Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Forschungsmafia-Artikel im Radio

Hadmut Danisch
13.8.2010 18:22

Im DRadio Wissen kam eine Besprechung meine(s|r) Blog-Artikel über die Dissertation von Bundesfamilienministerin Kristina Köhler/Schröder.

Hab’s mir gerade mal angehört (Webseite bzw. MP3) und mich doch etwas darüber geärgert. Der Radio-Beitrag besteht aus einem Gespräch zwischen dem Moderator und einer Statistikerin, die ich kürzlich mal darauf angesprochen hatte, die Dissertation näher zu untersuchen. (Einstiegslink auf meine Artikel)

Wesentlicher Inhalt des Gespräches ist, daß man nur einige Worte meiner Bewertung vorliest, und dann zu dem Ergebnis kommt, daß meine Kritik nicht richtig sei. Zum Ende des Gespräches spricht man dann doch an, daß an der Dissertation doch einiges fragwürdig ist.

Man kann ja nun durchaus anderer Meinung sein, zumal eine Diplom-Statistikerin insgesamt mehr von Statistik versteht als ich, der ich das als Informatiker nur am Rande mache, und wenn dann ganz andere Sachen im Bereich Statistik (ich mache eher so kryptographisches Zeug oder Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber keine Meinungsumfragen, weshalb ich sie ja gefragt hatte).

Als ärgerlich daran empfinde ich aber, daß meine Argumentation darin nicht aufgegriffen wurde. Sehr viel mehr als „Danisch sagt, sie ist schlecht, aber die Statistikerin sieht das anders” und man kann doch einen so hohen Rücklauf verzeichnen, wenn man „erinnert” kommt nicht rüber. (Ich hatte jedoch mal mit Umfragen einer Industrie- und Handelskammer zu tun, die ihre Mitglieder offiziell befragt und ebenfalls mehrfach erinnert hat, und die nicht mal ein Zehntel des hier behaupteten Rücklaufes erreicht haben, und die mir versicherten, daß das völlig normal und immer so sei, insofern habe ich da gewisse Zweifel, ob diese Aussage so stimmt.)

Meine Haupt-Argumentation, daß eine „Responsivität” ein dynamischer Vorgang ist, der eine versetzte Antwort auf einen Stimulus darstellt, und deshalb dynamisch mit mehreren Messungen und nicht statisch mit einer einmaligen Messung durchzuführen ist, übergeht man. Daß Schröder dies einfach als Übereinstimmung umdefiniert und damit nur die Worthülse „Responsivität” verwendet aber nicht deren Sinngehalt.

Auch daß CDU-Abgeordnete selbst auch CDU-Mitglieder sind, man also gar nicht hinreichend verschiedene Gruppen sondern zweimal das gleiche gemessen hat, wird nicht betrachtet. Was ist denn, wenn die Meinung der Abgeordneten mit der der anderen Mitglieder übereinstimmt? Sind sie dann – wie Schröder meint – „responsiv” oder heißt das nach herkömmerlicher Statistik, daß das mit der Eigenschaft des Abgeordneten gar nichts zu tun hat?

Oder daß die Fragen falsch gestellt sind und sich die Befragten zwischen Antwortalternativen entscheiden müssen, die nicht zueinander passen?

Auch von meinem Vorhalt, daß die Umfrageergebnisse überhaupt nicht nachprüfbar sind (in allen empirischen Wissenschaften eigentlich eine Grundvoraussetzung der Anerkennung jeder beliebigen wissenschaftlichen Arbeit) , weil Schröder sich die Dinger hat nach Hause schicken lassen und man nicht nachprüfen kann, ob die echt waren, und daß auch die Rechnungen nicht nachvollziehbar seien, weicht man ab. Die Rechnungen Schröders seien (mittlerweile?) im Internet zu finden (aber eben nicht in der Dissertation). Als ich die Dissertation Anfang des Jahres nach deren Erscheinen gelesen habe, habe ich davon noch nichts gefunden. Zumal – wenn ich den Radio-Artikel richtig verstehe – in dieser Internet-Veröffentlichung auch nur die Rechnungen dargelegt werden, nicht aber die Ergebnisse der Umfrage selbst überprüfbar gemacht werden.

