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Der Lock-Keeper: Schwindel oder Geheimnisverrat?

Hadmut Danisch
28.7.2010 23:44

Eine Groteske über das Hasso-Plattner-Institut, die Präsidentin der Uni Potsdam, das Einsatzführungskommando der Bundeswehr und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Oder: Armer Milliardär…

Wir erinnern uns: Ich habe das Hasso-Plattner-Institut, dessen Personalpolitik und dessen Produkt, den Lock-Keeper, schon öfters kritisiert (z.B. hier und hier). Daraufhin war es zu einem Angriff eines Mitarbeiters des HPI-Leiters Professor Christoph Meinel auf meinen Webserver gekommen. Nachdem die Staatsanwaltschaft das für nicht strafbar hielt, hab ich mir zumindest mal den Spaß erlaubt, Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben. Die Ergebnisse sind kurios.

Die Präsidentin der Universität Potsdam, Frau Professor Dr.-Ing. habil. Dr. phil. Sabine Kunst, war zunächst der Auffassung, daß sie das gar nichts anginge, das Hasso-Plattner-Institut sei völlig selbständig und unabhängig.

Deshalb wurde sie auf meine Beschwerde hin vom Ministerium darüber belehrt, daß das so nicht stimmt. Das HPI firmiert nicht nur unter einem Uni-URL und kooperiert mit der Uni, sondern ist auch mit (beurlaubten) Universitäts-Professoren bestückt. Und deren Disziplinarvorgesetzte ist die Präsidentin Kunst. Das wußte sie noch gar nicht. Jetzt weiß sie es. Also schrieb sie mir dann einen Bescheid, daß meine Beschwerde unbegründet und abzuweisen sei. Darin steht aber kein Wort von dem Angriff. Stattdessen schreibt sie etwas ganz anderes, was nicht Gegenstand der Beschwerde war. Einfach was ganz anderes. Thema verfehlt. Viel scheinen ihre beiden Doktorgrade und die Habilitation nicht gebracht zu haben.

Deshalb wurde sie nun vom Ministerium am 20.7. erneut belehrt. Diesmal darüber, daß ein Beschwerdebescheid irgendetwas mit der Beschwerde zu tun haben sollte. Ich staune immer wieder, was für fragwürdige Leute in Deutschland Professor und sogar Rektor oder Präsident einer Universität werden können. Und bin gespannt, was der dritte Versuch dieser Präsidentin bringen wird.

Dieser Blog-Artikel handelt nun von ihrem zweiten Versuch eines Beschwerdebescheides. Ich hatte mich wegen des Angriffs beschwert. Darauf ging sie in ihrer Antwort überhaupt nicht ein sondern schrieb, daß das Firewall-System des HPI, der Lock-Keeper, ein tolles Produkt sei. Typisch deutsche Universität, Vorwürfe werden nicht untersucht, dafür der Beschuldigte eilig mit Blanko-Lob überschüttet und imprägniert. Aber diese Behauptung ist nun seltsam:

  • Die Präsidentin Sabine Kunst schreibt mir also am 11.6.2010:

    „Im Hinblick auf den Lock-Keeper, der von Herrn Prof. Meinel und seinen Mitarbeitern entwickelt wurde, möchte ich darauf hinweisen, dass dieses System sehr erfolgreich ist. Es wurde von der Firma Siemens lizensiert und vertrieben und findet Einsatz zum Beispiel beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr.”

    Das Einsatzführungskommando ist ja auch gleich um die Ecke, ebenfalls in Potsdam.

  • Weil mir das mehr als komisch vorkam, danach hatte ich ja nicht gefragt, habe ich mich infach mal beim Einsatzführungskommando per Informationsfreiheitsgesetz erkundigt, ob denn das überhaupt stimmt. Am 7.7. schrieb mir der Chef des Stabes persönlich, ein Flottillenadmiral (mit handschriftlicher Anrede und Grußformel – das muß man denen schon lassen: Stil haben sie), das er mir das leider nicht beantworten kann, weil’s geheim sei. Und das ist ja auch richtig so, denn in meiner Anfrage hatte ich auch gefragt, warum’s denn nicht geheim wäre, wenn die Präsidentin das weiß und auch noch ungefragt herumplärrt. Ich fände, das sollte eigentlich geheim sein. Na, und so ist es dann ja auch.

