Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Kapitulation vor der Unfähigkeit deutscher Professoren?

Hadmut Danisch
1.8.2010 19:06

In den meisten Ländern gibt es Bachelor und Master. Und funktioniert. In Deutschland gibt’s damit nur Ärger und inzwischen rudert man schon wieder zurück Richtung Diplom.

Siehe Focus, MDR oder Süddeutsche.

Warum hat der Bachelor bei uns nicht funktioniert? Nach allem, was ich gehört, gesehen, gelesen, mitbekommen habe, herrschte an den deutschen Universitäten nur Chaos. Die FAkultäten waren schlichtweg nicht in der Lage ein Studium anzubieten, wie es in anderen Ländern normal ist. Was ja auch kein Wunder ist wenn man bedenkt, was für Leute bei uns berufen werden. Kürzlich mußte sogar das Bundesverfassungsgericht einem uneinsichtigen Professor klarmachen, daß er auch Grundlagenvorlesungen zu halten hat. Der meinte nämlich, das sei unzumutbar, und wollte mehr Geld dafür haben (was man halt so unter „unzumutbar” versteht).

In meinem eigenen Informatik-Studium waren viele Vorlesungen völlig dämlich und nutzlos, man merkte ihnen sehr deutlich an, daß es nicht um die Ausbildung der Studenten geht, sondern darum, daß der Professor halt bequemerweise etwas über sein Nischenthema erzählen kann, um nur ja nicht mal was anderes machen zu müssen (was nicht zuletzt daran lag, daß die meisten Professoren dazu nicht in der Lage gewesen wären, weil sie nie selbst Informatik studiert haben).

In vielen Fällen waren die Fakultäten und die Professorenmannschaft schlichtweg nicht in der Lage, ein Bachelor-Studium anzubieten, und wegen des Beamtenstatus auch nicht durch befähigte Leute zu ersetzen. Nun gehen die neun großen technischen Universitäten wieder zum Diplom zurück. Ich würde das Kapitulation vor der eigenen Unfähigkeit nennen.

(Danke an den Leser für die Links!)

8 Kommentare (RSS-Feed)

Fabian
1.8.2010 20:26
Kommentarlink

Also, darin sehe ich nicht sehr viel mehr als Kosmetik. Tatsächlich kann man bei den technischen Studiengängen das Diplom und Bachelor/Master nebeneinander legen und dann aufzeigen wo die 1 zu 1 Entsprechungen sind. Klar, geringigfügige Änderungen gab es sicherlich, aber die sind nicht gravierender als die Änderungen der Diplom-Prüfungsordnungen die zuweilen auch alle Jahre wieder stattfanden. Diplom-Ingenieur im selben Fach an der selben Uni aus den Jahren 1990, 1998, 2005 und 2009 sind haben auch keine identischen, wenn auch recht ähnliche Studiengänge belegt.


Hadmut Danisch
1.8.2010 20:40
Kommentarlink

Selbst wenn es nur Kosmetik ist/wäre: Man hat es in 10 Jahren nicht geschafft, eine vernünftige Ausbildung zusammenzustellen oder wenigstens nachzuahmen, so daß sie auch akzeptiert wird.


J.
1.8.2010 21:22
Kommentarlink

B/M war sehr hilfreich. Endlich wurde mal darüber nachgedacht, was eigentlich in den ganzen Grundlagenvorlesungen gelehrt werden soll. Hätte man auch mit Diplom haben können, aber so gab es halt einen Anlass.


pepe
2.8.2010 3:47
Kommentarlink

Die B/M-Geschichte ist ein riesiges Desaster, eine fixe Idee ahnungsloser Minister.

Es gibt hundert Sachen zu kritisieren, aber man kann es vor allem an einem Punkt klar machen: Das Ziel wurde komplett verfehlt. Man wollte mehr Mobilitaet. Stattdessen muss man jetzt selbst *innerhalb* Deutschlands mehr um Anerkennung kaempfen als zuvor. Totaler Fehlschlag.