Und daß in dieser Rechnung Schröders ein „Funktioniert nicht, keine Ahnung warum” steht, und das im Radio noch positiv as „sympathisch” eingestuft wird, ist auch nicht unbedingt der Weg, wie man eine Dissertation bewerten sollte. Da merkt man aber, daß man die Dissertationen von Blondinen anders bewertet als die von Männern. Bei einem Mann wäre so eine Bemerkung der Grund, daß man ihn zerfleischen und die Dissertation ablehnen würde. Schon viel geringere Formulierungen werden Männern normalerweise als tödlich angekreidet. (Wenn ich überlege, wie man aus jedem Staubkorn einen Strick zu drehen versucht hat.)

Und ich verstehe auch nicht, warum sich die Presse so darauf geeinigt hat, daß eine „Typ-II-Dissertation ohne Neuigkeiten” für die Promotion reichen soll – oder daß es sowas überhaupt geben kann. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe und der Verwaltungsgerichtshof Mannheim sind der Auffassung, daß eine Dissertation hochinteressante und wichtige Neuigkeiten auf internationalem Niveau liefern muß, anderenfalls sie abgelehnt werden muß. Warum gilt hier was anders? Liegt’s am Fach, an der Uni, am Geschlecht oder der Parteizugehörigkeit? Werden Blondinen anders bewertet als Männer?

Immerhin gilt die alte Merkregel, daß man besser schlecht erwähnt wird als gar nicht. Letztlich bin ich zwar extrem verkürzt, aber immerhin doch zitiert worden und das Thema hat damit zumindest dem Grunde nach mal etwas Aufmerksamkeit erfahren.

Andererseits (nachdem ich mich nun etwas beruhigt habe), zeigt der Beitrag auch ein paar Fehler in der Dissertation auf, auf die ich nie gekommen wäre. Und das ist ja nun auch wieder positiv.

Ach, übrigens: Die Uni Mainz hat bisher auf meine Anfrage nach dem rheinland-pfälzischen Informationsfreiheitsgesetz überhaupt nicht reagiert – und da besteht immerhin ein gesetzliche Anspruch. Wie man mit einer einzelnen Umfrage Responsivität messen können soll, können oder wollen sie nicht erklären. Wissenschaft geht anders.

Nachtrag 1: Derselbe Sender, nur eine andere Abteilung, hatte dazu schon einen deutlich kritischeren Beitrag.

Nachtrag 2: Wie im Radio-Beitrag erwähnt ist die Dissertation auch bei Google Books zu finden.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Sfefan W.
14.8.2010 5:44
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Das “weil Schröder sich die Dinger hat nach Hause schicken lassen” scheint mir eine deformation professionelle deinerseits, Man kann ja nicht alle Forscher beim Forschen überwachen. Wollte man Forscherbetrug auf dieser Ebene angehen, könnte man Forschung gar nicht betreiben, weil man überall massig trainierte Aufpasser bräuchte, die je nach Forschungsbereich verschiedenste Betrugsmethoden (präparierte Reagenzgläser) im Auge hätten.

Die IHK befragt ihre Mitglieder m.W. ständig, die sind schon genervt, und bei CDU-Mitgliedern könnte das anders sein.

Insgesamt befasst sich der Beitrag v.a. mit der Statistik; kein Wunder eigentlich, wenn die Statistikerin am Mikrofon sitzt.


Hadmut Danisch
14.8.2010 10:26
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Mit dem Begriff „deformation professionelle” weiß ich ehrlich gesagt nicht viel anzufangen, weil man das in sehr verschiedenen Weisen verstehen kann.

Bedenke bitte, daß in den diversen Wissenschaften, die Versuchsreihen durchführen (Bio, Medizin, Chemie, Physik,…) es mittlerweile zu den Anforderungen gehört, daß Versuche – und zwar auch die, die schiefgehen oder mit Meßwerten, die nicht in die Erwartung passen – in ein zentrales Laborbuch eingetragen werden, weil es einfach viel zu viele ge- und verfälschte Meßwerte oder ganz erfundene Experimente gab. Da gab es doch nun wirklich genug Forschungsskandale. Warum sollen aber gerade für dieses Wissenschaftsfach hier (von dem ja viele die Meinung haben, daß es diesen Namen gar nicht verdient), so viel niedrigere Anforderungen gelten?

