Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus
Der Wind hat mir zugetragen, daß die Uni Freiburg da angeblich gerade jemanden auf Unterlassung verklagt, weil da jemand was über die Rolle dieser Universität im Dritten Reich behauptet hätte. Genaueres weiß ich nicht, ich habe mich auch noch nicht von der Wahrheit dessen überzeugt. Aber daß deutsche Universitäten ihre nationalsozialistische Vergangenheit zu vertuschen suchen, wissen wir ja spätestens seit dem Buch „Vertuschte Vergangenheit – Der Fall Schwerte und die NS-Vergangenheit der deutschen Hochschulen” über die RWTH Aachen.
Es ist bekannt, daß die Entnazifizierung an deutschen Hochschulen nicht stattgefunden hat. Fairerweise muß man aber auch sagen, daß ich wiederholt gelesen habe, daß der Nationalsozialismus an deutschen Hochschulen (z.B. die Sache mit der Entziehung der Promotion wegen Unwürdigkeit) vielerorts eher von Studenten und anderen Funktionären als von den Professoren ausging. Ich habe wiederholt gehört, daß die Entnazifizierung vor allem deshalb fehlschlug bzw. unterblieb, weil sich an vielen Hochschulen selbst die stramm nationalsozialistischen Professoren manchmal aus Corps-Geist doch noch in der ein oder anderen Weise vor jüdische oder sonst von den Nazis bedrohte Professorenkollegen stellten, die sich dann ihrerseits nach 1945 revanchierten und die Ex-Nazis gestellt hätten. Ob das so stimmt oder lancierte Legende ist – wer weiß. Ich weiß es nicht sicher.
Beim Googlen wegen des oben angesprochenen Gerüchtes bin ich aber auf das Buch „Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus” von John, Martin, Mück und Ott gestoßen, das ich gebraucht für Kleingeld erwerben konnte. Zum vollständigen Lesen habe ich keine Zeit (und wichtigeres auf der Leseliste), aber es zeigt zumindest mal, daß da was war und die Uni Freiburg nicht so wenig mit den Nazis zu tun hatte, wie sie wohl heute glauben machen will. Zitat aus der Umschlagklappe:
War es bislang gängige Auffassung, die Freiburger Universität habe im Windschatten nationalsozialistischer Hochschulpolitik gestanden, so hat diese Vortragsreihe dieses Bild gründlich revidiert. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur daran, daß dem Reichsinnenminister Frick im Jahre 1939 die Würde eines Ehrensenators der Albert-Ludwigs-Universität verliehen wurde; Freiburg war damals die fünfte deutsche Universität, die einen Nationalsozialisten in führender Stellung zu ihrem Förderer erklärte. […]
Die Beiträge dieses Bandes verdeutlichen detailliert die Vertrickungen der Universität und einzelner Disziplinen in den nationalsozialistischen Staat und ermöglichte damit erstmals einen umfassenden Einblick in diesen Abschnitt der Universitätsgeschichte.
Ob das auf Nationalsozialismus oder nur die übliche universitäre Straßenprostitution für Geld jede beliebige Meinung zu vertreten schließen läßt, sei dahingestellt. Auch heute bekommt ja jeder, der an Universitäten Geld ablädt, Ehrentitel, ohne daß die Universität irgendeine Gesinnung zu erkennen gäbe. Das muß nicht unbedingt nationalsozialistisch sein, vielleicht war’s einfach nur korrupt. Oder unfreiwillig.
Auch kann man meines Erachtens von Vorgängen vor 65 bis 75 Jahren nicht mehr ohne weiteres auf heute schließen, denn die Personen haben nicht nur einmal, sondern in mehreren Generationen gewechselt. Allerdings lassen die heutigen Sitten bei der Vergabe oder Entziehung von Doktorgraden oder der Berufung von Professoren nach dem (nicht existenten, nur vermeintlichen) Kooptationsrecht durchaus darauf schließen, daß einige nationalsozialistische Denkweisen und sogar Gesetzestexte bis heute überlebt haben, auch wenn deren nationalsozialistischer Hintergrund längst in Vergessenheit geraten und untergegangen ist. Tatsache ist, daß die deutschen Universitäten geistig jedenfalls noch nicht in der Demokratie, in der Gewaltenteilung und im Rechtsstaat angekommen sind.
Das erlaubt es aber nicht, die Vergangenheit zu leugnen oder Geschichtsfälschung zu begehen.
Bin mal gespannt, was sich daraus noch so ergibt und was da eigentlich gerade abläuft.
Es gibt auch Universitäten, die es viel souveräner handhaben. Sie lassen von sich aus die Geschichte der Uni und einzelner Fakultäten untersuchen, und dann werden die Ergebnisse publiziert, auch unangenehme.
Wir leben doch in einem völlig anderem politischen System, das hoffentlich nichts mehr mit dem vorherigen gemein haben will. Auch die Personen sind nun -70 Jahre danach- andere. Deswegen ist es unverständlich, warum man nicht ganz offen damit umgehen kann.