Angriff auf die Gewaltenteilung
Mehr zur Ehrendoktorwürde für Mario Adorf – und was man in Deutschland unter „Forschung und Lehre” so versteht.
Ich habe hier schon über die Ehrendoktorwürde der Uni Mainz für Mario Adorf geschrieben. Wie sich schon bei der Promotion von Kristina Schröder herausgestellt hatte, fehlt in Rheinland-Pfalz eine konkrete gesetzliche Vorgabe für Promotionsverfahren. Im Landesgesetz (gerade nicht parat, ich bin gerade unterwegs) steht etwas der Art, daß die Universität ihre Angelegenheit selbst regelt.
Da es einen Ehrendoktor ursprünglich und nach den meisten Promotionsordnungen für besondere wissenschaftliche Leistungen gibt und er eben nach derselben Promotionsordnung und denselben Anforderungen wie eine normale Promotion vergeben wird, war überhaupt nicht klar, wofür ein Schauspieler einen Ehrendoktor bekommen sollte.
Eigentlich ist es nämlich so, daß an einen Ehrendoktor mindestens dieselben Anforderungen wie an eine normale Promotion zu stellen sind, besondere Wissenschaftliche Leistungen. Der Unterschied liegt darin, daß in einer normalen Promotion eine Prüfungsleistung in einer Prüfung erbracht wird, während bei der Ehrenpromotion der Doktor für eine bereits anderweitig und außerhalb eines Prüfungsverfahrens erbrachte wissenschaftliche Leistung vergeben wird, die ebenfalls den Nachweis der Befähigung bringen, nur eben nicht in einem Prüfungsverfahren.
Die Willkür an den Universitäten ist aber so gewuchert, daß der Ehrendoktor für alles vergeben wird, zur Eigenwerbung, auf Gegenseitigkeit, gegen Geld. Will man als Professor selbst einen haben, wirft man solange den Professoren anderer Fakultäten Ehrendoktoren an den Kopf, bis die gar nicht mehr anders können als sich zu revanchieren. Das System der Ehrendoktorwürde ist total verdorben.
Also habe ich mal nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei der Uni Mainz angefragt, auf welcher Rechtsgrundlage man denn einem Schauspieler einen Ehrendoktor vergibt. Antwort aus Mainz:
Der Anwendungsbereichs des Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG -) vom 26. November 2008 setzt gemäß § 2 Abs. 1 LIFG voraus, dass die Behörde Verwaltungstätigkeit ausübt.
Tätigkeiten von Hochschulen im Bereich von Forschung und Lehre sind jedoch keine Verwaltungstätigkeit. Wie Sie sowohl dem Gesetzesentwurf zum Landesinformationsfreiheitsgesetz, als auch den Anwendungshinweisen zum Landesgesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG -) vom 26. November 2008 mit Stand vom 2. April 2009 entnehmen können, sind Hochschulen von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen, soweit sie im Bereich von Forschung und Lehre tätig werden.
Ihr Antrag auf Auskunft bzw. Akteneinsicht nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz ist daher unzulässig.
Hinsichtlich Ihrer Anfrage bezüglich der Ehrendoktorwürde gilt Folgendes:
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist in § 69 der Grundordnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 08. September 2004, in der Fassung vom 21. September 2009 geregelt.
Danach kann der Senat an herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die Würde einer Ehrendoktorin oder eines Ehrendoktors der Johannes Gutenberg-Universität Mainz verleihen.
Entgegen Ihrer Andeutungen spielen dabei keinerlei finanzielle Zuwendungen oder andere geldwerte Leistungen eine Rolle.
Aha. Die Uni Mainz hat ihre Grundordnung selbst beschlossen, namentlich ihr Senat und ihr Hochschulrat. Die beschließen also einfach ohne jede gesetzliche Grundlage selbst, daß sie nach Lust und Laune Ehrendoktorgrade vergeben und machen das dann auch gleich selbst.
Die Universität Mainz tritt hier also in Personalunion als Normgeber und Ausführender, also als Legislative und als Exekutive auf. Damit wird unmittelbar das Prinzip der Gewaltenteilung ausgehebelt. Im Sicherheitsbereich spricht man auch von Segregation of Duties als Grundlage gegen Mißbrauch und Korruption. Da werden systematisch und am Staat vorbei kriminelle Strukturen aufgebaut. (Ich habe hier ja auch schon Fälle von anderen Universitäten beschrieben, in denen Ehrendoktoren offiziell für Geld vergeben werden.)