Du sagst, daß man nicht alle Forscher überwachen könnte. Die Erkenntnis aus den vielen Forschungsskandelen und Fälschungen ist aber, daß wenn es nicht überwacht ist, es auch keine Forschung ist. Man muß doch einsehen, daß wenn jemand Meßwerte anliefert, die überhaupt nicht, wirklich gar nicht zu verifizieren, überhaupt nicht von frei erfundenen Meßwerten unterscheidbar sind, bei denen dem Forscher nicht die geringste Aufdeckungs- oder Widerlegungsgefahr bei Fälschung droht, wir nicht mehr im Bereich der Wissenschaft sind. Denn Wissenschaft ist immerhin die systematische und nachprüfbare Suche nach Wahrheit. Die Nachprüfbarkeit ist das, was Wissenschaft ausmacht. Und die fehlt hier völlig.

Ich sage nicht, daß sie die Daten gefälscht hat (denn gerade das wäre ja nicht mehr erkennbar). Ich sage aber, daß jemand, der so arbeitet, daß man es nicht nachprüfen kann, nicht wissenschaftlich arbeitet. Und deshalb damit auch keine Promotion als Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten bekommen kann.

Und eine andere Anforderung an solche empirischen Messungen ist normalerweise, daß sie so beschrieben werden, daß andere sie nachstellen und bestätigen können. In den Naturwissenschaften ist es mittlerweile üblich, daß Experimente und Messungen so beschrieben werden, daß andere Forscher das Experiment nachstellen und bestätigen oder widerlegen können. In der Regel wird die Bestätigung abgewartet. Auch das ist eine Form der Nachprüfung.

Das geht hier aber nicht. Erstens liegen Jahre dazwischen, das hat sich alles geändert. Zweitens müßtest Du schon CDU-Politiker sein, um diese Form der Unterstützung zu bekommen. Drittens würde kein neues Umfrageergebnis, egal wie es ausfällt, als Widerlegung des Ergebnisses von Schröder herhalten können.

Niemand, wirklich niemand kann noch nachprüfen, verifizieren oder falsifizieren, ob diese Meßergebnisse Schröders stimmen. Und das erfüllt eben nicht die Mindestanforderungen an wissenschaftliches Arbeiten.


Flash
14.8.2010 13:27
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M.E. muß man generell die Sinnhaftigkeit aller möglichen Studien und Umfragen bezweifeln.

“Auch daß CDU-Abgeordnete selbst auch CDU-Mitglieder sind, man also gar nicht hinreichend verschiedene Gruppen sondern zweimal das gleiche gemessen hat, wird nicht betrachtet. Was ist denn, wenn die Meinung der Abgeordneten mit der der anderen Mitglieder übereinstimmt?”

Es lassen sich für diese Umfrage 100 andere Gründe finden, warum die Ergebnisse so sind, wie sie sind. Vor allem hätte man dasselbe ja wohl mit mindestens 2 anderen Parteien machen müssen, um vergleichen zu können.

Sehr viele Ergebnisse aus Studien nach dem Schema Ursache->Wirkung lassen sich auch genau umgekehrt interpretieren, so daß die vermeintliche Auswirkung eigentlich die Ursache dafür ist, daß dieses und jenes Verhalten oder Sachlage vorliegt.

Das Fazit bleibt jedenfalls vollkommen bestehen: Frau Schröders Diss ist Scharlatanerie und keine Wissenschaft. Und so schön es ist, wenn das D-Radio darüber berichtet: neutrale Statements erwarte ich da nicht, da wird Journalismus immer mit einer bestimmten Brille und immer mit manipulativen Absichten gemacht. (Ich hör die 2 Sender täglich).


moni
15.8.2010 2:43
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““weil Schröder sich die Dinger hat nach Hause schicken lassen” scheint mir eine deformation professionelle deinerseits, Man kann ja nicht alle Forscher beim Forschen überwachen. Wollte man Forscherbetrug auf dieser Ebene angehen, könnte man Forschung gar nicht betreiben, weil man überall massig trainierte Aufpasser bräuchte, die je nach Forschungsbereich verschiedenste Betrugsmethoden (präparierte Reagenzgläser) im Auge hätten.”

