Dunstkreis der TU Darmstadt und des Fraunhofer-SIT sowie des BSI kam damals der deutsche IT-Sicherheitspreis für Bingo-Voting, der schon gewaltig nach Manipulation und getarnter Sachverständigenbestechung stank – und danach, daß man da unter Verletzung verschiedenen Beamtenrechts einen Wunschkandidaten auf eine Professorenstelle gehievt hat. Sieht man nun, daß die TU Darmstadt selbst wegen eines Wahlverfahrens an der Geldspritze der Regierung hing, dann wird die Vergabe nur umso fragwürdiger. Das stinkt immer stärker.

Warum aber wird da so großer Wert auf elektronische Wahlen gelegt? Warum befaßt man sich trotz knapper Kassen mit einem solchen Problem, für das es ja durchaus schon eine herkömmliche Lösung gibt. Haben wir nicht andere, drängendere Probleme? Probleme, für die noch keine ordentliche Lösung existiert? Sollten wir uns nicht mehr darum kümmern, wie wir Netzwerke und Rechner da sicher machen, wo wir sie brauchen, als sie da hinzutragen, wo wir sie nicht (unbedingt) brauchen? War nicht eben noch die Bekämpfung von Kinderpornographie höchstes Gut? Jammern nicht ständig alle über Netzwerkangriffe aus dem Ausland? Leidet nicht immer noch die Mehrzahl der Rechner und ihrer Benutzer unter der von den USA zwangsverordneten Sicherheitskatastrophe namens Windows? Botnetze in rauhen Mengen? Spam der uns schon aus den Ohren kommt? Nichts tun wir dagegen. Aber für Wahlen über das Internet haben wir mal eben 1,2 Millionen übrig.

Die Frage ist, warum?

Ich sehe da zwei mögliche Gründe (die sich auch nicht gegenseitig ausschließen).

Der eine Grund könnte die omnipräsente, immer weiter zunehmende Korruption sein. Auf der einen Seite züchtet man sich Gefälligkeitswissenschaftler und -institute heran, die einem auf Bestellung jede Aussage liefern, die man braucht. Über das fragwürdige wissenschaftliche Niveau der TU Darmstadt habe ich ja schon manches geschrieben, dazu kommt die dubiose Vergabe eines Forschungsauftrages zur Gesundheitskarte an das SIT. Nach meinen Erfahrungen mit der TU Darmstadt halte ich jedes Geld, was von unserer Bundesregierung nach Darmstadt gezahlt wird a priori für fragwürdig. Da scheinen sich Seilschaften herauszubilden.

Das ganze könnte aber auch noch einen inhaltlichen Grund haben.

Schauen wir uns mal die aktuellen Umfragen und Prognosen vor der Bundestagswahl an. Die beiden großen Parteien CDU und SPD kämpfen mit bröckelnden Wahlergebnissen, die kleineren Parteien wie FDP und Grüne, die extremen und auch kleinere Protestparteien wie neuerdings die Piraten bekommen immer mehr Stimmen. Das heißt, daß das Regieren immer schwieriger wird, man muß große und kleine Koalitionen bilden und sich mit vielen Leuten auf Kompromisse einlassen.

Was kann man dagegen tun?

Nun, es ist bekannt und wird bei jeder Wahl offensichtlich, daß die Wahlbeteiligung sinkt. Die Leute haben keinen Bock mehr in ein muffiges Wahllokal zu pilgern. Und davon ganz abgesehen glauben sowieso immer mehr Leute, daß Wählen funktionslos geworden ist. Wahlkampf mit Aussagen gibt’s nicht mehr, es gibt einen reinen Personenwahlkampf. Egal wie es ausgeht, wir werden nach der Wahl wieder eine Kanzlerin Merkel haben und eine kurssichte Politik, die mit den Wahlen nichts zu tun hat. Wozu also wählen? Der Verdruß wird größer.

Die niedrige Wahlbeteiligung trifft aber nicht alle Parteien gleichermaßen. Es hat sich gezeigt, daß eine niedrige Wahlbeteiligung auf Kosten der großen Parteien geht. Je kleiner die Partei, je weiter sie vom massentauglichen Durchschnittsbrei entfernt ist, desto eher sind die Wähler bereit, unter allen Umständen zur Wahl zu gehen. Die der großen Parteien hingegen messen ihrer Stimme keine Bedeutung mehr zu und machen sich lieber einen schönen Sonntag.

Deshalb ist bekannt, daß ein Anheben der Wahlbeteiligung zugunsten der beiden großen Parteien geht. Vor allem der CDU. Will die CDU mehr Stimmen haben, dann gibt es dafür zwei Ansätze. Der erste wäre, den Wähleranteil an der Bevölkerung generell zu haben, was aber schwer ist und denen gerade gar nicht gelingt. Der andere Weg ist, einfach mehr Leute zum Wählen zu bringen. Und genau da könnten Wahlen über das Internet ansetzen. Damit erreicht man computerbegeisterte, mobile, reisende, politikdesinteressierte Wähler, und damit nach Stand der Erkenntnis mehr Stimmen für die CDU/CSU, ohne daß die Zustimmung der Bevölkerung an sich steigen müßte.

