Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Wissenschaftsbetrug 2.0: Sabotage

Hadmut Danisch
30.9.2010 21:00

Es gibt im Prinzip zwei Methoden des Betrugs in einem Wettbewerb: Man verschafft sich selbst unberechtigte Vorteile oder man verschafft anderen Nachteile. Vulgo: man sabotiert.

Im ORF und auf Telepolis erschienen heute Artikel über einen Fall von Wissenschaftssabotage, über den wohl zuerst in Nature berichtet wurde.

An der Universität von Michigan hatte sich eine Doktorandin über Probleme bei ihren medizinischen Experimenten mit Zellkulturen gewundert. Nach einigem Hin- und Her installierte man heimlich Überwachungskameras und konnte einen anderen Wissenschaftler der Sabotage überführen. Man hatte den Wettbewerbsdruck dort so hoch geschraubt, daß er versucht hatte, das Fortkommen seiner Kollegin zu behindern. Bemerkenswerterweise wurde er von der Universitätspolizei geschnappt.

Bemerkenswert auch, daß die betroffene Forscherin zunächst mal gegen eine Wand von Ignoranz und Ungläubigkeit gelaufen ist. Die Leute glaubten/behaupteten, sie würde nicht weiterkommen und irgendeinen Ersatzschuldigen suchen. Und dann haben sie sie zuerst mal an den Lügendetektor angeschlossen. Typisches Beispiel dafür, daß man immer erst einmal dem Geschädigten bzw. dem Rangniedrigeren die Schuld zuschiebt. Schließlich hat man eben Überwachungskameras installiert und ist der Sache auf die Spur gekommen.

In den Artikeln wird auch angesprochen, daß das kein Einzelfall ist und daß man es meist nicht so einfach aufklären kann:

Misbehaviour in science is nothing new — but its frequency is difficult to measure. Daniele Fanelli at the University of Edinburgh, UK, who studies research misconduct, says that overtly malicious offences such as Bhrigu’s are probably infrequent, but other forms of indecency and sabotage are likely to be more common. “A lot more would be the kind of thing you couldn’t capture on camera,” he says. Vindictive peer review, dishonest reference letters and withholding key aspects of protocols from colleagues or competitors can do just as much to derail a career or a research project as vandalizing experiments. These are just a few of the questionable practices that seem quite widespread in science, but are not technically considered misconduct. In a meta-analysis of misconduct surveys, published last year (D. Fanelli PLoS ONE 4, e5738; 2009), Fanelli found that up to one-third of scientists admit to offences that fall into this grey area, and up to 70% say that they have observed them.

Bis zu einem Drittel der Wissenschaftler.

Und:

Dass wissenschaftliches Fehlverhalten durchaus kein seltenes Phänomen ist, machten in den letzten Jahren vor allem einige Plagiatsfälle deutlich, auch Datenfälschungen wurden bereits mehrfach aufgedeckt. Das öffentliche Bild der Wissenschaft hat dadurch einige Kratzer abgekriegt. In Österreich wurde daher 2008 zur Untersuchung derartiger Delikte die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) gegründet, die im Prinzip auch für Sabotage zuständig ist.

Wissenschaftliche Sabotage ist auch bei uns gang und gäbe. Nur mit dem Unterschied, daß sie bei uns überhaupt nicht verfolgt, sondern stets unter den Teppich gekehrt wird. Das fängt schon bei solchen „Kleinigkeiten” an, wie sie bei Jurastudenten beliebt sind, in der Bibliothek die Bücher zu verstecken oder Seiten rauszureißen, damit andere ihre Hausarbeiten nicht erledigen können.

Das ganze DFG-System mit seinen Peer Reviews ist ein einziges Hauen und Stechen, ein gegenseitiges Erpressen und Sabotieren.

Schaut man sich an, wie deutsche Professoren häufig ihre Gutachten erstellen, nämlich indem sie gar nichts prüfen oder untersuchen und nach Opportunität schreiben, ist ja auch nichts anderes als Sabotage. Und bedenkt man, daß die das nicht im Einzelfall machen, sondern meist gar nicht anders kennen und können, ist das auch nicht selten. Und bewußte Falschgutachten über Dissertationen sind ja auch nichts anderes als Sabotage. Unser akademisches System ist von seiner Struktur und dem Prinzip, daß immer der Rangniedrigere die Schuld bekommt, extrem sabotageanfällig.

Wissenschaftsbetrug 3.0 wäre dann der Mord(versuch). Hatten wir auch schon. (Der Spiegel 4/1999, Seite 64, Tee mit Gift)

Bei diesen hohen Betrugs- und Sabotagequote muß man sich schon fragen, wie man Wissenschaftlern überhaupt noch irgendwelche Glaub- und Vertrauenswürdigkeit zubilligen kann. Man muß grundsätzlich (schon wieder einmal) die Frage aufwerfen, inwieweit unser Wissenschaftssystem Kriminalität ermöglicht, fördert, belohnt.

3 Kommentare (RSS-Feed)

moni
1.10.2010 3:20
Kommentarlink

ich pack das mal unter “unberechtigte Vorteile”… http://www.youtube.com/watch?v=bkVJb4w1Jcc&feature=channel


Henrik
2.10.2010 2:35
Kommentarlink

Man kann auch selber auf für das Studium “SEHR NÜTZLICHE” Bücher stoßen und keinem Kollegen auf diese Bücher hinweisen.

Bzw. selbst wenn man zufällig eine Quelle entdeckt die einem anderen sehr Nützen könnte. Nichts davon zu sagen. Bonuspunkte gibt es, wenn man dieses Wissen dann bei der Präsentation ausgräbt, besonders dann, wenn der Professor fragt, warum man zu diesem Teilbereich keine Informationen finden konnte.


Steffen
2.10.2010 18:26
Kommentarlink

Bei den Juristen soll es wohl ein offenes Geheimnis sein, daß während der Prüfungsvorbereitungszeit grundsätzlich bei Standardwerken in der Bibliothek Seiten herausgerissen werden, Textstellen geschwärzt, oder elementare (aber in der Anschaffung sehr teure) Bücher gleich sofort geklaut werden. Mit der Absicht, daß die Konkurrenz (die Kommillitonen) diese prüfungsrelevanten Informationen nur sehr erschwert bekommt.

Und während meiner Studentenzeit in Karlsruhe war bekannt, daß zwei sich spinnefeind gesonnene Professoren vor dümmsten Sabotageakten nicht zurückschreckten: Durchgeschnittene Telefonkabel, in den Institutsbriefkasten geleerte Tinte usw. Und bei einer Festveranstaltung des Instituts ist der Konflikt soweit eskaliert, daß sie sich geprügelt haben.

Wenn an dem ganzen Zirkus nicht so Dinge hängen würden wie die berufliche Zukunft der Studenten, Gutachten nach denen Loveparades ausgerichtet werden usw, dann könnte man über diesen Kindergarten nur lachen.