Ich protestiere als Bürger und Wähler
Jetzt treibe ich mal etwas paradoxes: Ich verteidige einen, der sich den Doktorgrad gekauft hat.
Als ich in Urlaub war, habe ich das so am Rande verfolgt: Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper habe sich bei der berüchtigten Schweizer Titelschleuder „Freie Universität Teufen” einen Doktortitel gekauft (vgl. auch diesen URL), so der Vorwurf. (Ich möchte allerdings nicht unerwähnt lassen, daß mir auch ein Professor der ETH Zürich zu seinem schlechten Promotionsgutachten schrieb, daß man bei einem „kostenlosen” Gutachten nicht mehr erwarten kann, bei denen promoviert man also auch gegen Schmiergeld. Man sollte nicht immer nur auf die offizielle Titelschleuder Teufen schauen.). Naja, und weil es so schlimm sei, und man die Wähler getäuscht habe, wurde als die Aufhebung der Immunität beantragt (anscheinend wurde sie auch aufgehoben), und die Staatsanwaltschaft Münster hat ein Verfahren wegen Titelmißbrauchs eingeleitet. (Quellen z. B. 1, 2, 3)
Nachdem ich ja nun selbst schon den einen oder anderen Geld-Doktor angezeigt habe, müßte man ja eigentlich erwarten, daß ich mich darüber freue und das hier im Blog spitz beschreibe. In diesem Fall habe ich aber eine andere Auffassung.
Mein Schreiben an den Bundestagspräsidenten und die Staatsanwaltschaft:
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrte Damen und Herren von der Staatsanwaltschaft Münster,
ich protestiere hiermit als Bürger und Wähler dieses Landes gegen die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Dieter Jasper zur Eröffnung eines Strafverfahrens wegen Titelmißbrauchs durch die Staatsanwaltschaft Münster. Ihm wird laut Presse vorgeworfen, einen nicht durch wissenschaftliche Leistung sondern durch Geld von der Freien Universität Teufen (Schweiz) erworbenen Doktorgrad geführt zu haben.
Ich erhebe daher Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie jede andere zuständige Stelle, und fordere Sie auf, die Immunität nach Art. 46 Abs. 4 GG wiederherzustellen.
Zur Begründung:
Das Immunitätsrecht bezweckt nicht den Schutz des Abgeordneten vor Strafverfolgung schlechthin. Es soll den Abgeordneten aber vor Willkür und politisch motivierten Übergriffen und die Effektivität der Wahl schützen. Diese Schutzfunktion ist hier verletzt.
Ich befasse mich seit rund 10 Jahren mit den Themen Titelhandel, Forschungsbetrug, Wissenschaftskorruption und Hochschulkriminalität. Ich bin der festen Auffassung, daß ein solches Verhalten, sich einen Doktorgrad gegen Geld zu beschaffen und ohne hinreichende wissenschaftliche Leistung zu führen, für sich betrachtet strafbar und strafwürdig ist, und daher auch bestraft werden muß.
Es kann aber nicht angehen, daß man dies in der Allgemeinheit nicht verfolgt und nur in ausgewählten Einzelfällen zum Zwecke politischer Entwertung eines gewählten Abgeordneten als Vorwand heranzieht. Hier müssen gleiches Recht und gleiche Maßstäbe für alle gelten. Gerade das ist hier aber verletzt.
Wie der Presse zu entnehmen war, hat Dieter Jasper seinen Wahlkreis Steinfurt III nur ganz knapp mit 2.000 Stimmen Vorsprung gewonnen. Zwar wurde darüber spekuliert, ob dieser Vorsprung mit dem falschen Doktorgrad erzielt wurde. Ich habe aber eher den Eindruck, daß hier durch eine gezielte Kampagne gerade in einem knappen Wahlkreis ein Kandidat einer anderen Partei Vorteile erzielen will und damit eine Wählermanipulation begangen wird.
Zur weiteren Erläuterung:
Daß ein Doktorgrad nicht für wissenschaftliche Leistung, sondern gegen Geld vergeben wird, ist kein Einzelfall, sondern passiert an deutschen Universitäten überaus häufig.
Wir können aber nicht die, die sich an deutschen Universitäten ihren Doktor kaufen, besser behandeln als die, die ihn in der Schweiz oder Südamerika oder wo auch immer kaufen. Wir haben in Deutschland kein Monopol auf Titel- und Promotionshandel, auch wenn sich viele Politiker und Professoren gerade so benehmen.
