But you are not Oxford!
Auf Academics.de ist ein dümmlicher Appell des Dortmunder Professors Walter Krämer wider die Akkreditierung von Studiengängen erschienen. Eine Analyse des für deutsche Universitäten inzwischen leider mehr als typischen und immer stärker zunehmenden unseriösen, pseudoargumentativen und interessengeprägten Standesdünkels.
Um es vorweg zu nehmen: Ich halte das Plädoyer dieses Professors für substanzloses Geschwafel, denn wenn man es liest, finden sich zwar viele schwülstige und gewaltige Formulierungen und Zitierungen, aber kein einziges belastbares Argument, das seine These, seine Forderung stützen würde. Das ist alles nur oberflächliche Rhetorik, ganz so, wie man sie an den heutigen deutschen Universitäten immer wieder und überall antrifft, und die für den geistigen Verfall derer steht, die die Gesellschaft für Wissenschaftler hält.
Besonders auffällig und für deutsche Wissenschaftler typisch ist, daß überhaupt kein argumentativer – wissenschaftlicher – Gedankengang mehr aufgebaut wird, sondern sich der Vortrag als Brei aus Anekdoten und Zitaten irgendwelcher Größen darstellt. Dieses extreme Zitierwesen ist ein Merkmal dafür, daß die deutsche Wissenschaftslandschaft nicht mehr selber denkt, sondern doktrinartig in Hierarchien und Rangordnungen erstarrt ist. Dazu kommt ein Gezeter mit was wäre wenn und wer könnte alles nicht, und wie schlimm es wäre, aber einfach nur heißer Dampf.
Es fängt mit einer – sicherlich netten, eingängigen, amüsanten, aber überhaupt nicht nachprüfbaren und eigentlich auch nichtssagenden – Anekdote an. Der Deutsche fragt den Briten, wo sie denn ihre Studiengänge akkreditieren ließen. Der Brite völlig erstaunt zurück „But we are Oxford!”.
Rabulistisch raffiniert, so wird der Leser/Zuhörer von vornherein darauf eingenordet, daß die Besten sowas nicht nötig hätten, nur wir in Deutschland hier solchen Blödsinn trieben. Abgesehen davon, daß kein Mensch nachprüfen kann, ob der Brite das wirklich gesagt hat, wieviel Hirn er dabei eingesetzt hat und ob er überhaupt maßgeblich oder nur ein akademischer Hilfsschwätzer war, liegen schon in Frage und Antwort viele Fehler, die einem Statistiker und einem Professor nicht unterlaufen dürften.
Der erste Fehler ist, daß man nicht die Regeln für ein Land wie Deutschland oder gar Europa mit einer einzelnen Universität, einer nichtrepräsentativen, sondern gezielt ausgewählt Stichprobe vergleichen kann. Sowas nennt man auch Statistikfälschung. Um das an einem überspitzten Analogon zu demonstrieren: Genausogut könnte man beklagen, daß das Durchschnittseinkommen der Deutschen um Größenordnungen zu niedrig läge, indem man es mit dem von Bill Gates vergleicht. Man müßte es aber mit dem Durchschnittseinkommen der Amerikaner und nicht einem einzelnen besonders ausgewähltem Exemplar vergleichen. In der Statistik wird eigentlich trainiert, solche Denkfehler zu vermeiden, weshalb man dem Autor hier schon böswillige Absicht unterstellen muß.
Der zweite Fehler ist, daß Großbritannien mit Deutschland nicht vergleichbar ist. Wir sind eine Republik mit einer Verfassung, in der die Berufsfreiheit und die Rechtswegsgarantie als einklagbare Grundrechte festgeschrieben sind, und in der das Prüfungsmonopol beim Staat liegt, der es in gewissen, definierten Grenzen an die Verwaltung in Form der Hochschulen delegieren kann. Großbritannien dagegen ist eine parlamentarische Monarchie, die keine explizite Verfassung hat und wenn ich mich recht erinnere, erst 1998 überhaupt erst die grundlegenden Menschenrechte formal anerkannt hat. Unversitäten und Hochschulen sind in Großbritannien autonom und nicht dem Staat untergeordnet, während sie bei uns Anstalten öffentlichen Rechts sind und damit nach der Verfassung zwingend an Gesetze gebunden sind. Damit kann eine englische Universität einem Prüfling nie diesem immensen und irreparablen Schaden wie eine deutsche Universität zufügen, nämlich daß man eine Prüfung endgültig nicht bestanden hat und einen Beruf nicht mehr ergreifen kann. Die deutschen Universitäten greifen rechtlich viel stärker in Grundrechte ein, die bei uns auch stärker geschützt sind (bzw. sein sollten).
