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Ein Uni-Rektor als Atomstrom-Lobbyist?

Hadmut Danisch
22.8.2010 22:33

Seltsam. Der Rektor der Uni Karlsruhe Hippler engangiert sich für Atom-Strom und gegen die Brennelementesteuer.

Ein Leser hat mir einen Link auf einen Blog-Artikel geschickt (Danke!), der wiederum auf einen SPIEGEL-Artikel über einen offenen Lobbyisten-Brief an die Bundesregierungverlinkt.

In der letzten Zeit hat man viel darüber gelesen, daß die Stromerzeuger monströse Gewinne einfahren. Und das vor allem auf Kosten der Privathaushalte, denn – wie jeder weiß, wenn er auf seine Stromrechnung guckt – die Strompreise gehen immer weiter nach oben. Kürzlich habe ich aber irgendwo gehört, daß Deutschland zum großen Stromexporteur geworden ist, weil wir viel mehr Strom produzieren als wir selbst verbrauchen und wegen der längst abgeschriebenen Atomkraftwerke Strom außergewöhnlich billig erzeugen können.

Ich bin zwar kein Atomkraftgegner (und weiß so ein kleines bisschen, wovon ich da rede, seit ich mal die Netzwerktechnik in einem Atomkraftwerk überprüft und abgesichert habe), aber für das Monopolistentum und dessen Erscheinungen, daß wir in für Privatleute schwierigen Zeiten durch immer höhere Energiekosten und immer höhere Steuern so hemmungslos abgezockt werden, fehlt mir das Verständnis. Insofern finde ich die Idee, diese Geldmaschinen mit einer spezifischen Steuer zu belegen und deren Gewinne teilweise zugunsten der Allgemeinheit wieder abzuschöpfen gar nicht so verkehrt (auch wenn darin schon wieder eine versteckte Steuererhöhung liegt, die der Bürger mit seinen Stromkosten um die Ecke zahlt; lieber wär’s mir, die Stromkosten gewaltsam zu senken, auch wenn das wieder ökologisch schädlich ist).

Daß da nun die Strombranche rebelliert ist im Korruptions- und Abzockland Deutschland nicht so wirklich überraschend. Ich habe immer stärker den Eindruck, daß Deutschland immer weniger einen Staat und immer mehr eine Abkassierinfrastruktur darstellt. Überraschend ist eher die Form, diese Chuzpe, mit der eine Lobby öffentlich der Regierung gegenübertritt (wobei man sich streiten kann, ob der öffentliche Weg oder der nicht-öffentliche der weniger schädliche ist). Und überraschend ist auch, wer da noch alles mit im Boot sitzt. Das Lobby-Netzwerk in Deutschland ist verblüffend groß. Natürlich sind aber auch ein paar Großverbraucher dabei, die – im Gegensatz zum Privathaushalt – richtig billig Strom bekommen und dann fürchten, daß sie durch eine solche Steuer höhere Strompreise zahlen müßten. Womit die Brennelementesteuer natürlich auch für die Industrie eine versteckte Steuer werden könnte. Hört sich als „Brennelementesteuer” ziemlich spezifisch und ökologisch-grün an, ist de facto aber eine allgemeine Energiesteuer und damit eine Steuer für jeden.

Wie dem auch sei, ein Unterzeichner dieses seltsamen offenen Briefes ist (siehe SPIEGEL-Artikel in der Liste unter „H”) ist ein „Horst W. Hippler” vom KIT, was – andere dieses Namens sind mir nicht bekannt – der Karlsruher Rektor ist. Und steht gleich unter „Wolfgang Herrmann, TU München, was aufgrund des Namens vermutlich deren Präsident ist.

Was soll das?

Seit wann haben sich Uni-Rektoren in dieser Form in die Politik einzumischen? Ich bin der Auffassung, daß sie die Wissenschaft vertreten und politisch neutral bleiben sollten.

Man kann sich jetzt freilich fragen, ob die da im Lobbyismus-Schlepptau mitfahren oder Uni-Interessen vertreten.