Das zu loesende Problem hat gar nicht existiert. Es war meiner Erfahrung nach noch nie ein grosses Prolbem, sich Kurse aus Auslandssemestern anerkennen zu lassen. Man muss das halt nur vorher absprechen und ggf ein paar buerokratische Huerden nehmen, etwa irgendwo einen Schrieb mit einsammeln oder die Leute das untereinander klaeren lassen. Generell *wollen* die Unis ja dass man “Erfahrung” sammelt und entscheiden da immer eher zu Gunsten des Studenten.

Vielleicht ist das auch mal ein Vorteil des deutschen Systems. Wenn bei uns der Prof sagt, dass die Vorlesung aequivalent ist oder der Student gut genug ist, dann kommt der Stempel drauf und gut ist. Anderswo regt man sich darueber auf, dass man zwar 10 Wochenstunden Mathe hatte aber nur 6 Credits bekommen hat. Oder aehnliche Spaesse.

Allgemein finde ich den Ansatz von ECTS komplett daneben. Da werden einfach nur die hypothetischen “Arbeitsstunden” des Studenten gezaehlt. Das muss man sich mal ueberlegen. Wenn man kein gutes Mass fuer die Bildung eines Menschen in einem bestimmten Bereich hat, das von der Verwaltungsangestellten allein mit Hilfe eines Taschenrechners berechnet werden kann, sollte man es vielleicht lieber bleiben lassen. Falsche Metriken fuehren naehmlich dazu, dass die Leute ihr Verhalten nach der neuen Metrik optimieren und nicht nach dem was urspruenglich bezweckt war. Google -> “You are what you measure”.


Fabian
2.8.2010 10:01
Kommentarlink

J., wenn das in deinem Studiengang der Fall ist, dann Glückwunsch. In meinem wurden die Veranstaltungen überwiegend bloß umetikettiert. Teilweise, wo es keine inhaltlichen Abhängigkeiten gab, in den Semestern verschoben – und das war es dann.

Hadmud, das Nichtversetzungsszeugnis (Masterstudium sei eine Ausbildung die nicht vernünftig ist und nicht akzeptiert wird) müsstest du, zumindest was den Part des “vernünftig seins” auch auf die Diplomstudiengänge übertragen. Da wurden üblicherweise von denselben Personen dieselben Veranstaltungen gelesen. Mal rutschte diese und jene Vorlesung die jahrelang immer im Winter gehalten wurde in den Sommer und umgekehrt. Und plötzlich wurde ein und dieselbe Klausur mit einem Deckblatt für Diplomer und einem für Bachelorstudenten ausgeteilt. Und dämliche und nutzlose Vorlesungen gibt es natürlich nach wie vor, was daran liegt das es nach wie vor Profs gibt die man ähnlich attributieren könnte. Aber die Ausbildung ist dadurch wohl kaum schlechter als sie vor der Bolognaerklärung war. Was die Akzeptanz von Masterabsolventen in der Industrie angeht kann ich noch keine eigenen Erfahrungen beisteuern. Ich weiß ja nicht wie dämlich und nutzlos Personaler typischerweise sind, aber ich hoffe das die trotz BWL oder Jurastudium noch in der Lage sind zu sehen das ein zehnsemestriges Studiengang und jeweils sechs und vier Semester in ein und demselben Fach nicht sonderlich weit auseinander liegen können. Wirklich schlechter geworden ist allerdings der Übergang zwischen den beiden Studienabschnitten, weil es eben nicht automatisch wie nach einem en passant erworbenen Vordiplom weitergeht, sondern man sich nochmals für einen Masterstudienplatz bewerben muss, samt der Verrenkungen die einem die Hochschulbürokratie als beschert.


