Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Wissenschaftler oder Miet-Maul?

Hadmut Danisch
24.10.2009 13:29

Zur Frage der Vertretbarkeit von Werbung in der Wissenschaft.

Zu meinem etwas galligen Artikel über die Werbung an einem Karlsruher Institut gab es doch einige (teils nicht minder gallige) Reaktionen.

Dabei gibt es durchaus auch Wissenschaftler, die offen die Meinung vertreten, daß der Wissenschaftsbetrieb sich auch durch Werbung finanzieren sollte (z. B. hier und da). So ganz eindeutig ist die Meinungslage nicht. Anlaß zu näherer Erörterung (ich werde heute oder morgen voraussichtlich noch einen erheblich ernsteren Artikel über private Finanzierung von Forschung schreiben).

Der Begriff des Miet-Mauls

Ich habe mich kürzlich mal in gänzlich anderem Zusammenhang mit einer Juristin darüber unterhalten, welche schlechten Angewohnheiten man sich aus den verschiedenen beruflichen Tätigkeiten unwillkürlich auch privat aneignet. Dabei habe ich angesprochen, daß sich bei mir – gerade vor dem Hintergrund auch meiner Streitigkeiten mit der Uni – der Eindruck verfestigt, daß ausgerechnet Juristen die sind, die sich am wenigsten an Recht halten, weil sie am meisten darauf trainiert und dazu ausgebildet sind, jeden beliebigen Standpunkt zu vertreten und zu begründen, und weil sie am besten wissen und einschätzen, welches Risiko man mit dem bewußten Rechtsbruch eingeht und das abwägen. Die moralische Bindung an geltendes Recht fällt nach meiner Beobachtung bei Juristen oft weg und reduziert sich auf die nüchterne Frage, was einem passieren kann und wird, wenn man das Recht verletzt. Reine Verfügungsmasse.

In der Auswirkung sehe ich oft, daß Richter nicht, wie so oft hochtrabend zitiert, Rechtsfindung treiben, sondern nur noch Begründungsfindung. Und daß Anwälte – notgedrungen und prinzipbedingt – stets den Standpunkt ihrer Mandantschaft vertreten, egal wie falsch und absurd, weil sie dafür bezahlt werden.

Trockene Reaktion der Juristin: „Ja, klar! Miet-Maul!” Scheint ein unter Juristen verbreitetes angemessenes Schimpfwort für die eigene Zunft zu sein. Der Begriff gefällt mir.

Ich glaube, daß der Begriff auch – und noch mehr und zudem zunehmend – auf die Hochschulwissenschaftler zutrifft. Meistens verdeckt, wenn etwa solche „wissenschaftlichen” Erkenntnisse verbreitet werden, daß Computerspiele nicht aggressiv machen, daß Zigaretten nicht krebserregend sind, daß irgendein Medikament ganz toll sei, und dann so hintenrum rauskommt, daß die Institute oder Professoren massiv von der Spiele-, Zigaretten- oder Pharmaindustrie bezahlt werden.

Aber immerhin hatte da noch den Geruch des anrüchigen, des wissenschaftlich verpönten, des der Reputation abträglichen.

Das ändert sich gerade. Die Hochschulen werden gerade im großen Zug und mit politischem Druck von öffentlicher auf Korruptionsfinanzierung umgestellt, als ob man ein Auto von Benzin auf Gas umrüsten würde. Moralisch-fachlich-wissenschaftliche Bedenken werden sofort über Bord geworfen, sobald das Geld ruft. Suprema lex pecuniae voluntas.

Diskutiert wird dabei oft, warum sich Wissenschaft und Werbung ausschließen sollten. Immerhin ist im gelobten Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Wissenschaft sehr eng mit der Wirtschaft verwoben. Und entsprechende Probleme haben sie damit auch, außerdem handelt es sich dabei nicht um öffentlichen Dienst und nicht um Beamte. Die Frage ist trotzdem, warum ein Wissenschaftler nicht auch Werbung in seinem Bereich machen sollte.

Unvertretbar ist das jedenfalls dann, wenn – wie im Karlsruher Fall – überhaupt kein inhaltlicher Bezug mehr da ist und auch keine Auswahl mehr stattfindet, sondern wenn man über Anbieter wie Google Ads einfach jede beliebige Meinung einblenden läßt, immer die mit dem höchsten Gebot.