    Allerdings haben sie mir dann doch noch einen Wink mit dem Kanonenrohr gegeben:

    „Das Einsatzsatzführungskommando der Bundeswehr nutzt Produkte/Ausstattungen, welche durch das IT-AmtBw beschafft werden und deren Sicherheit durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geprüft und zertifiziert wird.”

  • Was lag also näher als beim BSI anzufragen, ob denn der Lock-Keeper eine BSI-Zertifizierung hat. An sich schon zweifelhaft, denn wenn sie eine hätten, würden sie den Lock-Keeper zweifellos damit bewerben. Tun sie aber nicht. Und ich halte den Lock-Keeper für so dubios, daß der nicht einmal eine BSI-Zertifizierung bekommen dürfte. Und das BSI antwortete mir heute:

    „Das Produkt Lock-Keeper befindet sich nicht auf der vom BSI veröffentlichten Liste der nach international anerkannten Sicherheitskriterien (insbesondere den Common Criteria) zertifizierten Produkte.

    Die Liste der vom BSI nach diesen Kriterien zertifizierten Produkte finden Sie unter dem Link: [link]

Ach, gar. Die drei Aussagen schließen sich offensichtlich gegenseitig aus. Einer dieser drei sagt die Unwahrheit. Die Frage ist nur, wer.

Interessant ist diese Überlegung: Entweder setzt das Einsatzführungskommando den Lock-Keeper ein, oder eben nicht. Tun sie es nicht, dann hat die Präsidentin Kunst gelogen (oder ist ihrerseits vom HPI angelogen worden). Dann ist anzunehmen, daß sie wissenschaftlich und wirtschaftlich Betrug begeben, indem sie etwas bewerben, was so nicht stimmt.

Oder der Lock-Keeper wird tatsächlich beim Einsatzführungskommando eingesetzt, dann wäre es aber geheim. Dann dürfte die Präsidentin Kunst es selbst nicht wissen und schon gar nicht weitersagen. Da sie Beamtin ist, wäre das ein strafbarer Geheimnisverrat.

In beiden Fällen muß man sich aber fragen, wie kompetent und Vertrauenswürdig das HPI in Bezug auf IT-Sicherheit überhaupt sein kann, wenn sie entweder Kunden erfinden und ihr Produkt mit falschen Behauptungen anpreisen oder Geheimnisse nicht für sich behalten können.

Das wird noch amüsanter (oder peinlicher, je nach Blickwinkel). Auf der Webseite der Firma Actisis, die das Ding in Deutschland vertreibt, geben sie auf der Seite mit den Referenzen für den Lock-Keeper lediglich an:

Testergebnisse Lock-Keeper
IT-Amt der Bundeswehr über den Lock-Keeper:

“Die Sicherheitsfunktionen des Lock-Keepers wurden im Auftrag des Bundesamts für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr unter Mitwirkung der Actisis GmbH für den Einsatz im Bereich der Bundeswehr erfolgreich untersucht.”

Weitere Referenzen können Sie bei Interesse gerne über unser Kontaktformular erfragen.

Ich hab mal über das Kontaktformular gefragt und gar keine Antwort erhalten. Sie haben also keine einzige Referenz im Angebot, daß der Lock-Keeper tatsächlich irgendwo eingesetzt wird. Der Lock-Keeper wurde erfolgreich untersucht. Wann aber ist eine Untersuchung erfolgreich? Wenn das Produkt gut abschneidet, oder wenn die Untersuchung selbst erfolgreich war, indem sie aussagefähige Ergebnisse liefert (z. B. warum das Produkt nichts taugt)?

Mehr als eine Untersuchung scheint’s da nicht gegeben zu haben. Hat der Bundeswehr das schon gereicht?