moni
2.8.2010 11:28
Kommentarlink

Ich finde es ebenso wie Fabian. Die Einführung und das “Desaster” des Bachelor/Master ist kein Bruch mit dem Zustand von vorher. Wenn das so wäre, hätten sich viel mehr aufgeregt gegen das, was da gemacht wurde, hätten sich geweigert, wenn es allzu “plötzlich” eine heftige Veränderung gewesen wäre. Aber es wurde recht willfährig mitgemacht, allzu “plötzlich” schien es nicht gewesen zu sein.
Das Problem ist auch älter als 20 Jahre, die Ausbildungsinstitutionen kränkeln schon länger, nicht nur in Fragen wie “Wie messen?” und “Was messen?”. Der Bachelor hat das nur mehr zu Tage treten lassen. Ich schätze auch, dass, obwohl es in anderen Ländern viel besser auszusehen scheint, das Institutionen-Problem ähnliches ist.
Diese Läden können nicht allzu kritische Individuen und Gruppen hervorbringen, weil die Kritik spätestens vor den Läden selbst anhalten muss – aber es scheint nur noch wenig zu geben, was damit nichts mehr zu tun hätte (die Expertokratie…). Und heute scheint es mir so zu sein, dass schon sehr wenig Kritik viel zu viel Kritik ist, entweder wegen Unverstand oder wegen Unwillen und weil es auf wackeligen Füßen steht.
Der durchaus zu attestierende Untergang der Gesellschafts- und Geisteswissenschaften (mit Ausnahme von Populärpsychologie und statistischer Soziologie) ist genau daraus entstanden, dass immer weniger Kritik zulässig war. Kaum jemand hatte Interesse an der Frage, was man eigentlich mit den Erkenntnissen machen soll, die aus den Institutionen selbst kommen und gegen sie sprechen (sie insgesamt in Frage stellen in ihren Verwobeneheiten, Effekten, Nutzen, ihrer Moral). Infragestellung der Gegenwart jedenfalls ist an der Uni kaum noch möglich und deswegen lernt das da auch kaum noch einer (macht man woanders). Ein besseres B/M-System löst dieses Problem nicht, sondern macht es eher erträglicher und vielleicht nicht ganz so gefährlich. Vielleicht aber auch noch gefährlicher (falsche Sicherheit).

Kommt dabei heraus, wenn man aus einem größeren Problem (durchaus auch ein geschichtliches Problem) ein Verwaltungssystem-Problem macht und so tut, als wäre sonst alles völlig paradiesisch. Schei**e ist es auf jeden Fall, denn es hat so etwas Ver**chungs-mäßiges, das auch irgendwie ausweglos erscheint.


J.
2.8.2010 13:00
Kommentarlink

Nun, das Software-Praktikum im 3. Semester dürfte durchaus was bringen. Vorher konnte man sich ja ohne Software-Entwicklung durchs Studium mogeln (ohne es selbst großartig zu merken).


40stunden
2.8.2010 21:24
Kommentarlink

Ich habe selbst als Student an einer TH an der Einführung des Bachelors/Masters mitarbeitet, ich fand sie sehr sinnvoll und bin schockiert über den Schwachsinn, den sich die TU9 hier ausgedacht hat.

An meiner Fakultät war die Einführung des Bachelor/Masters eine Gelegenheit, einmal als Fachbereich (Profs, Mitarbeiter, Studenten) vollständig über das Studium zu reflektieren. Jeder Kurs wurde angefasst und abgeklopft. Zielbild war, dass man bereits mit dem Bachelor beruflich qualifiziert ist; was eben nicht mit dem Vordiplom vergleichbar ist.

Insbesondere der Praxisanteil wurde signifikant ausgebaut. Und heute gilt (übrigens nach TU9-Empfehlung), dass bei uns jeder Informatiker Datenbanken, Netzwerk und Software Engineering Grundlagen gelernt hat, sowie in jedem Semester des Bachelors praktisch programmieren musste. Einerseits hätte ich das selbst gerne studiert. Andererseits war die Arbeitsbelastung schon höher als im Diplom…