Die deutsche Promotion ist seit dem späten Mittelalter ein Akt der Korruption und trat als käuflicher Grad neben die nur durch Geburt zu erwerbenden Adelstitel. Deshalb hat sich in Deutschland auch die Habilitation herausgebildet, weil der Doktor seine Funktion als Befähigungsnachweis völlig verloren hat.
Zwar sind solche Praktiken durch das Grundgesetz und ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1991 ausgeschlossen, daran hält sich aber niemand. Kein einziges Bundesland hält die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an berufsbezogene Prüfungen ein. Es gibt kein Hochschulgesetz, in dem genau geregelt wäre, was die Promotion eigentlich ist. Damit fehlt es an der vom Bundesverfassungsgericht zwingend vorgeschriebenen gesetzlichen Grundlage. Es gibt Gerichtsentscheidungen, wonach der Promotion in Deutschland keine Ausbildung, kein reguläres Prüfungsverfahren und keine vergleichbaren Maßstäbe zugrundeliegen. Die angewandten Maßstäbe sind extrem willkürlich und nicht zur Bewertung einer Prüfungsleistung geeignet. Schon daher ist fraglich, ob die Promotionen anderer Abgeordneter wesentlich besser sein können und worauf die Ungleichbehandlung beruht.
Ironischerweise stellen manche Landesgesetze (z. B. Baden-Württemberg) zur Anerkennung ausländischer Grade Anforderungen an das Prüfungsverfahren, die die deutsche Promotion nicht erfüllt. Schon daran zeigt sich, daß man an ausländische Promotionen viel schärfer bewertet als deutsche. Was ebenfalls den Eindruck erweckt, daß man eine Art Monopol für Titelhandel anstrebt und dies nur bei deutschen Universitäten billigt.
Die Bundes- und Landesregierungen haben es bisher versäumt, die Promotion nach den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu regeln. Stattdessen wird unter dem Schlagwort der “Autonomie der Hochschulen” die Korruption an Hochschulen geradezu erzwungen und gezüchtet. In § 34 Absatz 3 Satz 3 des Bundesbesoldungsgesetzes vom 5.2.2009 hat man sogar private Zahlungen an verbeamtete Professoren legalisiert, was den erklärten Zweck hat, Zahlungen zu ermöglichen, die zuvor als strafbare Korruption galten (BT-Drucksache 15/4144).
Während man andere Länder des Titelhandels beschuldigt, bedient man sich in Deutschland gezielt des Titelhandels und der Korruption, um Geld zu sparen. Beispielsweise stellte sich an der Universität Karlsruhe heraus, daß man dort im großen Maßstab für die Annahme von Diplom- und Doktorarbeiten Schmiergeld forderte. Der Rektor erklärte gegenüber dem SPIEGEL (http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,482827,00.html), daß die Promotion nicht der Prüfung von Wissen, sondern dem Kontakt zur Industrie diene. Eine kaum verkappte Umschreibung der Promotion als Handelsgegenstand.
Und tatsächlich ist es auch so, daß es in Deutschland aufgrund der Gesetzeslage praktisch keine Möglichkeit gibt, einen Doktorgrad, den jemand führt, zu überprüfen. Man gewinnt den Eindruck, daß die Politik den Promotionsschwindel und Titelhandel besonders schützt und deshalb die Nachprüfung und Aufdeckung gezielt erschwert. Immerhin gibt es in Zusammenhang mit den Bolognaprozessen auch Äußerungen der deutschen Regierung, daß man die Zahl der Promotionen unbedingt erhöhen wolle. Gleichzeitig buhlt man um privates Geld und Drittmittel.
Um ein paar konkrete Beispiele anzusprechen:
- Die Promotion der Bundesfamilienministerin Kristina Köhler/Schröder wurde in der Presse stark kritisiert. Ich habe deren Dissertation deshalb näher untersucht. Eine wissenschaftliche Leistung ist darin nicht zu finden. Sie erklärt sogar im Vorwort, daß sie wissenschaftliche Betrachtungen unterlässt und dies nicht für notwendig erachtet. Dreister geht es kaum.
Gegenüber der Presse äußerte sich die Ministerin darüber, daß viele Teile der Dissertation von anderen, bezahlten Kräften erstellt wurden. Da bleibt aber nichts übrig, was sie selbst gemacht hat, zumal solche Fremdarbeiten nach der Promotionsordnung unzulässig sind. Außerdem enthält die Arbeit eine Reihe grober fachlicher Mängel und Fehler, und ist insgesamt substanzlos. Die Fragen des Fragebogens wurden sogar von anderen Fragebögen übernommen, sind also keine Eigenleistung. Die Promotion erfolgte zu Unrecht, die Dissertation ist eine Attrappe. Ich halte diese Promotion für Forschungsbetrug.