Wer so agiert, der handelt wirklich als Miet-Maul. Offensichtlicher kann man es nicht betreiben, daß man jede beliebige Meinung nach dem jeweiligen Höchstgebot vertritt. Grotesk wird die Sache, wenn – wie im Karlsruher Fall – ein Institut für Softwaretechnik Werbung für Mittel zum Abnehmen und gegen Mundgeruch macht. Das hat nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, das ist dann wie bei den Teleshopping-Fernsehsendern. Eigentlich kann man gleich auch Werbevideos einblenden (was ja möglich wäre, weil das Institut über die Einblendung einem Dritten freie Hand gibt). „Ach, Herr Professor, sind diese Küchenmesser auch wirklich so scharf wie Sie sagen? Ich bin so froh, daß Du mich das fragst, Nancy, denn diese Küchenmesser sind nach dem neuen wissenschaftlich untersuchten Sowieso-Laser-Verfahren hergestellt, enthalten das neue Wunderdings-X517-Mineral und sind einfach fa-bel-haft. Wissenschaftlich bestätigt.”

Ich glaube, daß man sich damit jeder Glaubwürdigkeit – und damit der Grundlage der Wissenschaftlichkeit – begibt. In leichter Abwandlung einer alten Volksweisheit würde ich sagen „Wer einmal wirbt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.”

Wer so offenkundig, wie hier das Karlsruher Institut, demonstriert, daß seine „wissenschaftlichen” Standpunkte schon für billig Geld zu kaufen sind, der ist eigentlich als Wissenschaftler verbrannt – wenn er überhaupt je einer war.

Wissenschaft ist – vom Bundesverfassungsgericht für die drei Staatsgewalten verbindlich definiert – die Suche nach Wahrheit. Werbung ist die Suche nach Geld. Und das ist mehr entgegengesetzt als gleichgerichtet. Allerdings ist das auch wieder nicht so trivial, wie es sich anhört und wie es sich – zugegebenermaßen – platt formulieren läßt. Denn an anderer Stelle wird ja – auch von mir – der Standpunkt vertreten, daß es im Wissenschaftszirkus zuviel Pseudowissenschaftler gibt, die nur nutzlosen, rein selbstzwecklichen HokusPokus treiben. Also einerseits die Entkopplung der Wissenschaft vom Kommerz, andererseits doch die geforderte Nützlichkeit gemessen an der Verwertbarkeit? Widersprechen sich nicht schon diese beiden Standpunkte?

Nein, aber trivial ist es eben nicht.

Grundsätzlich kann, wie im Fall des Karlsruher Institutes, eine Werbung, die überhaupt keinen Bezug zum Fach mehr hat, sondern wo die Werbefläche einfach an den Höchstbietenden verhökert wird, keinen Rückschluß mehr auf Nützlichkeit der Wissenschaft zulassen. Zwar könnte man noch argumentieren, daß wenn die Wissenschaftliche Arbeit nicht gut wäre, die Leute ja gar nicht erst auf die Seite kämen, und daß schon die schiere Zahl der Mausklicks, mit denen jemand auf die Seiten der Uni Karlsruhe kommt und von dort zu Mitteln gegen Mundgeruch weiterklickt, ein Maß für die wissenschaftliche Relevanz der Webseite (oder das Ausmaß an Mundgeruch an der Uni Karlsruhe) sein müsse.

Die Argumentation erscheint abwegig, aber meine Zyniker-Drüse meldet, daß das so dumm gar nicht wäre. Denn die Anzahl der Werbe-Klicks ist vielleicht kein Maß für die Relevanz einer wissenschaftlichen Seite, wohl aber für deren Irrelevanz. Der Schuß kann nämlich ganz gewaltig auch nach hinten losgehen. Was ist, wenn über die Werbeabrechnungen ans Licht kommt, daß die Institutswebseite so uninteressant ist, daß sich keine Sau dafür interessiert? Warum überhaupt Steuergelder für ein Institut rauswerfen, wenn doch sowieso keiner wissen will, was die machen?

Wird so herum vielleicht ein Schuh aus der Sache? Wir verpflichten jetzt alle Institute, Google-Werbung auf deren Webseiten zu machen, messen daran deren gesellschaftliche Relevanz und entscheiden anhand der Klick-Zahlen, welches Institut mehr Geld bekommt und welches dicht gemacht wird?