Müssen die vom HPI und der Uni Potsdam nun schon falsche Angaben zu Kunden machen, weil sie echte nicht haben? Keine einzige echte Referenz? Nicht mal SAP selbst? Das ist ja ein toller Laden.

Das muß man sich mal vorstellen: Die plärren seit Jahren, daß sie die Welt-Elite in IT ausbilden wollen und dann machen sie auf diesem Niveau herum. Ich habe ja schon früher aufgezeigt, daß ein Professor, der an der Uni Karlsruhe wegen wiederholten Versagens komplett unten durch war und von der Fakultät ausgestoßen wurde (und das will was heißen, bedenkt man, was dort schon für unfähige Leute rumlaufen), am HPI Karriere gemacht hat. Die rekrutieren sich aus dem, was andere Fakultäten nicht mehr haben wollen, und behaupten, die Elite auszubilden. Machen auf Professor und so. Dabei ist das HPI nur eine hundsgewöhnliche GmbH, die keine eigenen Professoren benennen und nicht mal selbst prüfen kann. Auch so eine Schwindelnummer: Leute ausbilden wollen, aber sie nicht mal selbst prüfen können. So tun, als wäre man etwas universitäres, dabei hat man sich nur für Geld das Zugeständnis erworben, auf dem Campus rumlaufen und einen Uni-URL verwenden zu können. Was hält denn an diesem Laden überhaupt einer Überprüfung stand?

Gerade erst letzten Freitag, am 23.7., wurde der Erweiterungsbau des HPI eingeweiht, 25 Millionen haben sie reingesteckt, davon 16 Millionen von Hasso Plattner, Rest Fördermittel. Prunk und Protz, guckt Euch mal das Eröffungsvideo an. Kann man noch mehr angeben und protzen? Die haben jedenfalls keinen Stil.

Ich glaube, das Geld wäre besser in ordentlichem Personal angelegt gewesen.

Ich frage mich allerdings, welche Rolle Hasso Plattner in diesem Spiel spielt.

Ist er der Strippenzieher, der ganz bewußt aus Schall und Rauch und Personalrestposten eine Schwindelbude aufbaut, die Öffentlichkeit hinters Licht führt und da Millionen reinversenkt? Ein stilloser Versuch, sich selbst ein Denkmal zu setzen? Wie geld-, wissenschafts- und selbstverachtend müßte man sein, um für so einen Laden sein Geld zu verpulvern und diesen Haufen dann auch noch nach sich selbst zu benennen?

Oder ist es doch so, daß Hasso Plattner selbst der Getäuschte ist? Der gute Onkel, der naiv an die Wissenschaftlichkeit in Potsdam glaubt, und den die da nach Strich und Faden ausnehmen und blamieren, nur er selbst merkt es nicht? Ist der da unter die Professoren gefallen, die ihn einfach ab- und ausmelken wie jeden anderen auch? Einfach ein paar Ehrentitel und Festreden, und schon zahlt der weiter? So wie auch der andere SAP-Milliardär mit seiner Hector-Stiftung in Karlsruhe? Neuer Universitätssport Milliardäre abzocken? Wenn schon Schwindel, dann wenigstens fett?

Armer Milliardär. Da hat der soviel Geld, kann sich alles kaufen was er will. Und dann ist er von solchen Leuten umgeben. Aus Geld allein macht man eben doch keine Wissenschaft(ler).