Dazu kommt Korruption, denn Frau Schröder hat nach eigener Darstellung einen Mitarbeiter für die Erstellung bezahlt, und der Doktorvater Professor Falter steht in enger Beziehung zur hessischen CDU, aus der Frau Schröder stammt. Er ist häufig in Talk-Shows, auf Parteitagen usw. und erhält damit auch finanzielle Zuwendungen. Das ist Bestechung.
Es liegt auf der Hand, daß auch diese Promotion nicht durch wissenschaftliche Leistungen sondern durch Geld, Beziehungen und politischen Einfluß erworben wurde und es sich damit ebenfalls um einen gekauften Doktorgrad handelt. Ich halte diese sogar für schlimmer und mißbräuchlicher, denn hier werden nicht nur die Leistungen Dritter als eigene ausgegeben, sondern auch noch in übler Weise eine ostdeutschenfeindliche Politik als Wissenschaft ausgegeben und dadurch zu unterlegen versucht.
Trotzdem wird gegen Frau Schröder weder ein Strafverfahren eingeleitet noch deren Immunität aufgehoben.
Warum gelten für Frau Schröder andere Maßstäbe als für Herrn Jasper?
- Erst kürzlich wurde dem Millionär Carsten Maschmeyer für dessen Geldzuwendung an die Uni Hildesheim ein Ehrendoktorgrad verliehen. Auch das ist ein Doktorgrad, für den regulär keine Dissertation, aber eine wissenschaftliche Leistung nach demselben Wissenschaftsbegriff wie bei einer normalen Promotion vorliegen. Er hat aber keine solche Leistung, da ist nur Geld geflossen. Auf meine Strafanzeige hin kam die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hannover zu dem Ergebnis, daß dies nicht zu beanstanden sei, weil nach der dortigen Promotionsordnung der Doktor auch für “kulturelle Verdienste” vergeben werden könnte – und Geldzahlungen an die Universität sieht man dort als kulturellen Verdienst an.
An der Universität Hildesheim ist also der Titelhandel direkt in die Promotionsordnung eingebaut. Das Rektorat unterhält quasi einen Werksverkauf. Carsten Maschmeyer hat sich für diese Promotion aber nicht nur anschließend in das goldene Buch der Stadt eingetragen, sondern der Ministerpräsident von Niedersachen Christian Wulff persönlich hat auch noch die Laudatio gehalten.
Wie kann es angehen, daß von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird, wenn man den Doktorgrad in der Schweiz kauft, aber von einem Ministerpräsidenten gelobt wird, wenn man ihn in Deutschland kauft?
Wie ist es zu vertreten, daß man bei einer Schweizer Universität den Staatsanwalt schickt, aber in Hildesheim einen Ministerpräsidenten zur Laudatio?
Und wie ist es überhaupt zu rechtfertigen, daß man einen deutschen Abgeordneten wegen etwas verfolgt und dessen Immunität aufhebt, was man in Hildesheim und bei der Staatsanwaltschaft Hannover als völlig legal und sogar in einer Promotionsordnung ausdrücklich zugelassen ansieht?
Hätte man den Abgeordneten Jasper auch verfolgt, wenn er seinen Doktorgrad statt in der Schweiz an der Uni Hildesheim eingekauft hätte?
Oder geht es hier am Ende darum, den deutschen Markt für käufliche Doktorgrade vor ausländischer Billig-Konkurrenz zu schützen?
- Auch die Milliardäre und Millionäre Hans-Werner Hector, Hubert Burda, Hasso Plattner, Horst Görtz haben Doktorgrade von deutschen Universitäten erhalten, obwohl keine wissenschaftliche Leistung, in jedem Falle aber erhebliche Geldzuwendungen vorliegen.
Beim Fall Hector meinte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe beispielsweise, daß die Bestechungshandlung wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann, und daß ein Titelmißbrauch nicht vorliege, weil der Grad ja nun – auch wenn er nur gegen Geld vergeben wurde – de facto vergeben wurde. Hans-Werner Hector führt diesen Doktorgrad auch öffentlich.
Hier wird der Titelmißbrauch nicht verfolgt, weil Herr Hector der Universität Karlsruhe soviel Geld zuwendet, daß das Land Baden-Württemberg ein erhebliches eigenes Interesse daran hat.
Wieso aber werden gekaufte Doktorgrade dann nicht mehr verfolgt, wenn erhebliche Zahlungen an eine deutsche Universität vorliegen? Werden hier nur die verfolgt, die wenig oder an andere zahlen?
Ab welchem Geldbetrag an deutsche Bundesländer wird denn von einer Strafverfolgung abgesehen?
