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Doktor Münchhausen

Hadmut Danisch
6.10.2009 20:40

Vom Lügengebäude eines falschen Doktors.

Im SPIEGEL ist ein Artikel über einen erschienen, der sich an der Uni-Klinik 14 Monate lang als falscher Doktor ausgab. Zitat:

Doch E.s Geschichte ist nicht nur die Geschichte eines Kriminellen, sondern auch die Geschichte eines Systems, das nicht genau hinschaut.

Das stimmt. Im Universitätsbereich wird nie genau hingeschaut. Es würden da so viele auffliegen, wenn man genau hinsähe, daß man das systematisch abgeschafft hat.

Auffällig ist aber, daß gerade ein zweiter Doktortitel besondere Anziehung auszustrahlen und besonderen Eindruck zu machen scheint. Der bekannte Hochstapler Dr. Dr. Clemens Bartholdy hatte auch zwei. Mein „Doktorvater” legte immer dann, wenn es um universitären Prunk und Protz ging, nicht nur den feinen Zweireiher, sondern auch den zweiten Doktorgrad an. Der Unterschied zwischen dem Zweireiher und dem zweiten Doktortitel war: Den Zweireiher hatte er wirklich, den zweiten Doktorgrad hatte er erfunden. Machte aber beides mächtig Eindruck.

Ich habe übrigens schon einige Male versucht, die Echtheit der Doktorgrade gewisser Personen zu überprüfen. Das ist in Deutschland völlig unmöglich, weil man als Außenstehender gar nicht das Recht hat, irgendetwas nachzuprüfen (bestenfalls kann man nach der Dissertation forschen, wenn man denn weiß, woher – aus welchem Land – derjenige seinen Doktor haben will). Die Bundesländer haben die Hochschulgesetze so verbogen, daß Doktorgrade faktisch überhaupt nicht mehr überprüfbar sind und man sich in dem Gewirr aus 16 Bundesländern nicht mehr zurechtfindet. Oft wird die Meinung vertreten, daß man einen Doktorgrad in Deutschland schon dann führen darf, wenn nur ein einziges der 16 Bundesländer ihn gestattet. Dabei sind die Gesetze und Verordnungen so schwammig und undurchsichtig, daß man in Deutschland eigentlich alles als Doktorgrad tragen darf, eigentlich bis runter zu einer Bananenschale.

In Deutschland gibt es viele Leute in den Bundesländern mit viel Einfluß, die so überhaupt kein Interesse daran haben, daß man Doktorgrade (oder doch zutreffender Doktortitel) völlig ungeprüft führen kann.

Deutschland hat die perfekte Infrastruktur für Doktor-Hochstapler.

3 Kommentare (RSS-Feed)

quarc
7.10.2009 16:54
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Zum “Doppeldoktor” Deines beinahe Doktorcaters: kann es sein, dass man
da im englischsprachigen Raum irgendwo die Habilitation mit einer
zusätzlichen Promotion verwechselt hat?
In einem Nachruf steht auch
etwas von einem “Dr. Ing. habil”, was aber vom Datem her seiner
Habilitation entspricht, sofern man dem Wikipediaeintrag glaben mag.
Die einzige Promotion ist diese hier
und die scheint echt zu sein. Im Wikipedia steht auch noch etwas davon, er
habe ‘ein neues interdisziplinäres Forschungsgebiet der Anthropomatik’
initiiert — Leser von Adele werden aufpassen müssen, keinen Kaffee über
die Tastatur zu prusten.


Hadmut Danisch
7.10.2009 18:58
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Das ist keine Verwechslung, die Nummer hat er selbst in Umlauf gesetzt.

Er hat zuerst ein paar Semester Medizin studiert, hats aber nicht gepackt und abgebrochen (was ihn nicht davon abhielt, sich für einen begnadeten Mediziner zu halten und an den Mitarbeitern herumdoktern zu wollen…).

Dann hat er Mathematik studiert, war wohl auch nicht doll, aber irgendeinen gnädigen Prof gefunden, der ihm den Dr. rer.nat. hinterhergeworfen hat. Wie mir einige Leute, die ihn länger kannten, versicherten, galt er da aber auch als Schwätzer und Luftikus, der alles behauptete und nichts belegte. Als das ruchbar wurde, ist er da auch nichts mehr geworden.

Dann ist er bei den Informatikern untergekommen, zu denen sich sein schlechter Ruf nicht rumgesprochen hatte, und die damals mangels historischer Entwicklung eigentlich nur ein Sammelbecken von Leuten war, die in ihrem Fach nichts geworden sind, und hat da als Ing. habilitiert – mit seiner Schrift über algebraische Fouriertransformation.

