Exzellenz als Fake
Ein Leser schickt mir einen Link auf diesen höchst lesenswerten Artikel über die Pseudo-Exzellenz und das Ende der Universitäten im ef-Magazinvon Adorján F. Kovács, in dem auf weitere interessante Artikel in Focus, Unsere Universitäten sind zerstört, und in der ZEIT, Akademischer Kapitalismus verwiesen wird. Es besteht Einigkeit darüber, daß man die Universitäten nachhaltig kaputt gemacht hat.
Aus ZEIT, Richard Münch, Akademischer Kapitalismus:
Unter dem globalen Regime der Gedankenlosigkeit, das McKinsey & Co. errichtet haben, ist es zur nicht mehr hinterfragten Selbstverständlichkeit geworden, dass alles besser wird, wenn nicht nur Daimler und Siemens, sondern auch Caritas, Goethe-Institut, Schulen und Universitäten nicht als »Behörden«, sondern als Unternehmen geführt werden. Man sieht ja an Fusion und Trennung von DaimlerChrysler unmittelbar, mit welcher Effizienzsteigerung gerechnet werden kann, wenn strategisches Management das Regiment führt. […]
Nach institutionsökonomischem Modelldenken ist der CEO-Präsident der Prinzipal, die Professoren sind seine Agenten. In dieser neuen akademischen Welt besteht nun das Hauptproblem des Managements darin, den Agenten zwar ihre Freiheitsspielräume ausdrücklich zu belassen, aber zugleich sicherzustellen, dass sie diese nicht zu ihren Gunsten und zulasten des Unternehmens ausnutzen. Dass die Agenten shirking betreiben, das heißt sich um die Arbeit drücken, ist die größte Befürchtung des ökonomisch geschulten Denkens. […]
Aus Forschern und Lehrern, die in eigener Verantwortung vor der wissenschaftlichen Gemeinschaft handeln und auf dem Fundament des akkumulierten Wissens das Neue und Überraschende suchen, werden durch »Konditionierung« Punktejäger gemacht. Die letzte Stufe dieser nach rückwärts gerichteten Evolution wird man dann erreicht haben, wenn es der Neurowissenschaft gelungen ist, die Gehirne der Forscher und Lehrer so zu kontrollieren, dass sie genau jene Kennziffern erfüllen, die nach zentralverwaltungswirtschaftlichem Plan gewünscht werden. Man müsste dann nur noch die Gehirne der Gehirnforscher richtig steuern, sodass sie zu genau jenen Forschungsergebnissen gelangen, die sich für die Steuerung von Forschergehirnen eignen. […]
Aus Hierarchien Pseudomärkte zu machen, aus Professionen Interessengruppen, aus Rektoren CEOs, aus Professoren Agenten und aus Universitäten Unternehmen – genau das ist unter der Hegemonie des ökonomischen Denkens das Selbstverständlichste der Welt geworden. […]
In aller Regel findet sogar eine Zielverschiebung statt. Es zielen jetzt nicht mehr Forscher auf neue Erkenntnis, sondern Universitätsunternehmen auf Kapitalakkumulation. Die alten Universitäten waren Orte, in der wissenschaftliche Gemeinschaften durch Kollegialität und gegenseitige Kontrolle Forschung und Lehre organisiert haben, und zwar oft zunftartig und weniger als Markt. Die Universität stellte dafür die Infrastruktur bereit, und der Rektor hatte als Primus inter Pares diese zu erhalten. Die Verrechnungseinheit für wissenschaftliche Erfolge war der individuelle Forscher, von dem der Glanz auf die Institution ausstrahlte. Die Träger des Ganzen waren aber immer die individuellen Gelehrten, deren Reputation sich weit über die Grenzen der Universität hinaus niederschlug. Internationalität war ihre eigene Sache und nicht die Sache der Institution. Der Unternehmer war der Gelehrte, nicht die Universität.
Wird die Universität zum Unternehmen gemacht, dann ändern sich die Verantwortung und die Trägerschaft von Forschung und Lehre grundlegend. Die Verrechnungseinheit ist jetzt nicht mehr der individuelle Forscher und Lehrer, sondern das Unternehmen. Es entsteht jetzt ein akademischer Kapitalismus. Der Erfolg der unternehmerischen Universität bemisst sich an der Kapitalakkumulation. Welche Art von Kapital wird dabei akkumuliert? Es handelt sich in der Tat um monetäres Kapital in Gestalt von finanziellen Ressourcen (Grundmittel vom Staat, Drittmittel von Förderern der verschiedensten Art, von der Förderinstitution bis zu Unternehmen und ehemaligen Absolventen), das in Forschung und Lehre eingesetzt wird, um daraus wieder mehr monetäres Kapital zu erzeugen. […]
Diese Reputation ist das »symbolische Kapital«, das in Gestalt von gefragten Gutachtern in Definitionsmacht verwandelt wird und genutzt werden kann, um monetäres Kapital anzulocken. Im Erfolgsfall ergibt sich ein zirkulärer Prozess der Anhäufung von symbolischem und monetärem Kapital. Dieser Akkumulationsprozess führt international zur Herausbildung von »Elite-Universitäten«, die ihr symbolisches Kapital dadurch vermehren, dass sie ihr monetäres Kapital einsetzen, um Spitzenwissenschaftler einzukaufen. […]
Es stellt sich schließlich die Frage, ob Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die sich als Unternehmen begreifen, überhaupt noch mit Steuergeldern finanziert werden müssen. Ein öffentliches Interesse daran kann kaum noch reklamiert werden. Im Zuge der Privatisierungswelle wäre es nur konsequent, dieses »Tafelsilber« an Investoren zu verkaufen und den Privatisierungserlös in die breite Förderung von Bildung und Wissenschaft der verbleibenden öffentlichen Universitäten zu investieren.