Daß deshalb die Ausbildungen – genauer gesagt die Prüfungen und Abschlüsse – bei uns rechtlich nicht von den Professoren und auch nicht von den Hochschulen, sondern von den Bundesländern vorgegeben werden müssen und das zwangsläufig eine Normierung mit sich bringen muß, weil nach Bundesverfassungsgericht erst in solchen gleichartigen Maßstäben – unter der deutschen Verfassung – die Legitimation des Staates liegt, berufsbezogene Prüfungen durchzuführen, Noten und Abschlüsse zu vergeben, hat sich bei Professoren noch nicht herumgesprochen. Dieses Plädoyer ist – wie so vieles – wieder ein Beleg dafür, daß deutsche Professoren ihren Beruf nie erlernt haben und jeder Wurstverkäufer im Supermarkt mehr über seine Pflichten wissen muß als ein deutscher Professor.
Der dritte Fehler ist ein inhaltlicher, nämlich daß es nicht stimmt, was er behauptet. Der Autor stellt es so hin, suggeriert mit seiner Anekdote, als könnten guten Universitäten wie Oxford – oder nach seiner Formulierung eigentlich generell die Briten – gerade nach Gutdünken tun und lassen, was sie wollen. Wie schon leichtes Googlen für Anfänger hervorbringt, gibt es in England die Quality Assurance Agency for Higher Education, die offenbar die Qualität der Ausbildung auf einem Niveau überprüft, von dem deutsche Universitäten meilweit entfernt sind, denn wie ich ja in diesem Blog schon vielfältig berichtet habe, können deutschen Universitäten überhaupt nicht erklären, was etwa eine Promotion ist und was sie nach welchen Regeln abprüfen. In England dagegen gibt es eine Einrichtung zur Qualitätssicherung. Und das verblüffende daran ist:
- Diese Qualitätsüberprüfung wurde den englischen Universitäten nicht von außen aufgezwungen, sondern die Universitäten unterwerfen sich freiwillig und bezahlen diese Agency sogar selbst. Der Unterschied zwischen englischen und deutschen Universitäten ist eben, daß die sich dort freiwillig solchen Qualitätstest unterziehen und selbst dafür bezahlen, während deutsche Universitäten über Qualitätskontrollen maulen (siehe eben dieser Artikel).
Also liegt die Argumentation dieses Professors hier voll neben der Sache. Es ist einfach falsch, was er sagt.
- Der Professor stellt es so dar, als wäre dort bei den Briten alles so wissenschaftlich und frei, während wir im drögen Deutschland von den Bologna-Prozessen gequält und gefesselt würden.
Auch das ist nicht einfach nur daneben, sondern grotesk falsch. Denn ausgerechnet diese britische Agency ist eine der treibenden Kräfte, wenn nicht die haupttreibende Kraft hinter der European Association for Quality Assurance in Higher Education, von der der Bologna-Prozess kommt. Und ein Grund für den Bologna-Prozess war eben, daß gerade das deutsche Ausbildungswesen, vor allem die Promotion so mangelhaft und undurchsichtig war.
Daß ist so hirnschmerzend daneben, daß man es sich sich schon dreimal durch die Zähne ziehen muß, um das in seiner Tiefe zu erfassen: Der Professor meckert darüber, daß wir hier in Deutschland von mittelmäßigen Qualitätsprüfungen und Akkreditierungen gegängelt würden, während die Briten es doch so viel besser hätten und von solchen Anforderungen verschont würden, obwohl es genau andersherum ist: Die Briten haben freiweillig ein Qualitätsprüfungssystem, und bringen dieses über den Umweg Europa und Bologna zu uns, weil unser System so undurchsichtig und qualitätslos ist. Nicht deutsche, sondern britische Standards bringen letztlich die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen zu uns, über die der sich so beklagt.
