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Die Meinungsfreiheit und der fliegende Gerichtsstand

Hadmut Danisch
5.11.2009 23:06

Eben ist mir was klar geworden.

Auf Telepolis ist ein prächtiger Artikel darüber erschienen, wie der BGH regelmäßig die absurde Rechtsprechung der Hamburger Richter, die die Meinungsfreiheit extrem einschränken und gegen Blogger vorgehen, kassieren. Da wird schon systematisch versucht, Kritiker mundtot zu machen.

Hintergrund ist der sogenannte „fliegende Gerichtsstand”, wonach bei solchen Meinungsäußerungen an jedem Ort geklagt werden kann, an dem die Meinungsäußerung empfangen werden kann. Das ist in doppelter Hinsicht meinungsfreiheitsschädlich: Erstens weil da immer der Kläger den Ort und damit das Gericht heraussuchen kann und damit immer das Gericht, das die für ihn vorteilhafteste Meinung hat. Selbst wenn die Gerichte fast alle anderer Meinung sind, es genügt, wenn ein Gericht das extrem sieht, um dann ganz Deutschland seine Auffassung aufzuoktroieren. Ein einzelnes Landgericht kann so in ganz Deutschland die Meinungsfreiheit beschädigen.

Und zweitens, weil der Kläger ja an mehreren Orten gegen die Meinungsäußerung vorgehen kann. Geht er an 10 Gerichten dagegen vor, und weisen 9 die Sache ab, während nur ein Gericht dem folgt, dann steht es zwar 9:1 für den, der die Meinung geäußert hat, aber das hilft nichts, er ist trotzdem dran. Deutschland ist so gesehen ein sehr meinungsfeindliches Land. Wer seine Meinung äußert, der ist in Gefahr.

Das habe ich auch schon selbst gemerkt. Vor zwei Jahren wollten mich mal eine Professorin und eine Universität zum Schweigen verdonnern lassen, weil ihnen nicht gepasst hast, was ich so meine. Ich habe mich damals gewundert, warum die ausgerechnet vor dem Landgericht Berlin gegen mich vorgegangen sind, obwohl weder die noch ich in Berlin wohnten, sondern weit anreisen mußten. Das mit dem fliegenden Gerichtsstand wußte ich, und daß Hamburg berüchtigt ist, wußte ich auch. Warum sind die nicht nach Hamburg gegangen? Warum ausgerechnet nach Berlin? Und warum waren die hinterher so pampig darüber, daß sie mir danach noch meine Reisekosten nach Berlin erstatten mußten? Erst zerren die mich nach Berlin vor Gericht, und wenns an die Reisekosten geht, ist es ihnen plötzlich doch zu weit?

Ich hatte es bisher immer darauf zurückgeführt, daß die Professorin (und der extra zu meiner geplanten – aber misslungenen – Hinrichtung nach Berlin angereiste Justiziar der Universität) dort von einem Anwalt aus einer Kanzlei vertreten wurde, die als sehr CDU-nah eingeschätzt werden muß. Als es damals im Bundestag um die E-Mail-Sperren und Spam ging, saß hinter verschlossenen Türen unter anderem ich, aber auch ein Anwalt dieser Kanzlei als Berater am Tisch. Und es gab ja allerhand Verbindungen zwischen der Professorin und der Bundesregierung. Deshalb dachte ich, der Grund für Berlin als Gerichtsstand (und die Berliner sind ja eigentlich dafür bekannt, daß dort die Meinungsfreiheit und die Berliner Schnauze dort toleriert werden) sei gewesen, daß da ein regierungsnahe Kanzlei an ihrem lokalen Gericht die Sache übernehmen kann. Ich hatte nämlich die ganze Zeit auch den Eindruck, daß die Professorin nur der Strohmann war, zu auffällig war, daß nur der Anwalt und der Justiziar der Uni das Wort führten, und die Professorin, um deren Persönlichkeitsrechte es ja angeblich ginge, selbst verloren und fehl am Platz wirkte, und nicht einmal ihren eigenen wissenschaftlichen Standpunkt, den ich ebenso wie ihre Fachkompetenz angegriffen hatte, verteidigen konnte. Wer ist denn so naiv, vor einem Landgericht zu klagen und dann kein Wort zur Verteidigung seines Standpunktes rauszubringen? Aufschlussreich war auch, daß ich sie dort herausforderte, den Disput mit dem wissenschaftlichen Argument im Hörsaal vor Publikum zu klären, ihr aber eben jener Justiziar dies später verbot. Was sind denn das für Zustände, wenn eine Professorin klagt, weil sie sich angeblich so beleidigt und verunglimpft fühlt, und dann der extra eingeflogene Uni-Justiziar ihr verbietet, ihren wissenschaftlichen Standpunkt (falls sie denn überhaupt einen hatte, was ich bei der Frau allerdings sehr bezweifle) zu vertreten? Hallo? Der Justiziar einer Uni ist diesbezüglich nicht weisungsbefugt, und nach der Freiheit von Forschung und Lehre ist überhaupt niemand befugt, einem Professor zu untersagen, seinen wissenschaftlichen Standpunkt zu äußern. Deshalb nahm ich an, daß die da nur als Strohmann vorgeschickt wurde und da Regierungsinteressen dahinterstecken.