Wäre das nicht eine Konsequenz, die jeder tragen müßte, der Werbung auf Universitätsseiten befürwortet?

Die Konsequenzen mag ich mir gar nicht ausmalen.

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So abwegig ist das nicht. Schon zu meiner Zeit bekam man in der Mensa ab und an Einkaufstüten mit diversen Proben in die Hand gedrückt – Schokolade, Kaugummi, Rasierschaum, Kondome, Damenhygiene in manigfaltiger Ausprägung.

Wo führt das hin? Vorlesungen mit Werbe-Unterbrechung? Sponsoren-Namen auf Professors Hemdkragen?

Es führt dahin, daß man nichts, wirklich gar nichts mehr glauben kann.

Werbung korrumpiert

Ich habe mich in den letzten Jahren mit einigen Buch- und Zeitungsverlegern unterhalten, auch bei der Suche nach einem Verlag für Adele und die Fledermaus, die demnächst endlich mal fertig werden soll.

Was mir viele Verleger, besonders Zeitungsverleger sagten, ist erschreckend. Durch die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch durch die Umwälzungen in der Medienlandschaft, geht es ihnen schon lange nicht mehr so üppig wie vor dem Internet. Die Umsätze und Gewinne gehen massiv runter, dafür bekommen die Werbeeinnahmen einen immer höheren Stellenwert. War die Werbung früher mal ein nettes Zubrot, auf das man ohne echte Probleme auch mal verzichten konnte, ist das heute lebenswichtig geworden. Die werbende Industrie kann heutzutage durch Werbeboykott jeden Verlag in kürzester Zeit totmachen. Besonders die Pharma-Industrie ist da am Drücker. Wer heute kritische Artikel über die Pharma-Branche druckt, der spielt als Verleger mit seiner Existenz, denn daher kommt ein sehr großer Teil der Werbeeinnahmen. Gedruckt wird, was Pharma gefällt.

Vor einigen Jahren gab es auch bei einer der Karlsruher Zeitungen (bin nicht mehr sicher ob es die BNN war) mal einen Skandal. Man hatte eine Redakteurin rausgeworfen, weil sie etwas geschrieben hatte, was einem der großen Werbekunden nicht in den Kram paßte. Der Kunde wünschte, die Reakteurin flog. Wurde aber, wenn ich mich recht entsinne, aufgrund gewaltigen Leserprotestes vorerst wieder eingestellt. Oder so ähnlich.

Das wird auch in der Wissenschaft so laufen. In Berufungsverfahren wird nur noch darauf geachtet werden, wer der Fakultät die höchsten Einnahmen verspricht. Vermutlich wird es in allernächster Zukunft zu den wichtigsten Kernkompetenzen eines Wissenschaftlers gehören, gut auszusehen und gerade weiße Zähne zu haben. Schließlich hängen die Umsatzzahlen bei Schlankheitsmitteln und Mundgeruchblockern wesentlich davon ab, ob man dem Professor auch glaubt, daß das funktioniert. Ich kenne Professoren, denen ich Mundgeruchblocker ganz gewisslich nicht abkaufen würde. Darauf wird man in Berufungsverfahren verstärkt achten müssen.

Schleichende Schutzgelderpressung

Diese ständigen Zubrote haben einen fatalen Gewöhnungseffekt. Der Beamte gewöhnt sich daran, daß er für jeden Finger, den er rührt, Geld draufgelegt bekommt – obwohl seine Arbeit mit der Besoldung eigentlich komplett abgegolten ist und sein muß.

Genau diesen Effekt wollte der Gesetzgeber ja auch bekämpfen, in dem er es schon unter Strafe stellte, einen Beamten für dessen normale Arbeit zu entlohnen (§§ 331, 333 StGB, Vorteilsannahme und -gewährung).

Wenn aber jemand einem Professor für dessen Publizität Geld bezahlt, ist das dann nicht eine solche strafbare Entlohnung? Selbst wenn das Geld nicht an ihn sondern das Institut oder die Uni geht. Strafbar ist auch, wenn an einen Dritten geleistet wird.

