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Korruption aufdecken – Konferenz-Tag 3

Hadmut Danisch
1.11.2009 20:57

Wieder ein paar Notizen.

Thema war die Korruption in Baden-Württemberg, vorgetragen haben zwei Autoren des Buches „Wir können alles – filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle.”

Ich war erstaunt, wie gut deren Beobachtungen und Formulierungen auf meine eigenen Beobachtungen passen. Interessant war die Unterscheidung zwischen Wirtschafts- und Staatskorruption, wobei letztere auch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung umfasst, und damit alle drei Staatsgewalten korrumpiert. Dass die Gerichte nicht mehr korrekt arbeiten, habe ich ja sebst erlebt.

Dann wurde ausführlich auf den Fall Birkel (der mit den Nudeln) eingegangen (genaueres dazu im Buch), in dem man den Nudelhersteller zunächst beschuldigte, daß er verdorbene Grundstoffe für seine Nudel verwendete, es dann aber im Schadensersatzfall nicht beweisen konnte, weil man bei keiner Durchsuchung etwas gefunden hatte – die waren offenbar immer vorgewarnt. Daraufhin bekam das Unternehmen Birkel in einer Zeit, wo sie gerade Geld brauchten, vom Land 12,7 Millionen. Kurz darauf kam man dann doch an große Mengen Akten, die die Nudel-Panscherei voll bestätigten. So waren die unberechtigt an 12 Millionen gekommen. Der ehemalige Chef von Birkel sitzt heute angeblich in Texas auf einer teuren Ranch und bekommt regelmäßig Besuch von der Politik.

Die Verfilzung in Baden-Württemberg sei mittlerweile so stark, daß man sie nur noch von außen aufbrechen kann. Von innen ist der Korruptionsfilz im Ländle nicht mehr angreifbar. Auf meine Frage, ob Baden-Württemberg – wie ich es empfinde – der Brennpunkt der Korruption in Deutschland sei, eine etwas verhaltene Antwort. Die Korruption sei an sich nicht signifikant stärker als in anderen Bundesländern, Köln könnte wohl mit Baden-Württemberg mithalten, was die Korruption angeht, obwohl die Korruption in Baden-Württemberg in den letzten Jahren immerhin das Amigo-Land Bayern überholt hat.

Man merkt das beispielsweise daran, daß bei der Siemens-Affäre die Staatsanwaltschaft München ermittelt und der Vorstand Ärger bekommen hat. Bei Daimler sei es mindestens genauso schlimm gewesen, aber es sei gar nichts passiert, die Staatsanwaltschaft hat sich nicht gerührt und dem Vorstand ist nichts passiert.

Die Besonderheit der Korruption in Baden-Württemberg sei, daß sie nach 50 Jahren Alleinregierung der CDU eben besonders fest und stabil zementiert sei. Eben nicht mehr von innen zu bekämpfen. (Da wird mir so allerhand klar, wenn ich an meine eigenen Probleme mit Baden-Württemberg denke.) Überhaupt ist bemerkenswert, wie oft bei derben Korruptionsfällen die Diskussion auf die CDU kommt.

Apropos CDU: Es soll wohl da irgendetwas im Internet über seltsame Verbindungen der CDU nach Kalabrien geben, dort wo die Mafia sitzt. Muß ich mal googlen.

Jedenfalls soll ich angeblich auch nicht der einzige sein, den die Zustände in Baden-Württemberg anreihern. Es gäbe da wohl in den Korruptionsthemen so ca. 100 Richter und Staatsanwälte, die sich alle gegenseitig kennen und eine Familie bilden. Und da soll es gerade ganz gewaltig gähren.

Übrigens ist mir da auch klargeworden, warum die Staatsanwaltschaft nichts macht. In Korruptionssachen zu ermitteln, heißt Fachwissen zu benötigen, das man als Staatsanwalt normalerweise nicht hat, und vieeeeel Arbeit, aber es nutzt der Karriere gar nicht. Im Gegenteil, man macht sich sehr unbeliebt (siehe den Video, den ich gestern abend ins Blog gestellt habe). Stellt man die Verfahren allerdings ein, dann hat man wenig Arbeit, ganz viele erledigte Fälle und damit viel für die Karriere getan, weil bei deutschen Staatsanwälten nur die Zahl der erledigten Fälle zählt, egal wie die erledigt wurde.

Übrigens waren auch der geschasste Steuerfahnder und dessen ehemaliger Vorgesetzter aus diesem Film da. Hochinteressant. Meine Hochachtung und meinen großen Respekt vor deren Leistung und deren Auftreten.

