Das sozio-akademische Versagen
am Beispiel der Wikipedia. Trifft das auch allgemein auf unsere „Wissenschaft” zu?
Auf Telepolis ist ein interessanter Bericht über eine Theorie über das Versagen von Wikipedia erschienen.
Liest sich interessant und überwiegend plausibel.
Daß die (insbesondere deutsche) Wikipedia ein Problem hat, ist bekannt. Da haben sich selbst- (der gegenseitig) ernannte Wahrheitswächter aufgeschwungen, alles zu löschen, was ihnen nicht in den Kram paßt.
Zumindest soweit ich das am Rande mitverfolgt habe, habe ich schon beobachten können, daß die Löschungen immer eine gewisse spezifische Weltsicht aufrechterhalten, eine ideologische Tendenz ist sichtbar. Zitat aus dem Artikel:
Die Schalter der Macht seien klar verteilt, die Wikipedia werde von einer Oligarchie kontrolliert, die sich langjährig sozialisiert habe. Es sei seit etwa vier Jahren nicht mehr möglich, innerhalb der Wikipedia-Community aufzusteigen, ohne die im inneren Machtbereich vertretene Ideologie größtenteils zu übernehmen. Schlüsselpositionen würden verteidigt.
Das ursprünglich als offen angelegte System ist degeneriert, weil es gerade durch seine Offenheit anfällig gegenüber dem Aufbau von Sozialstrukturen war, die der ursprünglichen Absicht entgegenstanden.
Clique schlägt Argumente
Vehement forderte Fossa den Abbau informeller Barrieren. So beklagte er den bislang eher nur Insidern bekannten Internet Relay Chat (IRC) , in dem sich die Admins hinter den Kulissen abstimmen. Während sich die Wikipedia gerne als transparent und fair gibt, ist es ein offenes Geheimnis, dass die eigentlichen Entscheidungen unsichtbar intern getroffen werden. Bisweilen werde gar vom “Chat Mob” gesprochen, dessen Existenz man offener kommunizieren müsse, um Vertrauen zu schaffen. […]
Um mehr Transparenz zu schaffen, regt Fossa Wikipedia-Autoren zur Veröffentlichung ihrer Wikipedia-Freundesliste an. Hinter jedem Namen solle markiert werden, ob ein Benutzer seinen Wikipedia-Kollegen auch mal persönlich begegnet ist usw. Der Soziologe merkt an, dass ein soziales System stärker sei als ein kommunikatives System (Clique schlägt Argumente). Dritte könnten dann einordnen, mit wem sie es denn zu tun haben und welche soziale Position einem Autor oder Admin in der Wikipedia zukommt.
Und wenn ich das so lese, dann drängt sich mir sofort der Gedanke auf: Das ist nicht nur bei Wikipedia so. In unserer „Wissenschaft” (besonders im Universitätssystem) geht es genauso zu, nur viel schlimmer.
Auch hier gibt es ein scheinbar offenes System, das hinter den Kulissen von von Cliquen regiert wird. Um etwas sagen zu können, muß man in der Hierarchie aufsteigen und dazu eine Ideologie übernehmen. In der scheinbar offenen Publikationspraxis wird in Wirklichkeit im Hintergrund heftig zensiert. Und es wird bewußt nur das zur Kenntnis genommen, nur das als „wissenschaftlich” angesehen, was innerhalb des kontrollierten Zensurkreislaufes erscheint. Alles andere wird ausgeblendet, und das ganze mit dem Euphemismus „Peer Review” bezeichnet.
Letztlich muß man aber fragen, ob dieses ganze Problem gar nicht wikipedia- oder wissenschaftsspezifisch, sondern umgekehrt ein generelles soziologisches Problem ist, und Strukturen wie Wissenschaft oder Wikipedia besonders anfällig dagegen sind.
Das unsere „Wissenschaft” nichts mit Wissenschaftlichkeit am Hut hat, sondern ein Sozialgefüge, eine Clique, eine Bande ist, die gewissen Räuberregeln das reichlich fließende Geld unter sich aufteilt, hab ich ja schon länger gesagt. Wissenschaft ist nur die Tarnung.