Und ist das nicht auch strafbare Untreue? Der Staat, der Steuerzahler vertrauen dem Professor erhebliche Geldmengen an, damit der ordentliche und seriöse Wissenschaft treibt, und der entwertet das alles, indem er Werbung für Zahnpasta macht? Heißt das nicht, den Steuerzahler zu verhöhnen und das viele über Jahre investierte Geld zu veruntreuen? Hat der Beamte etwa keine Dienstpflicht zur Wahrheit?

Die Folgen eines solchen Anfixens an Zusatzzahlungen sind katastrophal. Das wird man nicht mehr los. Ich bin deshalb so allergisch dagegen, weil ich ja selbst Geschädigter bin. Die Promotionsprüfer, die ich damals aufgedrückt bekommen habe, hatten sich – wie sich Jahre später herausstellte – schon nach kürzester Zeit so daran gewöhnt, von einer externen Firma für jeden Doktor Geld zu bekommen, daß sie sofort blockierten, als sie kein Schmiergeld mehr bekamen.

Ausgerechnet der Karlsruher Professor, der jetzt auf seiner Webseite Werbung für alles und jedes macht, war später Dekan und Promotionsausschußvorsitzender, und hat die Falschgutachten verteidigt, die aufgrund ausgebliebenen Schmiergeldes erstellt wurden. Ein neuer Prüfer der ETH Zürich hatte dann die Dissertation erneut abgelehnt, ohne dies aber begründen zu wollen. Auch auf Aufforderung des Gerichts hat er erklärt, daß er die Ablehnung nicht begründen werde und wolle. Und schrieb dem Gericht dann auch noch rotzfrech, daß man bei einem kostenlosen Gutachten nicht mehr von ihm erwarten dürfe. Womit ziemlich unverblümt gesagt ist, daß wer ordentlich promovieren will gefälligst auch ordentlich zu zahlen hat. Nicht anders die Gerichtssachverständigen. Die eine fragte vorher (als sie noch als Prüferin in Betracht kam), was sie davon hat. Der andere stellte einfach Leistungen in Rechnung, die er nie erbracht hat.

Diese ständigen Zulagen von Geld wirken auf den Wissenschaftler-Verstand wie Heroin. Einmal angefixt, kommen die davon nicht mehr runter. Was nach außen hin als Wissenschaft dargestellt wird, ist bei Licht betrachtet nur noch das Ranholen von Stoff mit allen Mitteln.

Ich sage es in aller Deutlichkeit: An den deutschen Universitäten spielt sich gerade eine gewaltige, politisch gewollte und geplante Metamorphose von der Wissenschaft zur Beschaffungskriminalität ab.

Ich hoffe, es ist rübergekommen, daß und warum ich von Werbung in der Wissenschaft nicht so begeistert bin.

3 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
24.10.2009 14:32
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“Vor einigen Jahren gab es auch bei einer der Karlsruher Zeitungen (bin nicht mehr sicher ob es die BNN war) mal einen Skandal. Man hatte eine Redakteurin rausgeworfen, weil sie etwas geschrieben hatte, was einem der großen Werbekunden nicht in den Kram paßte. Der Kunde wünschte, die Reakteurin flog. Wurde aber, wenn ich mich recht entsinne, aufgrund gewaltigen Leserprotestes vorerst wieder eingestellt. Oder so ähnlich.”

Das waren die BNN und es ging um Lidl.

http://www.google.com/search?q=bnn+lidl


Hadmut Danisch
24.10.2009 18:13
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Ja, das ist genau das, was ich meine. So wird es auch den Universitäten gehen.


Sefan W.
24.10.2009 20:49
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“Willkommen bei der dadidas-Sporthochschule! Natürlich düfen Sie als unser Student auch Kleidungsstücke von Konkurrenzunternehmen tragen, wenn dies dezent geschieht” (verlegenes Kichern im Auditorium) ” – allerdings wissen Sie, daß ihr Semesterticket Ihnen einen Rabatt im Unioutlet von 30% bietet, und ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Kollektion SoSe10 ausgesprochen gelungen ist, attraktiv und sexy, frisch und spontan, locker und doch kräftig. Die Farben der Sieger! … und für den kleinen Geldbeutel, das Modell Bachelor!”

Noch besser wird es, wenn man statt des NC als Student schon potente Werbetreibende beibringen muß. Mit Probesemester, wo man nur lernt, wie man Sponsoren rekrutiert, und wie man Klinken putzen geht, vielleicht.