Formal gesehen hatte er einen Doktor und eine habil. Aber immer dann, wenn er sich besonders aufplustern wollte, hat er zwei aufgesetzt, weil das in der Uni mächtig Eindruck macht. Ich habe sogar in Kopie ein Schreiben von ihm selbst an den damaligen Rektor Wittig vom 28.7.2000, in dem er sich empört und mit merklicher Angst dagegen zu wehren versucht, daß ich seine Bewertungen und Randbemerkungen in meiner Diss einsehen kann, die er gerade abgelehnt hatte. Er wußte nicht, daß ich das durchsetzen kann und bekam es plötzlich mit der Angst. Da hat er beispielsweise seinen zweiten Doktor angelegt und den Rektor sogar mit drei+mult Doktorgraden angeredet. Ich habe als Mitarbeiter auch andere Schreiben von ihm mit zwei Doktorgraden gesehen, aber leider nicht in Kopie. Also definitiv keine Verwechslung der Amerikaner, das war Beth selbst. Übrigens haben auch sein Nachfolger Müller-Quade und die Universität im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Beth wahrheitswidrig zwei Doktorgrade angedichtet, um ihm mehr Gewicht zu geben.

Ich habe mal zufällig danebengesessen, wie jemand anderes ihn fragte, woher er denn den zweiten Doktorgrad haben will.

Beths Erklärung: Er habe ja in einem anderen Fach habilitiert als promoviert (Dr. rer.nat., habil in Ing.). Weil die Habilitation aber der gegenüber der Promotion höhere Grad sei, würde die immer auch die Promotion mit umfassen, weshalb er einen zweiten Doktorgrad führen dürfe.

Absoluter Quatsch. Eine Habilitation ist keine Promotion. Und wenn man in einem anderen Fach habilitiert hat (wobei die Habilitation eigentlich auch nicht fachspezifisch ist) würde das als Dr. rer.nat. Ing. habil. geschrieben, aber nicht als zweiter Doktorgrad. Kümmert Professoren aber nicht, die neben jede noch so entfernte Ausrede mit um sich noch einen Orden anzupappen.

Das ist ziemlich dreist: Aus der – eigentlich peinlichen – Tatsache, daß er in seinem eigenen Fach nichts geworden ist, macht der glatt einen zweiten Doktor.

Als das E.I.S.S. damals mit Ende der Finanzierung eigentlich beendet und nicht mehr existent war, und keine Finanzmittel für Gehälter mehr hatte, sind alle Mitarbeiter samt des damaligen Leiters gegangen (nur ich bin damals noch in einen SFB gewechselt). Das E.I.S.S. war faktisch leer und rechtlich nicht mehr existent. Was Beth aber nicht davon abhielt, sich künftig auch noch als Direktor des E.I.S.S. zu titulieren und sich selbst zum großen Kryptologen zu ernennen.

Da ist fast alles Schall und Rauch, erstunken und erlogen, nichts was man glauben kann. Und Wikipedia darf man in dieser Hinsicht auch nicht vertrauen. Es gehört heute für Professoren zur Selbstverständlichkeit, in der Wikipedia zu stehen, also werden sie aus ihrem eigenen Dunstkreis da reingeschrieben und massiv geschönt. Bei vielen Wikipedia-Artikeln über Professoren bekomme ich Lachanfälle.

Apropos Anthropomatik:

Schau mal in den Wikipedia-Artikel dazu. Die wollen den Artikel wieder löschen, weil es den Begriff nicht gibt bzw. der von den Karlsruhern frei erfunden ist.

Lacher dazu: Beth behauptete immer, daß man ihn wegen seiner herausragenden Fähigkeiten in Kryptographie und Algebra zum Professor ernannt hat. Mir wurde aber berichtet, daß er nur der Füll-Dummy im Dreiervorschlag war und die ersten beiden abgesagt hatten, er also aus Versehen Professor wurde. Im Rahmen der Berufung seines Nachfolgers hab ich mir mal die Akten angesehen und dabei die Stellenbeschreibung aus Beths Berufung gefunden. Beth war nie Professor für Krypto oder Mathe, sondern hatte die Professor für die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Erstaunlich für jemanden, der nicht mehr konnte als faxen und für E-Mail und Web schon die Sekretärin brauchte. Die Professur wurde erst nach seinem Tod zur IT-Sicherheit umgewidmet.

Beth war von vorne bis hinten Hochstapler – und niemand an der Uni hat es gestört.

Die beiden Professoren, die in meinem Streit als Sachverständige geladen waren, gaben sich auch als Sicherheits- und Kryptospezialisten aus und konnten gar nichts, nicht mal die einfachsten Grundlagen.


Dr.-Ing. Manfred Voss
9.10.2009 0:52
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Apropos Anthropomatik:

“Anthropomatik” ist wohl der Namensnachfolger von “Anthropotechnik”, inhaltlich meint es das gleiche – ich war von 1975 bis 1984 in der Forschungsgruppe “Anthropotechnik” im IITB Karlsruhe, aber diese Begriffsbildung hat sich offensichtlich nicht durchgesetzt, bzw. war sonst nicht gebräuchlich (außer: Da gab es noch das FAT = Forschungsinstitut Anthropotechnik in Meckenheim, siehe http://www.fgan.de/fkie/fkie_c27_de.html)

(Übrigens: Ich bin damals gegangen, weil ich kein militärisches Forschungsprojekt bearbeiten wollte, vorher hatte ich all die Jahre Glück …)