In meinem Verständnis von Wissenschaft ist das nicht mal wirklich ein Personal-Problem (Überwacher), bzw dies ist sekundär. Tante Schröder hat einfach die grundlegenden Forschungsstrukturen nicht beachtet und das kann man ihr bereits als nicht ausreichenden Forscher-ETHOS ankreiden.
Aber:
Als Forscher muss man ganz einfach VORHER seine Forschung so planen, dass sie HINTERHER überprüfbar sind-UND-PUNKT.
Das planen zu KÖNNEN ist schon ein Teil einer Dissertation, denn niemand braucht Forscher, deren Ergebnisse toll sind, aber hinter her nicht mehr überprüfbar, ganz einfach, weil nicht wiederholbare Erkenntnisse nicht technisierbar sind (Methode zur Findung einer Erkenntnis und Prinzip einer Erkenntnis sind nicht unabhängig voneinander). Und diese Überprüfbarkeit mißt sich nicht an einer Person (Überwacher/Prüfer) an sich, sondern daran, dass es möglich ist, dass ein Überwacher/Prüfer diese Position überhaupt EINNEHMEN kann.
Im Grunde ist das so, als würde man in einer beliebigen Disziplin (nicht mal wichtig ob Natur oder “Geist”/Sozial/Gesellschaft/Human-wissenschaft) eine nicht-existente oder nicht auffindbare Quelle als (Haupt)Quelle zitieren. Das Ergebnis ist wegen Nicht-Überprüfbarkeit und Nicht-Wiederholbarkeit in der Folge ganz einfach nutzlos, weil nicht reproduzierbar (“Wie kam der Forscher den darauf?” kann man nicht beantworten, ist aber unabdingbar für das Verständnis einer jeden wissenschaftlichen Arbeit); und die Position, die Wahrheit der zitierten Quelle zu überprüfen, kann auch nicht eingenommen werden, wenn die Quelle nicht auffindbar oder abrufbar ist bzw. nicht reproduzierbar. Wer braucht nicht reproduzierbares Wissen aus der Wissenschaft??? Also nicht mal Typ-II Dissertation, sondern Typ-0.

Das ist quasi ein strutkurmethodologischer Fehler, weil die Strutktur der Universität keine Technik bietet, die so eine Diss nachprüfbar und wiederholbar macht. DAS MUSS ein Dissertierender vorher beachten, denn sonst funktioniert Wissenschaft prinzipiell nicht mehr, wenn jeder forscht wie er will und auch noch so, dass mans nicht nachprüfen kann.

Eine Erkenntnis, die weder nachprüfbar ist und/oder deren Erkenntnismethode experimentell nicht wiederholbar ist, ist einfach mal bloß eine stinknormale, unter Umständen recht kostspielige Behauptung. Und die Sache der Frau Schröder ist weder überprüfbar noch wiederholbar, weil es nicht in einem öffentlichen Institut stattgefunden hat (im Grunde weiß man nicht mal, ob die Fragebögen überhaupt je existiert haben, aka “nicht abrufbare Hauptquelle”, denn es gibt keine Protokolle, für die außerhalb der Schröder noch jeamnd Protokolant gespielt hätte), sondern bei ihr zu Hause. Jeder, der es wiederholen wollte, müsste es folglich zu sich nach Hause schicken lassen oder, wenn man ortstechnisch mal ganz streng sein wollte, zu der Frau Schröder nach Hause (Der Ort “Labor” oder “Institut” ist ja auch für alle derselbe, “ZuHause” ist für jeden woanders, aber das Original-Labor müsste benutzt werden, also Frau Schröders zu Hause).

Kann man ihr ja mal anbieten. 🙂