Bemerkenswert ist dann aber auch, daß sie die Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz verweigern, weil der für Forschung und Lehre nicht gelte.
Es ist aber bekannt und längst in der Rechtsprechung geklärt, daß Prüfungen nicht der Forschung und Lehre und deren Freiheit zuzurechnen sind, sondern der Verwaltungstätigkeit (weshalb man ja auch vor dem Verwaltungsgericht gegen Prüfungsbewertungen klagen kann). Die Freiheit der Forschung und Lehre beruht auf den Grundrechten des Wissenschaftlers. Prüfungen aber beruhen auf den Grundrechten des Prüflings und der Grundrechtsverpflichtung des Prüfers, also genau andersherum.
Noch absurder wird es dann, wenn die Vergabe ohne jeden Zusammenhang mit Wissenschaft an „herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ erfolgt, und sowas dann als „Forschung und Lehre” ausgegeben wird.
Es zeigt mal wieder, daß „Forschung und Lehre” eine völlig inhaltsleere Worthülse ist, die nur als Vorwand für Willkür und Mißbrauch dient. Es zeigt mal wieder, wie abgrundtief verlogen das ganze System ist: Da steckt überhaupt nichts hinter Begriffen wie Forschung, Lehre, Wissenschaft.
Übrigens kann und will die Uni Mainz noch immer nicht erklären, wie die Familienministerin Schröder mit nur einer einzigen Umfrage eine Responsivität gemessen und nachgewiesen haben will.
4 Kommentare (RSS-Feed)
Ich habe ja den Verdacht, dass die Uni Mainz einfach zu unfähig ist Gesetze von anderen zu befolgen und sie sich deswegen selbst geben muss. Dann fällt nämlich auch die Inkompetenz nicht so auf und die schreibt man in der Uni Mainz nicht nur groß, sondern riesig.
Ich war bis vor kurzem selber Doktorand, habe dann aber “aufgegeben”.
Ich kann die auf der Website und dem “Adele”-Manuskript beschriebenen Praktiken nur z. T. bis aufs Wort bestätigen.
Ich selber habe die Promotionsordnungen, die für mein Fach gelten, aufmeksam studiert. Nichts davon hat mit der Wirklichkeit zu tun. Auch die Änderungen, die die Promotionsordnungen durchlaufen, finden keine Anwendung.
Tatsächlich gibt es nur eine Promotionsordnung, die heißt: “Der Professor entscheidet,ob,wann, wie und mit welcher Note die Promotion bestanden ist. Genauere Regelungen hierzu sind beim Professor zu erfragen.”
Ehrendoktorwürden und übrigens auch Lehraufträge (“Lehrbeauftragte”) werden nach Klüngel vergeben. Oftmals hat dies einen politischen Hintergrund. Hier ist insbesondere auf die geisteswissenschaftlichen Fächer zu verweisen, und dort insbesondere -wen wundert´s- auf die Politikwissenschaft.
Es kommt darauf an, wer gerade Direktor der Fakultät ist bzw. den Fachbereich führt. Politisch Nahestehende werden dann mit Ehrendoktortitel “geadelt”. Ein Geschäft, bei dem man von Gegenseitigkeit ausgeht. Es winken Forschungsaufträge oder politisches Fortkommen. Solche “Deals” beherrschen heutzutage den Uni-Alltag. Auch ich habe mal gedacht, es ginge um Leistung. Ein Irrglaube.
Kann das wirklich sein ?
Verona Feldbusch ist offensichtlich Ehrendoktor:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,254241,00.html
Es wäre mal interessant zu erfahren, welche Fachbereiche (üblicherweise werden ja die Ehrendoktoren von eben diesen Vergeben, im Gegensatz zu dem von Dir genannten Verfahren, wenn ich das richtig verstanden habe) wieviele wieviele Ehrendoktoren je Jahr im Durchschnitt vergeben. Ich fange mal an:
Informatik TU Dortmund hat drei Ehrendoktoren insgesamt: Zuse, Zadeh, Hartmanis.
Informatik Uni Hamburg hat vier: Weizenbaum, Zadeh, Brauer, Zuse.