Das dürfte nach meiner ersten Vermutung der Grund für die seltsame Förderpraxis sein. Wählerbeschaffung.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan W.
21.9.2009 3:14
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Klingt für mich nicht plausibel.

Erstens sind die SPD-CDU-Wähler im Seniorenalter bestimmt stärker repräsentiert als i.d. Durchschnittsbevölkerung.

Zweitens: Wenn man wählen will, dann geht man auch den 1km zum Wahllokal, das meist eine Schule, und nicht muffig ist. Wer nicht wählen will der wählt auch im Internet nicht.

Wahlkämpfe sind schon immer inhaltsarm. Zumindest seit ich sie beobachte, und die Leute sind nicht so doof, sondern wählen danach, was die Parteien gemacht haben, nicht nach dem, was sie sagen. Nicht wählen kann heißen, daß man durchschaut hat, daß die Politiker ohnehin kaum Entscheidungsgewalt haben. Daß Notwendigkeiten hier, Lobbygruppen da, Medien dort wenig Spielraum lassen. Und daraus könnte folgern daß der eine nicht zur Wahl geht, weil ihm keine Partei recht ist, und der andere, weil ihm alle recht sind – zumindest die, die es ohnehin machen werden.


Hadmut
21.9.2009 10:13
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Die Parteien versuchen gezielt, sich junge Wählergruppen zu erschließen. Der Rest ist bekannt.


alfa
27.9.2009 17:52
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Der Verfasser hat die BVerfG offenbar nicht verstanden. Internetwahlen werden nicht ausgeschlossen wenn sie die Wahlrechtsgrundsätze beachten. Das Projekt voteremote beschäftigte sich nicht mit parlamentarischen Wahlen sondern mit außerparlamentarischen Wahlen. Das gezeigte Verfahren bildet die vom BVerfG nochmal beleuchteten Wahlrechtsgrundsätze ab. Ziel des Forschungsprojektes war der Nachweis, dass es technisch möglich ist, online zu wählen. Deutschland ist hier in der Forschung führend. Wir werden nicht umhin kommen und werden irgendwann aus dem Urlaub über das Internet wählen können. Allemal sicherer als die Schneckenpost, betrieben mittlerweile von x privaten Unternehmen incl. Subunternehmer, die meine Briefwahlstimme schleppen sollen…


Hadmut
27.9.2009 20:45
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Ich nehme mal an, daß mit “Verfasser” ich gemeint bin.

Ich denke schon, daß ich die BVerfG-Entscheidung halbwegs verstanden habe, immerhin habe ich mir die Verhandlung dazu persönlich angehört und Kontakt mit allerlei Beteiligten gehabt.

Ich weiß auch, daß das BVerfG elektronische Wahlen nicht generell ausgeschlossen hat. Wohlgemerkt “elektronische”, und das heißt nicht Internetwahlen. Das BVerfG hat Anforderungen gestellt, die schon mit “elektronischen” Wahlen bei persönlicher Anwesenheit nur schwer zu erfüllen sind. Eine Erfüllung über Internet dürfte noch weniger in Betracht kommen.

Wenn man sich mit der Sache etwas näher befasst, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß Wahlen über das Internet fundamentalen kryptographischen Problemen gegenüberstehen.

Grundsätzlich muß man zwischen der Identität einer Person und dem Urheber einer Nachricht sowie der Authentifikation beider unterscheiden, was sprachlich leider oft versäumt wird. Den Urheber einer Nachricht kann man kryptographisch auch aus der Entfernung authentifizieren. Die Identität einer Person nicht, das geht nur in deren Anwesenheit. Gibt ein schönes, etwas älteres Paper von Dieter Gollmann dazu.

Fraglich ist, ob das mit rechtlichen Anforderungen an Wahlen verträglich sein kann. Denn Wahlen müssen verschiedene Anforderungen an Anonymität usw. erfüllen. Insofern kann es wesentlich sein, die Person und nicht den Urheber einer Nachricht als wahlberechtigt zu authentifizieren. Und das geht eben remote nicht bzw. nicht ohne weiteres.

Auch das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Verhandlung immer von der körperlichen Anwesenheit des Wählers ausgegangen.

Daß Deutschland in irgendeinem Bereich der Informatik oder Kryptographie weltweit führend sei, glaub ich nur mit hartem Nachweis. Weltweit führend sind die Deutschen nur darin, sich selbst haltlos für Spitze, exzellent, führend usw. zu erklären.