- Und dann bringt der noch den Dummspruch „But we are Oxford!” um zu zeigen, daß wahre Spitzenuniversitäten sowas nicht nötig hätten. Auch das stimmt nicht. Die Universität Oxford unterzieht sich ebenfalls solchen Tests und bezahlt auch dafür , um ihre Qualität zu erreichen.
Also stimmt an dem, was dieser Professor da behauptet, eigentlich gar nichts, und das besagte Gespräch war, wenn es denn überhaupt stattgefunden hat, ein Dialog zwischen zwei Wissenschaftlern, die beide ihr System nicht kannten und nicht wußten, wovon sie reden. Sollte man sowas zum Maßstab der Bildungspolitik machen?
Der vierte Fehler, der diesem Professor eigentlich nicht hätte unterlaufen dürfen, ist die Verwechslung von Kausalität und Korrelation, ein wissenschaftlicher Standardfehler. Selbst wenn man unterstellt, daß die Universität Oxford keine Qualitätsprüfungen nötig hätte, vertauscht das die Kausalität. Denn Oxford ist ja nicht gut, weil es Qualitätsanforderungen nicht erfüllt, sondern weil es sie erfüllt. Jemand der eine Prüfung nicht nötig hat, hat noch lange keine Angst vor ihr, sondern wird sie trotzdem bestehen. Das heißt, daß die Qualität es nach sich zieht, daß man nicht überprüft werden muß, und nicht umgekehrt. Der Professor stellt es so hin, als würde die Prüfung die Mittelmäßigkeit erzwingen und die Qualität verhindern, mithin also das Unterlassen der Prüfung die Qualität herbeiführen. Auch das ist Rabulistik, und in der Sache unhaltbar. Denn eine Qualitätsprüfung begrenzt die Qualität ja nicht nach oben, sondern nur nach unten hin. Es wird ja nur eine Mindest- und keine Einheitsqualität herbeigeführt. Es mag sein, daß hohe Qualität damit korreliert, daß man nicht geprüft wird, aber daß etwas nicht geprüft wurde, korreliert meist mit minderer Qualität. Traue keinem Statistiker, der einem mit solchen Schwindelmethoden begegnet.
Letztlich gibt er das sogar zu. Zitat:
Nur zweitklassige Institutionen lassen sich akkreditieren. Erstklassige haben es nicht nötig, und drittklassige fürchten sich davor. Akkreditierung steht für die Regression zum Mittelwert.
Was man hier in diesem Artikel liest, ist aber die Angst dieses Professors vor einer Akkreditierung. Also stuft er sich damit letztlich selbst als drittklassig ein. Und gemessen an den Erfolgen, den Ranglisten und der wissenschaftlichen Relevanz, sind deutsche Universitäten auch überwiegend drittklassig. Nur einige wenige schaffen es zur Zweitklassigkeit. Insofern wäre der durch eine Akkreditierung erzwungende Mittelwert als Mindestmaß keine Regression, sondern eine Progression. Denn Dortmund, und mehr noch die meisten deutschen Hochschulen, ist von Oxford noch ziemlich weit entfernt. Man möchte dem Mann mal direkt ins Gesicht sagen „Ihr seid aber nicht Oxford, Ihr seid unterhalb oder bestenfalls auf Höhe des Mittelwerts!” Nur scheint es die neueste Masche deutscher Forschungsschwindelpolitik zu sein, sich selbst dreist und frech mit Spitzenuniversitäten auf ein Niveau zu stellen. Karlsruhe tut so, als wären sie ein Ableger des MIT und genauso gut, nur leichter auszusprechen. Der hier vergleicht sich (bzw. die Uni Dortmund) nun mit Oxford. Sind die jetzt alle übergeschnappt? Es bestätigt jedenfalls meinen Standpunkt, daß die Exzellenzinitiative politisch organisierte Hochstapelei und einer der größten Fälle von Forschungsschwindel in der Geschichte der neueren Wissenschaft ist.