Die Universitäten sind längst zum akademischen Straßenstrich verkommen, wo man für jede beliebige Meinung Gutachter bekommt, die diese als „wissenschaftlich” vertreten. Kleine Spende hier, ein paar Drittmittel da, oder auch mal ne Einladung zu ner Reise oder Sause, und deutsche Professoren behaupten und vertreten alles, was man von ihnen will. Und gerade so ein Drittmittel- und geldgeiler Laden wie die Uni Karlsruhe reitet immer da, wo das Geld fließt.

Andererseits könnte man aber auch die Möglichkeit sehen, daß die Universitäten sich zunächst mal nur als Stromverbraucher verstehen. Und ich habe ja gehört, daß der Uni Karlsruhe das Geld ausgeht. Da könnte es natürlich sein, daß die einfach nur Angst vor höheren Strompreisen haben und deshalb Eigenlobbyismus betreiben. So wahnsinnig viel seriöser wäre das aber auch nicht, wenn man als Uni-Rektor/Präsident und damit irgendwo schon noch als Repräsentant wissenschaftlicher Sichtweisen im Eigeninteresse solchen Lobbyismus betreibt. Da sollten sie dann doch offen sagen, daß es ihnen nicht um Atomstrom sondern um Geld geht.

Ich bin mir zwar nicht sicher, was das zu bedeuten hat, aber seriös kommt’s mir nicht vor.

Warum gibt es so eine Lobby eigentlich nicht für die Privathaushalte?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Matthias
23.8.2010 10:44
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Weil Privathaushalte nicht organisiert sind und sich jeder lieber belügen und betrügen lässt, statt mal eine Minute in sich zu gehen und drüber nachzudenken, was hier passiert.

Zum tollen Brief: Eine kurze Zusammenfassung ist im SPIEGEL von heute als Anzeige auf Seite 12 doppelseitig abgedruckt. Der Hippler-Horst (KIT) prangt da als einer der auserwählten Unterstützer auch drunter.


Andreas
23.8.2010 21:16
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Tolle Wurst von Hippie-Horst… Das fragt sich an der Uni KA auch eine nicht gerade kleine Menge Leute, mit welchem Recht er da unterzeichnet hat. Immerhin ist er Beamter, und in seiner Funktion als solcher hat er sich politisch nicht zu betätigen.

Man sollte dabei aber bedenken, dass die Uni KA zu einem nicht gerade kleinen Anteil am Tropf der Atomlobby hängt. EnBW sponsert grade massiv einige Gebäudesanierungen, außerdem gibt es die eine oder andere Kooperation mit denen und irgendeiner französischen Atomklitsche. Dazu kommt noch das ehemalige FZK, jetzt Campus Nord des KIT, das viele noch als Kernforschungszentrum Karlsruhe kennen. Die haben auch ein vitales Interesse daran, dass die Forschungsmillionen für die Atomkraft weiter fließen.

Und noch ein paar Worte zu dem Appell an sich: Die Politik lässt sich inzwischen von der Industrie-Lobby gezielt am Nasenring durch die Manege führen. Keiner dieser angeblichen Volksvertreter hat noch den Mumm, klar auszusprechen, wer hier im Land die Gesetze macht und nach wessen Interessen sich die Politik zu richten hat – nämlich denen des Volkes. Die Wirtschaft hat letztlich für den Menschen da zu sein, nicht umgekehrt. Das interessiert in diesem Lande aber offenbar schon länger keinen mehr, anders kann man sich solche dreisten (offenen und verdeckten) Lobby-Aktionen nicht mehr erklären.
Wenn unsere Regierung Eier in der Hose hätte, würde sie jetzt die Verstaatlichungs-Keule aus dem Grundgesetz schwingen. Da heißt es nämlich auch u.a., dass der Gebrauch von Eigentum zugleich immer auch der Allgemeinheit dienen soll. Zumindest die Strom-, Gas- und Schienennetze gehören wieder in öffentliche Hand, genauso wie Wasserversorgung, Müllabfuhr und der ÖPNV. Sonst erleben wir in wenigen Jahren ein Zusammenbrechen der Infrastruktur, wenn die privatisierten Netze nach einiger Zeit der Null-Investitionen (weil sonst geht’s ja auf die Gewinne) zusammenbrechen.


Hadmut Danisch
23.8.2010 21:20
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EnBW sponsort die Gebäudesanierungen? Na, dann ist ja alles klar…