Da wurde erzählt, wie man als Steuerfahnder durch mündliche und dann durch vertraulich im Briefumschlag persönlich übergebene Weisungen am Ermitteln gehindert wird. Plötzlich hieß es, daß man nur noch in Fällen, in denen erwiesenermaßen mindestens DM 500.000,- hinterzogen wurde, als Anfangsverdacht ansehen würde, was aber fast nie erreicht wird, weil das alles in kleinere Fälle zerhackt wird. Gestern hatte der Steuerfahnder noch 1000 offene Fälle auf dem Tisch, heute plötzlich keinen mehr, alles erledigt, ohne einen Strich getan zu haben.

Dabei kam auch heraus, daß der Dienstherr Geheimakten führt und daß darin schon vor der psychologischen Untersuchung des Mannes stand, daß er aus dem Steuerbereich raus muß. Wer ernsthaft gegen Korruption und Steuerhinterziehung ermittelt, fliegt raus und wird notfalls als paranoid querulatorisch und nicht therapierbar eingestuft. So läuft die Steuerfahndung in Deutschland. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Steuerfahnder, der bei Steuerhinterziehung ermittelt und für den Staat richtig Geld hereinholt, wird von der eigenen Behörde als nicht therapierbar querulatorisch eingestuft und rausgeworfen.

Besonders absurd daran ist, daß das Land Hessen (und wieder unter einer CDU-Regierung) ja notorisch finanziell klamm ist und das Geld dringend bräuchte. Tatsächlich aber sieht die Politik in Deutschland die Korruption als wesentlichen Standortfaktor an. Ich habe außerdem den Eindruck, daß man die in Deutschland ohnehin schon sehr niedrigen Firmen- und Reichensteuersätze noch weiter senken will, dies aber nicht offen zugeben sondern über den Umweg erreichen will, daß man eben die Steuerhinterziehung leicht macht und die Steuerfahndung blockiert. So erreicht man natürlich viel niedrigere Steuersätze für Reiche und Firmen, als man so zugibt. Unliebsamer Staatsdiener, die da nicht mitmachen, entledigt man sich. Die Befehlskette ist bisher übrigens ungeklärt. Die Macher dieses Films haben viele Reaktionen von anderen Steuerbeamten bekommen, denen es ähnlich geht.

Mein Fazit: Wir haben nicht etwa eine Demokratie, die von Korruption beeinträchtigt wird, sondern einen Korruptionsstaat, der (noch) von etwas Demokratie beeinträchtigt wird.

Danach wurde sehr eindrücklich und mit erschreckenden Details über Korruption im Sport und bei den Olympischen Spielen berichtet. War sehr beklemmend und wirklich schlimm, zumal die Presse offenbar systematisch wegschaut und sich mehr so auf die Fussball-1:0-Berichterstattung beschränkt. Wer in der Sportberichterstattung gegen Korruption wettert, geht unter, weil keine Promis mehr zu Interviews oder ins Fernsehen kommen. Allerdings feht mir zur Sportkorruption einfach der Draht, da kann ich nichts zu berichten oder sagen. Aber schlimm ist es schon.

Ein Richter einer Wirtschaftsstrafkammer, der für eine Diskussion da war, erklärte, daß es da auch divergierende Strafmaße gäbe. Hätten sie beispielsweise jemanden, der für 10.000 oder 100.000 Euro Betrug begangen hätte, dann würde der ohne weiteres und ohne Bewährung in den Knast wandern. Hätten sie einen Korrupten, der für den gleichen Betrag kriminell geworden wäre, dann passiert dem nichts oder fast nichts, allein schon weil die Verfahren zu aufwendig sind (und das Geld darf er meist auch noch behalten….).

Zum Abschluß kam nochmal das Fazit, daß Bestechungsgelder in der Krise generell als gerechtfertigt angesehen werden und die Bundesländer schon aus Image-Gründen nichts unternehmen wollen. Würde man ernsthaft und hart gegen Korruption vorgehen (wie man es beispielsweise in den USA tut), würde man ja öffentlich als korrupt dastehen. Lieber hält man die Klappe und bleibt korrupt, als korrupt auszusehen.

Ach ja: Es gibt eine UN-Konvention zur Bekämpfung von Korruption. Länder wie Kenia haben sie ratifiziert. Deutschland nicht.

2 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan W.
2.11.2009 23:51
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Wahrscheinlich kennst Du ihn schon, den Blog von Jens Weinreich – http://jensweinreich.de/?p=5534

Neben Doping auch an Korruption im Sport interessiert.


Hadmut Danisch
2.11.2009 23:54
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Klar – der hat ja den Vortrag gehalten.