Standards in der Wissenschaft seien das Gegenteil von Exzellenz, meint er. Es geht hier aber doch um die Ausbildung, die Abschlüsse, die Prüfungen, und nicht um die Wissenschaft als solche. Ist der Mann so ungebildet, daß er den Unterschied nicht erkennt, oder will er absichtlich täuschen? Exzellenz falle immer aus dem Rahmen, so als ob der, der aus dem Rahmen fällt, weil er den Rahmen nicht einzuhalten vermag, dies als Exzellenz gutreden wolle. Qualitätslosigkeit als Programm.
Dann – ich fasse es nicht – erzählt dieser Professor in diesem Artikel über seine Vorstellungen einer Promotion:
Der berühme Mathematiker Richard Courant berichtet in seinen Lebenserinnerungen, wie er bei dem noch berühmteren Kollegen Hilbert in Göttingen promovierte. Hilbert lud ihn mit einem Freund zum Abendessen ein, die drei plauderten ein wenig, nicht nur über Mathematik, dann schüttelte Hilbert seinem Studenten die Hand und sagte: Ab jetzt können Sie sich Doktor nennen. Auf einer Etage tiefer hat gerade einer meiner eigenen Doktoranden seine Doktorarbeit abgeben. Er ist 23 Jahre und hat rund drei Monate dafür gebraucht. Noch ist das erlaubt, aber wenn auch in Deutschland, wie vielfach gefordert, Promotionsstudiengänge zwangsweise für alle eingeführt und auch noch, was Gott verhüten möge, akkreditiert werden sollten, wird es solche Karrieren nicht mehr geben.
Ersetze das Wort Karrieren durch Korruption oder Wissenschaftsbetrug.
Zieht man in Betracht, was der Gesetzgeber als Gegenstand der Promotionsprüfung angesehen hat, dann kann ein 23-jähriger nach 3 Monaten Arbeit nicht promotionstauglich sein. Und damit zeigt sich auch, von welchem akademisch-geistig-wissenschaftlichem Niveau der Autor ist, nämlich von keinem. Wer es befürwortet, daß Leute so per Handschlag oder nach einer Arbeit im Umfang einer Studienarbeit den Doktor bekommen, sind genau die Leute, die unser Hochschulsystem so verlogen und korrupt gemacht haben. Das ist genau das Promotionswesen, daß die Europäer – die Briten – so als undurchsichtig, nicht nachvollziehbar, qualitätslos anprangern.
Nur zum Vergleich: Ich habe damals als Doktorand allein 10 Monate warten müssen, um den Doktorvater überhaupt das erste Mal auf einer Weihnachtsfeier zu sehen, 3 Jahre mußte ich warten, bis ich mich zur Promotion anmelden durfte, 4 Jahre hat es bis zum ersten Gespräch über das Promotionsthema gedauert, 6 bis 7 Jahre war die am Institut übliche Dauer der Frohnarbeit, bis Leute promovieren durften. Und dann kamen die Schmiergeldforderungen und die Ablehnung der Dissertation mit Falschgutachten, weil das Schmiergeld nicht eingegangen ist. Zum Vergleich dazu eben dieser Fall eines 23-jährigen, der nach 3-monatiger Arbeit promoviert. Was soll denn nun die Promotion eigentlich genau sein?
Das deutsche Universitätssystem ist so tiefgreifend von Willkür, Korruption und Inkompetenz durchseucht, daß jede Fairness, jede Wissenschaftlichkeit, jede Vergleichbarkeit ersäuft wird. Ich war gerade auf einer Konferenz über Korruption, auf der gesagt wurde, daß die Korruption in Baden-Württemberg so fest zementiert ist, daß man sie nur noch von außen aufbrechen kann. Ich glaube, was das Universitätswesen betrifft, gilt diese Aussage für ganz Deutschland. Nur der Druck von aussen über den Bologna-Prozess, auch von den Briten, kann solche Erscheinungen verhindern und uns – wenigstens – auf mittelmäßiges, zweitklassiges Niveau heben. Wir brauchen wirklich Bologna, wir brauchen die Briten, um solchen Willkür-Professoren wie dem Autor dieses Artikels Einhalt zu gebieten. Anders bekommen wir unsere Drittklassigkeit und die Korruption nicht mehr in den Griff. Und dann sind endlich – wie er selbst schreibt – solche Erscheinungen wie die 3-Monats-Promotion eines 23-jährigen, aber auch solche Jahrzehntelangen Erpressungen wie in meinem Fall, unmöglich. Traute man sich auf geschichtliches Glatteis könnte man sagen, daß wir schon wieder einmal die Hilfe der Allierten brauchen um mit unserem eigenen Mist fertigzuwerden.