4 Kommentare (RSS-Feed)

insider
29.7.2010 10:39
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Der Lock-Keeper ist das Lieblingskind von Meinel. Damals am Institut für Telematik hat man versucht diesen Schrott schon zu vermarkten aber es klappte einfach nicht. Als dem Institut das Geld ausging, hatte Meinel den Sprung ans damals neu gegründete HPI geschafft und den Lock-Keeper gleich “mitgenommen” in der Hoffnung diesen dort doch noch gross rauszubringen. Seine anderen “Entwicklungen” am “Institut für Telematik” waren alles Totalflops: Lernplatform auf Real Media basierend nannte sich wenn ich mich recht erinnere Teleteaching, modifiziertes Bildkompressionsformat für die Medizin (Die Patentwürdigkeit dafür hielt damals schon für sehr fragwürdig), mit der banalen “Patienten-CD” schaffte er es damals sogar in die Tagesschau. Im sich selber Loben war man am ‘Institut’ immer am besten, Kritik war unerwünscht oder wurde erst gar nicht verstanden, die Mitarbeiter dort waren auch mehr auf Karriere und aufpolieren des Lebenslaufs getrimmt (‘Fraunhofer, das macht was her in der Vita’).
Was dort z.T. für Leute an der Entwicklung arbeiteten war schon grotesk und viele glaubten auch noch was sie da supertolles entwickeln, Selbstüberschätzung pur, quer durch den ganzen Laden.
Dass die Bude nicht lange überlebt war mir schon vom ersten Tag an klar als ich dort – äh – ich sage es lieber nicht warum ich den Laden von innen kenne.

Dieser Meinel verkörpert den Typ Prof. wie ihn sich die Industrie wünscht: Forschung mit dem Ziel der reinen Vermarktung und wenn nix forschungswürdiges dabei rauskommt betreibt man reine Produktentwicklung unter dem Deckmantel der Forschung.

Dass dieser Lock-Keeper noch nicht in der Versenkung verschwunden ist und immer wieder wie ein Zombi auftaucht, liegt mM an Meinel und seinen Verbindungen. Durch seine Stellung am HPI und Plattner hat er noch einen potenten Geldgeber Plattner im Rücken, der fehlte am Institut f. Telematik, was dort damals in den letzen Monaten noch aus Verzweiflung entwickelt wurde um Geld einzufahren und den Laden am Leben zu halten fällt schon in die Kategorie Realsatire.

Das Institut f. Telematik war übrigens gar kein echtes Fraunhoferinstitut, als mal in München mit der Zentrale zu tun hatte kannte man den Laden dort gar nicht, war auch damals nicht im Verzeichniss der Institute auf der Website gelistet, die hatten irgendeine Sonderstellung, weiss nicht mehr wie das genau war. Vermutlich wären die erst zum offiziellen Verbund der Institute aufgenommen worden, wenn sie profitabel gewesen wären, Neugründungen sind da vermutlich erst mal ausgenommen. Auch hier wieder reines Blendwerk als Vermarktungsvehikel genutzt.


insider
29.7.2010 13:25
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Nachtrag:
Der Meinel hat sogar einen Wikipediaeintrag, das passt wieder zu ihm, reine Selbstdarstellung, passt eher nach Xing/OpenBC, was dort eingetragen ist. Die ganzen Rohrkrepierer haben nat. auch ihren Eintrag, ist das peinlich. Eines muss man dem Meinel lassen: Er hat ein sehr gutes Kontaktnetz.

Dort steht es auch: “…Institut f. Telematik e.V. unter Betreuung der Fraunhofergesellschaft….” Damals tat man aber immer so als wäre man ein Fraunhoferinstut, macht halt mächtig Eindruck besonders bei der Presse, da kann dann das e.V. schon mal ab und zu unter den Tisch fallen, ich denke da nur an die Visitenkarten einiger Mitarbeiter.

Der Laden erzeugt sofort wieder Brechreize, wenn ich an die Zeiten zurückdenke.


moni
30.7.2010 11:07
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Herr Danisch, ist jetzt bissi Off-Topic, aber: es gibt dieses Gerede von einem “Notfall” wegen dem man einen “Resetknopf” fürs Internet bräuchte, um es ad-hoc abzustellen.

Ich frage mich seit Aufkommen des Themas: Was soll denn das für ein Notfall sein? Wäre der Notfall nicht, wenn das Internet plötzlich ausfiele? Bräuchte man nicht eher Restart-Knöpfe statt Reset-Knöpfe (abgesehen davon, inwiefern solche Knöpfe möglich sind…).
Fragender Blick.


Hadmut Danisch
31.7.2010 12:49
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@moni: Zu dem Reset-Knopf müßte ich eigentlich mal separat was schreiben. Wenn ich Zeit dafür finde.