Der Artikel auf Telepolis enthielt jedoch einen Link auf eine interessante Fernsehsendung zu genau diesem Thema. Nicht nur Hamburg, sondern – was ich nicht wußte und mich ehrlich gesagt überrascht hat – auch Berlin ist für meinungsfeindliche Rechtsprechung berüchtigt. Das war dann wohl der Grund, warum die nach Berlin gegangen sind.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Prima, dann kann man ja jetzt Hamburg und Berlin wegen Befangenheit ablehnen — statistisch belegbar. Ein Schlechtachter wird sich finden.

Außerdem ists ‘ne Mitkopplung und bringt den Gerichten “Kundschaft”. Und dann klagen sie über zuviel Arbeit.

Carsten

Zu wenig Frauen in der Wirtschaft? Was ist mit Miß Management?


Hadmut Danisch
6.11.2009 17:41
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Nein. Die Rechtsmeinung eines Richters ist kein Grund für Befangenheit. Sogar im Gegenteil: Die Tatsache, daß ein Richter bekanntlich immer so absurd urteilt würde von den Juristen als Beweis dafür angesehen, daß er gerade nicht gegen diese eine spezielle Partei voreingenommen war, also eben nicht befangen gewesen sein kann.


Erstens meinte ich den Einwand nicht so ganz ernst und zweitens bezog ich mich auf Standorte. Befangenheit ist sehr allgemein aufgefaßt. Die Beschreibung in der Wikipedia scheint es zu treffen. Was, wenn es am schlechten Trinkwasser liegt?

Ist ein Richter Mitglied in einer Vereinigung, die eine bestimmte Meinung zu diesen Fällen vertritt, so trifft Befangenheit zu. (PirateBay) Das ist dann auch eine Rechtsmeinung. Hier scheint ein standortbezogener Trend vorzuliegen, den das Rechtssystem aus sich heraus nicht reparieren kann.

Ok, wäre es so, dann hat der Kläger einen Vorteil. Waffengleichheit? Fehlanzeige! Ein permanent gegen das Grundgesetz eingestellter Richter sollte in die Bibliothek versetzt werden.

Carsten

Ich bin Agnostiker und glaube, daß vier Kilo Rindfleisch
eine gute Suppe ergeben. gerd unverfehrt in d.s.p


Hadmut Danisch
6.11.2009 19:15
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Ich weiß von keinem einzigen Fall, in dem jemals ein Befangenheitsantrag gegen einen Richter erfolgreich war. Ich bin selbst noch nie mit einem durchgekommen, und die Entscheidungen über Befangenheitsanträge gehören zum lächerlichsten, was die deutsche Justiz zu bieten hat.

Und viele Anwälte haben mir bestätigt, daß sie das ganz genauso sehen und erlebt haben. Wenn man nicht gerade beweisen kann, daß der Richter mit der Klägerin verheiratet ist, sind Befangenheitsanträge heute völlig aussichtslos.