Eigentlich müßte man solche Leute wie diesen Professor mitsamt seinem Doktoranden rausschmeißen – allein schon aufgrund dessen, was er in diesem Artikel da schreibt. Aber in Deutschland sind Professoren auf Lebenszeit verbeamtet. Komischerweise habe ich noch nie einen schreien gehört, daß man diese Verbeamtung abschaffen soll, weil es die an den renommierten Spitzenuniversitäten auch nicht gibt. Es ist auffällig, daß im Vergleich zu besseren Universitäten immer nur das herangezogen wird, was den Professoren dort besser gefällt – höhere Gehälter zum Beispiel.
Und dann wieder diese Rabulistik:
Fest steht, Akkreditierung garantiert vor allem Gleichbehandlung und Einheitsbrei, aber keine Qualität. Innovation und Fortschritt, also auch zukunftsweisende Studiengänge und bahnbrechende Organisationsformen an Universitäten wie auch anderswo, entstehen durch das ewige Spiel von Versuch und Irrtum, durch das Aussortieren schlechter und das Überleben der besseren Modelle.
Akkreditierung garantiert vor allem Gleichbehandlung. Gleichbehandlung ist ein Verfassungselement, geht für Prüfungen usw. zwingend aus dem Grundsatz der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und dem freien Zugang zum Amt (Art. 33 II GG) hervor. Auf die dieser Professor seinen Amtseid abgelegt und offensichtlich noch nie darüber nachgedacht hat.
Das ewige Spiel von Versuch und Irrtum kann man im Labor treiben, mit Software, mit Chemikalien. Schon bei Laborratten wird es ethisch fragwürdig, wenn man da einfach mal mit Versuch und Irrtum drangeht, wenn man auch durch Nachdenken draufkommen könnte. Aber müssen ausgerechnet Studenten für die Versuchs- und Irrtumsexperimente herhalten? Sind die ethisch und rechtlich weniger wert als Laborratten? Außerdem setzt Versuch und Irrtum voraus, daß man Irrtümer erkennt und daraus lernt. Ich wüßte nicht, daß deutsche Universitäten sich jemals für die Irrtümer ihrer Ausbildung interessiert hätten. Schon daher erscheint „Versuch und Irrtum” nur als Euphemismus für „Planlos und Inkompetent”. Denn die Rückkopplung fehlt.
Und wenn er dann schreibt, daß EDV-Erfinder das schon lange wüßten, dann fühle ich mich von dem Mann – oder von seiner Inkompetenz – beleidigt. Denn ich arbeite als Informatiker keineswegs nur nach Versuch und Irrtum, sondern plane und muß Qualität sicherstellen. Er selbst scheint sich aber auf Versuch und Irrtum zu reduzieren.
Ob die Vorlesung X von Professor Y oder Professor Z gehalten wird, ist für den Erfolg der Lehre meist von weit größerer Bedeutung, als ob dafür drei, sieben oder zehn Wochenstunden vorgesehen sind. Wie kann ein Mensch, der sich bei vollem Verstand befindet, allen Ernstes glauben, der Erfolg und die Qualität einer Lehrveranstaltung sei durch das Modulhandbuch garantiert?