Hätte der Abgeordnete Jasper so wie diese Millionäre und Milliardäre einfach mehr Geld hingelegt, hätte man ihn nicht nur gefeiert, sondern noch den Titel des Ehrensenators obendrauf gelegt. Diesen Phantasietitel haben nämlich einige Universitäten extra dafür geschaffen, wenn Geldgebern noch mehr als nur ein Doktorgrad verliehen werden soll.
- Auch die Praxis der Anerkennung ausländischer Doktorgrade ist objektiv willkürlich. Beispielsweise gilt die Freie Universität Teufen als Titelschleuder, während die ETH Zürich bisher nicht angezweifelt wird. Es hat sich aber gezeigt, daß die dortigen Promotionsverfahren rechtsstaatlichen Anforderungen und den deutschen Anerkennungsregeln nicht genügen, und daß eine deutsche Universität von der ETH Zürich Zweitgutachten nach Wunsch anfordern konnte. Die Bewertung wurde nach Wunsch der deutschen Uni erstellt, die Dissertation erst gar nicht gelesen. Auch bei einem anderen Gutachten konnte die ETH bewußter Falschaussagen überführt werden. Ein Professor der ETH Zürich hat gegenüber einem deutschen Gericht erklärt, daß seine Promotionsgutachten davon abhängen, ob er dafür Geld bekommt. Auch an der ETH Zürich kommt umfangreicher Promotionsschwindel vor, trotzdem werden deren Doktorgrade ohne erkennbaren Grund hier anerkannt.
Die deutsche Praxis, welche ausländischen Doktorgrade als seriös angesehen und anerkannt und welche abgelehnt werden, ist daher objektiv willkürlich und nicht nachvollziehbar.
Man muß also zu dem Ergebnis kommen, daß hier abweichend von der allgemeinen Praxis ganz gezielt ein einzelner Abgeordneter herausgesucht und im Wege der politischen Intrige an die Wand gestellt wurde. Und wie die Presse berichtete, geht der Vorgang auf den gegnerischen SPD-Abgeordneten, einen Theologen zurück.
Ich bin, wie gesagt, durchaus der Auffassung, daß das Führen solcher Doktorgrade strafbar und strafwürdig ist.
Man kann sich aber nicht einzelne Leute rausgreifen, wo man glaubt, daß sich damit Wahlergebnisse ändern und gewählte Abgeordnete abschießen lassen. Denn das ist dann genau die Einflußnahme von außen auf das gewählte Parlament, vor der das Immunitätsrecht schützen soll.
Insbesondere kann ein Bundestag nicht glaubwürdig sein, der einerseits still und klammheimlich private Zahlungen an Professoren gesetzlich legalisiert, auch ansonsten den Titelhandel und Forschungsbetrug in jeder Hinsicht gesetzlich fördert und die Aufklärung erschwert, sich eine Bundesministerin mit einer faulen Promotion leistet, und dann einen einzelnen Abgeordneten öffentlich an die Wand stellt.
Und überaus fragwürdig ist dann auch, daß die Bundesregierung eine Universität zur Exzellenzuniversität erhob, obwohl gerade da Schmiergeld für die Annahme von Dissertationen und Diplomarbeiten verlangt wurde. Der Titelhandel wird doch in Deutschland geradezu politisch geadelt und zum Prinzip erklärt.
Warum überprüft man eigentlich nicht die Promotionen der anderen Politiker und der Mitarbeiter in den Bundesministerien?
Wenn doch angeblich, wie die SPD gegen den Abgeordneten Jasper vortrug, faule Promotionen zu Wahlverfälschungen führen und Strafverfahren und Immunitätsaufhebungen rechtfertigen, dann müßte man das doch von allen Abgeordneten überprüfen, die im Wahlkampf mit Doktorgrad aufgetreten sind. Immerhin unterliegt die Promotion ohnehin dem Öffentlichkeitsprinzip.
Mit freundlichen Grüßen
Hadmut Danisch
2 Kommentare (RSS-Feed)
Ei verflixt. Danke.
Verschluckte Wörter:
“Als ich in Urlaub war, habe ich das so am Rande verfolgt: Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper habe sich bei der berüchtigten Schweizer Titelschleuder „Freue Universität Teufen” (vgl. auch diesen URL), so der Vorwurf.”
” … habe sich …] einen Titel gekauft […, so der Vorwurf.”
Beispiele, 2.: “Auch das ist ein Doktorgrad, für den regulär keine Dissertation, aber eine wissenschaftliche Leistung nach demselben Wissenschaftsbegriff wie bei einer normalen Promotion vorliegen.”
“… vorliegen müßte.”