3 Kommentare (RSS-Feed)
für die meisten prüfungen an der universität reicht es heute völlig aus, wikipedia gelesen zu haben, weil (!) was in wikipedia falsch wäre, wäre auch in der wisschenschaft falsch (wikipedia ist in manchen dingen sogar skeptischer und manchmal sogar mit beweisen dazu) und was auf wikipedia ausreicht, reicht tatsächlich nicht selten auch für universitäre prüfungen aus (die “forscher” wissen selten mehr als wikipedia weiß). man lernt besser nicht zu viel, sonst fällt man auf (als irgendwas unbeliebtes, das mehr weiß, als es sollte). ich nehme aber an, das ist schon länger so, das internet hats nur noch mal in anderen dimensionen sichtbar gemacht…
baruch de spinoza hat schon gesagt (gegen 1660), dass “die universitäten, die auf staatskosten gegründet wurden, nicht zur befreieung/erweiterung des geistes, sondern vielmehr zu dessen einschränkung gebaut worden sind”. lohnt es sich, mal drüber zu sinnieren…
so, hier mal so ein tolles, äußerst beschämendes beispiel aus der versionsgeschichte von adhs/ads von wikipedia:
Daß es [ADS/ADHS] eine “Krankheit” ist, möchte ich bezweifeln. Trans- und Homosexualität wurde früher auch als Krankheit bezeichnet, heute weiß man, daß die Andersartigkeit keine Krankheit ist, sondern nur das unterdrücken krank macht. Welche frühere Hominiden meinst Du? Der Homo sapiens sapiens hat sich meines Wissens in den letzten 200.000 Jahre nicht mehr viel verändert. Quelle für diese Behauptung bitte angeben, danke. Andro, 18:33, 12. Dez. 2009 (CET) (ohne Benutzername signierter Beitrag von 79.240.73.139 (Diskussion | Beiträge) ) Homophile und sind definitiv krank, und anderssein bzw. wider die Natur sein ist auch definitiv krank. [MUSS MAN DAZU NOCH WAS SAGEN?] Das andere was gegen sowas unternehmen nennt man Aussenseiteragression, und ist ein ethologischer Fakt. Die Liberale/Humanistische/Christliche Propaganda ist so extrem gegen die Darwinsche Lehre, das es fast so schlimm wie Kreationismus ist. (Das war jetzt zwar ein bisschen heftig, aber musste an dieser Stelle mal gesagt werden) Jedenfalls findet Evolution eigentlich immer statt, und auch wenn die Gene sich nicht umbedingt verändern, sind ja Verhaltensweisen auch einer Art Evolution unterworfen. Der moderne Mensch kann natürlich auch Nomadisch leben, aber eben auch anders, was frühere Humide nicht umbedingt konnten. Ein anderes Argument ist eventuell, das überwiegend jagende Kulturen sich überwiegend von Fleisch ernähren, was für ADS-Patienten allerdings genauso ungesund ist wie für (psychisch) Gesunde.(Beleg hierfür wäre der englische Artikel über die Massai) –Pinnipedia
und es findet sich hier:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskussion:Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung&diff=68030667&oldid=68030658
und zwar ganz unten (letzter und vorletzter beitrag)
offen ist was anderes…
ich musste vorhin darüber nachdenken, wie anamßend das eigentlich ist, dass die wikipedia sogar beiträge aus diskussionen löscht! aus artikeln ist ja verständlich, aber die löschen einfach mal teile ganzer kontroversen (auch polemiken sind teil von kontroversen…). das witzige ist natürlich, dass das alles in der history auftaucht. die history der wikipedia ist vielleicht d.i.e. instanz des ganzen unternehmens, die der korrektheit am nähsten kommt, allerdings natürlich auch die aum aufwendigsten zu recherchierende instanz und vor allem völlig unübersichtlich (was wunder, geschichte können wir vernachlässigen und muss auch von niemandem mal verwaltet werden…).
die history solcher artikel wie “wahrheit” oder “ddr” sind bestimmt ein kracher… oder schweinegrippe….oh oho oh und “forschung” usw. ist bestimmt auch sau witzig… und natürlich “geschichte”…
eigentlich finde ich das katalog-prinzip von wikipedia auch bescheuert. im zeitalter des internets ist es offensichtlich unmöglich geworden, dass auch bloß so ein erkenntnisobjekt wie “Salzsäure” mit einem einzigen (normalisierten) artikel vollständig und wenigstens ansatzweise wahrheitsgemäß beschrieben wäre. man müsste mindestens 2 bis 3 artikel zu jedem erkenntnisobjekt haben (wennn nicht unbegrenzt), selbst wenn mehrere autoren einen artikel schreiben, weil da offensichtlich nur meinungen und halbwissen aufgelistet werden können (sind ja alles nOObs). und dann haben die dasselbe prinzip für “salzsäure” und “1789”. oder die unseligkeit, dass das verändern bestimmter artikel verboten ist (wie, interessanter weise, zb. der artikel “scheisse”, der einfach nur “kot” heißt)
und das problem von wikipedia ist nicht offenheit, denn wikipedia ist nicht sehr offen. der regelkatalog für abkürzungen und anweisungsschritte oder begründungen ist (leicht überspitzt gesagt) so dick wie ein sozialgesetzbuch. es braucht schon etwas zeit, sich dem bürokratismus von wikipedia anzupassen (manchmal führen die da einfach nur noch schlachten mit abkürzungen) und es kommen immer neue regeln hinzu; bei neuen regeln muss dann auch die entstehungsgeschichte beachtet werden, um sie korrekt anzuwenden (die niemand verzeichnet, sondern die manche erfahren); es gibt keine wirkliche hilfe für einsteiger; die struktur ist hierarchisch und die autoren, die das meiste und diversifizierteste wissen haben (also das wovon wikipedia insgesamt lebt) sind die autoren, die am meisten gedisst werden, nämlich diejenigen, die keine mitglieder sind (ohne die wäre wikipedia am arsch, aber mit denen führt sie die meisten kämpfe und auch gegen sie, was nicht gerade “zu offen” ist). die anderen spielen einfach nur wächter, haben aber kaum einen blassen schimmer, vor allem nicht, wenn eine sache mal nicht im internet steht (dann ist es einfach fast immer falsch) oder wenn es politisch kontrovers wird – die politisch kontroversen dinge werden fast alle sogar aus diskussionen gelöscht (offen?) und sind nur noch in der history sichtbar.
offenheit ist was anderes…