Ganz einfach: Wenn die Ausbildungen der Professoren Y und Z nicht so weit auseinandergelegen hätten und die Berufungsverfahren nicht so absurd unbrauchbar wären, dann wäre die Streuung nicht so weit. Wenn der Erfolg davon abhängt, ob Professor Y oder Z die Vorlesung hält, dann heißt das, daß die Noten in einem nicht zu verantwortenden Maß von Umständen abhängen, die nicht in der Person des Prüflings liegen und nicht von dem zu verantworten sind. Ich habe selbst zu viele Informatik-Professoren erlebt, die das Fach nicht beherrschten und nach Gutdünken lehrten oder nicht lehrten, was ihnen gerade in den Sinn kam. Von einer Berufsausbildung konnte da keine Rede sein. Und genau das gilt es zu verhindern.
Ich habe das für die Akkreditierung der Studiengänge Datenanalyse und Datenwissenschaft an meiner eigenen Fakultät in Dortmund einmal überschlagsmäßig nachgerechnet. Hier waren zehn Hochschullehrer zusammen mit ebenso vielen Mitarbeitern sowie mehreren Verwaltungskräften ein halbes Jahr mit durchschnittlich rund vier bis fünf Stunden die Woche beschäftigt, die diversen Unterlagen zusammenzustellen und die Akkreditierung vorzubereiten. Das sind je acht Mann-Monate Hochschullehrer sowie Mitarbeiter oder in Geld gerechnet rund 90 000 Euro.
Wegen 8 Mann-Monaten regt der sich auf? Ich kenne Studenten, die vier Semester auf einen Prüfungstermin warten mußten. Die Arbeitszeit, die es mich während des Studiums gekostet hat, weil schlechte Vorlesungen von planlosen, inkompetenten Professoren – oder irgendwelchen anderen Leuten – gehalten wurden, liegen weit darüber.
Und wieder müßte man fragen, was dieser Statistik-Professor eigentlich von Statistik versteht: 8 Mannmonate sind ungefähr 8 * 20 * 8 = 1280 Stunden. Nimmt man an, daß nur 100 Studenten pro Jahr die Studiengänge studieren und jeder Student im Laufe seines Studiums nur 10 Stunden Arbeit durch die Verbesserungen spart, hat sich der Arbeitsaufwand der Professoren schon im zweiten Jahr volkswirtschaftlich amortisiert. Dabei kann das Korrigieren nur geringfügiger Mängel zu weitaus mehr Arbeitsersparnis als nur 10 Stunden pro Student führen, und es wird auch mehr als nur 100 Studenten betreffen, also kann man vermuten, daß sich diese Arbeit schon im ersten Semester volkswirtschaftlich lohnt. Und trotzdem kommt dieser Professor hier an und zetert, daß er etwas haben arbeiten müssen. Man beachte dabei, daß der Mann Statistik und Wirtschaftsforschung lehrt, es als von Berufs wegen besser wissen muß. Gezeter zur Erhaltung der Faulheit, sonst nichts. Welche Kosten den Studenten entstehen aus seinem „Versuch und Irrtum” entstehen, interessiert den Mann nicht. Laborratten. Die Aussage, daß das Akkreditierungswesen teuer ist, ist nicht haltbar, sondern nur ein Vorwand dafür, daß der Mann zu faul ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Und dafür ist ihm jede noch so billige Unwahrheit, jede rhetorische Täuschung recht. Wie die meisten deutschen Professoren behauptet der offenbar alles, was seinen Interessen dienlich ist. Die Quintessenz ist wieder einmal und wie so oft, daß man einem deutschen Professor unbesehen gar nichts glauben kann und darf, sondern wirklich jeden einzelnen Aspekt seiner Behauptungen nachprüfen und hinterleuchten muß. Was als Wissenschaft daherkommt, ist zur Interessenmaklerei verkommen.
Der wesentliche Punkt liegt in seinen eigenen Aussagen: Drittklassige Universitäten fürchten die Akkreditierung. Und faule Professoren fürchten die Arbeit. Die Intention, die hinter solchen Plädoyers steht ist die, daß man auch künftig das Arbeiten vermeiden, das Arbeits- und Kostenrisiko auf Studenten abwälzen und Doktorgrade nach geringstmöglicher Arbeit per Handschlag vergeben möchte.
Die deutschen Universitäten als Hort der Drittklassigen, die sich mit allen Mitteln gegen den Arbeitsaufwand zum Erreichen der Zweitklassigkeit wehren wollen. Ironischerweise macht er ausgerechnet den Verfechtern der Akkreditierung genau den Vorwurf, der auf das deutsche Hochschulsystem paßt:
Vermutlich hätte Bill Gates, der ja sein Studium ohne Abschluss abgebrochen hatte – sozusagen eine verkorkste Existenz -, in Deutschland noch nicht einmal eine Lizenz für das Ausbilden von Lehrlingen bekommen. Wie in vielen anderen Lebensbereichen ist das Akkreditierungs- und Lizenzierungsunwesen vor allem ein Trick der Etablierten, Satten und Faulen, sich die Konkurrenz von jungen, innovativen Konkurrenten vom Leibe zu halten.
Ausgerechnet einen Bill Gates als Vorbild der Wissenschaft hinzustellen, der mit minderwertiger Software, zusammengekauftem und geklautem Material, rüden Marktmethoden und dreckigen Mitteln arbeitet und der Computertechnik und dem Markt weit mehr Schaden als Nutzen gebracht hat, und daraus Milliarden scheffelt, als Vorbild für die Wissenschaft zu nehmen, spricht für sich. Ein Trick der Etablierten, Satten und Faulen, sich die Konkurrenz von jungen, innovativen Konkurrenten vom Leibe zu halten. Besser hätte man die Zustände an deutschen Fakultäten, die Promotions- und Berufungsverfahren nicht beschreiben können. Etabliert, satt, faul, die Konkurrenten vom Leib halten. Das ist genau der Ist-Zustand unserer Professoren, den es zu beheben gilt.
Was bin ich froh, daß die Europäer, daß die Briten uns den Bologna-Prozess bringen und solchen Professoren wie diesem hier Einhalt gebieten.
Fragen muß man sich allerdings, welche Interessen hinter Academics.de stecken, wenn man solchen Interessenschwätzern ein Sprachrohr bietet.
2 Kommentare (RSS-Feed)
Oh, ich glaube ich kenne das ziemlich gut, und habe in manche Aspekte weit tiefer reingesehen als die meisten derer, die Professoren sind. Kann man u.a. hier nachlesen. Nur kann und will ich nicht vor jeden Blog-Artikel erst mal einen längeren Aufsatz darüber schreiben, warum ich mich für befugt und privilegiert genug halte, daß mir eine eigene Meinung zustünde. Ich bin außerdem der Meinung, daß es auf das ankommt, was man schreibt und nicht darauf, wer man ist und was man vorher getan hat, was Sie offenbar anders sehen. Wer sind Sie überhaupt, daß man sich da Ihnen gegenüber erklären müßte?
Es ist mir bewußt, daß man im Hochschulbereich niemandem eine eigene, noch dazu abweichende Meinung zugesteht, der sich nicht erst einmal als „anerkannt Dazugehöriger” ausweist. Und ganz typisch für den Kommentar eines Professors, der Sie ausweislich Ihrer Webseite (ich habe mir erlaubt, in Ihrer Angabe web…. durch http://www... zu korrigieren) nicht die unerwünschte Aussage oder Meinung angegriffen wird, sondern der als Person entwertet werden soll, der sie äußert.
Ich habe mich über 10 Jahre mit Korruption, Forschungsbetrug, Vetternwirtschaft, Schutzgelderpressung, Ämterpatronage, Prüfungsrecht und extremer professoraler Inkompetenz beschäftigt. Und der Bologna-Prozeß ist ja nicht ein Unglück, das über die Deutschen hereinbricht.
Der Bologna-Prozeß steht vor dem Hintergrund, daß einige Hochschulsysteme in Europa – und da ist besonders das Deutsche negativ aufgefallen – so undurchsichtig und nicht nachvollziehbar sind, daß die Abschlüsse überhaupt nicht mehr vergleichbar und auch nicht mehr inhaltlich interpretierbar sind.
Beispielsweise ist die Promotion in Deutschland längst zu einem einzigen großen Betrugs- und Korruptionssystem verkommen (zu dem ich mir mit Blick auf Ihren Standort den Hinweis erlaube, daß die ETH Zürich da mit eingebunden und selbst auch nicht besser ist), in dem Doktorgrade willkürlich und immer öfter gegen Geld und ohne greifbare Leistung vergeben werden. Zudem halte ich Deutschland für eines der Länder mit der höchsten Quote an Forschungsbetrug.
Eine Akkreditierung habe ich noch nicht mitgemacht, aber ich kann Ihnen versichern, daß sie gewiß schwieriger wäre, wenn ich den Akkreditierungsprozeß entworfen hätte. Ich bin im Industriebereich tätig, und da wird weitaus mehr ge- und überprüft als an den Universitäten, wo das Gejammer schon über geringe Anforderungen groß ist. Im Industriebereich gibt es diverse Überprüfungen, Zertifizierungen, ISO-Normen usw. Im Hochschulbereich gibt es dagegen nichts Ernsthaftes. Ich habe es mitgemacht, daß eine – angeblich führende – deutsche Universität und eine ganze Reihe von Professoren völlig außerstande waren, auch nur entfernt und ansatzweise zu erklären, was die Anforderungen in einem Promotionsverfahren sind und wie und wonach bewertet wird. Schon mit einfachsten fachlichen Fragen waren die Leute hoffnungslos überfordert und haben reihenweise Gutachten gefälscht, schon weil sie nicht in der Lage waren, ordentliche Gutachten zu schreiben. Man hat das deutsche Hochschulsystem mit inkompetenten Leuten geflutet, die EU hat’s gemerkt und Anforderungen gestellt, die genau diese Leute nicht erfüllen können (was ja gewissermaßen Zweck der Übung ist). Und über die Blamage ist das Geschrei jetzt groß. Zum ersten Mal steht das deutsche System vor einer Qualitätsprüfung (die man bisher immer zu verhindern wußte), und prompt fällt es durch.
Vor diesem Hintergrund ist es zwingend und notwendig, daß man die Deutschen zwingt, endlich mal ihre Studiengänge aufzuräumen und klare, vergleichbare Abschlüsse zu bilden. Denken Sie mal darüber nach, welchen Schaden unser Hochschulsystem den Auszubildenden zufügt, weil es nicht auf Ausbildung, sondern nur auf Forschung und Professorenbequemlichkeit ausgelegt ist.
Ein tragischer Irrtum war jedoch, daß man einem Land, das zu korrupt und unwillig ist, um ordentliche Studiengänge und Abschlüsse aufzubauen, aufgegeben hat, die Reparaturen selbst durchzuführen. Das konnte nicht funktionieren. Dazu kam übrigens heute morgen im ARD Presseclub eine interessante Diskussion, in der auch anklang, daß nicht der Bologna-Prozeß das Problem ist, sondern daß die Deutschen es wieder einmal verbockt haben.
Davon abgesehen gehen mir die Desinformationskampagnen und der Lobbyismus deutscher Professoren gewaltig auf den Wecker.
Wer oder was ist denn hier dümmlich? Herr Danisch nennt den Artikel dümmlich, unseriös, pseudoargumentativ, interessengeprägt, spricht von substanzlosem Geschwafel, schwülstigen und gewaltigen Formulierungen und Zitierungen, von oberflächliche Rhetorik,etc. und wirf dem Autor vor, “daß überhaupt kein argumentativer – wissenschaftlicher – Gedankengang mehr aufgebaut wird”. Na ja, die Replik ist ehrlich gesagt noch dümmlicher etc. pp. Wie gut kennen Sie Hr. Danisch das deutsche Hochschulsystem denn von innen? Wieviele Akkredidierungen haben Sie denn schon mitgemacht? Und wie sind ihre konkreten Erfahrungen mit dem Bolognaprozess an einer Hochschule? Wie oft haben Sie sich mit internationalen Hochschul-Kollegen zu dem Thema ausgetauscht? Und es ist schon mehr als amüsant wie Sie ihre offensichtlich dogmatische Ablehnung von Microsoft mit der Akreditierung in Zusammenhang bringen.