Man müßte also Kommerz-Universitäten, wie die Uni Karlsruhe, die ja so sehr nach dem amerikanischen Vorbild strebt, schlichtweg verkaufen und sie komplett privatisieren, wie eben in den USA. Dann hätte der Staat nicht nur viel Geld eingenommen, sondern einfach ein Problem weniger.
Auch der Artikel in Focus von Norbert Bolz enthält sehr eindrucksvolle Aussagen:
Zwei gut gemeinte Utopien haben die deutsche Universität zerstört. Zunächst die durch die Studentenbewegung vorgetragene Utopie von innen, nämlich die Demokratisierung von Lehre und Forschung durch Mitbestimmung und Gruppenuniversität. […]
Selbstverwaltung hatte das Ziel der Autonomie, aber das Ergebnis der Bürokratie. Dem politischen System ist das durchaus recht. Denn die Ministerialbürokratie hat sich in den Universitäten mit der „Selbstverwaltung“ einen Ansprechpartner geschaffen. Der einzelne Professor mit seinem Eigensinn kann hier nicht mehr störend dazwischenkommen. So wurden aus Dekanaten „Service-Center“. […]
Die zweite gut gemeinte Utopie, die die deutsche Universität zerstört hat, kam von außen und ist an den schönen Namen Bologna geknüpft. Gemeint ist die europanormierte Technisierung von Lehre und Forschung. An der Idee Humboldts gemessen, handelt es sich hier ganz schlicht um eine Verstaatlichung des Geistes. Und da sich die Forschung zumal eines Geisteswissenschaftlers nicht so gut organisieren und überwachen lässt wie die Lehre, erklingt überall die Einschüchterungsvokabel „Drittmittel“. Die Universität verwandelt sich immer deutlicher in eine Welt der Drittmittel und der Gefälligkeitsgutachten. Wie heißt es doch in Ernst Jüngers Roman „Heliopolis“: „Den Professoren wird das Apportieren beigebracht.“ […]
Dass sich der Ungeist der Projekte und Module so widerstandslos ausbreiten kann, hat natürlich auch sachliche Gründe. Der Einzelwissenschaftler ist längst an seine Kapazitätsgrenze gestoßen, und deshalb ist der Betriebscharakter der Universität in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern ein Schicksal. […]
Den Hauptgewinn aber streichen die politisch Korrekten ein. Sie haben den Politikern erfolgreich eingeredet, Universitäten seien pluralistische Institutionen, die nach Proporz und Quote besetzt werden müssten. Das neue Stichwort „Diversity“ heißt nämlich nichts anderes als: Bevorzugung bestimmter politisch organisierter Gruppen. Die ideologische Färbung eines Bewerbers wiegt viel schwerer als seine Qualität. Vor allem die Freiheit der Berufung ist durch die Gleichstellungspolitik und Quotierung radikal beschnitten worden. Und so ist ein neuer Typus entstanden: die Quotenfrau, die stolz auf sich ist. […]
Studenten und Professoren haben vor allem an geisteswissenschaftlichen Fakultäten heute eine gute Chance, in ein Treibhaus der Weltfremdheit hineinzugeraten. Die Studentenbewegung wiederholt sich heute als die Farce der politischen Korrektheit. Ihr „Diskurs“ setzt sich zusammen aus „Demobürokratie“ (Niklas Luhmann) und Sprachhygiene, aus Moralismus und Heuchelei, aus Sozialkitsch und einer politisch gefährlichen Perversion der Toleranz. Der Ton wird übrigens immer schärfer: Man wird politisch aggressiv, wenn man theoretisch nicht mehr weiterweiß.[…]
Chancengleichheit macht Könner und Versager deutlicher. Daraus folgt aber, dass wir den Mut zur scharfen Selektion beim Zugang entwickeln müssen. Die Besten, nicht die Korrekten sollten zum Zug kommen – sowohl beim Studium als auch bei den Professuren.
Los, Professor, spring! Hol’s Stöckchen! (Äh, pardon: Hol’s Drittmittel…) Brav, mach sitz!
Daß es schädlich ist, wenn Professuren nach Quote und politischer Korrektheit statt nach Qualität vergeben werden, habe ich ja auch schon kritisiert.
Und zurück zu Kovács:
Das neudeutsche Wortungetüm „Exzellenzcluster“ zeigt schon deutlich, dass Universitäten heute Unternehmen sind und weist auch in eine ganz bestimmte Richtung: Es handelt sich um eine im Rahmen der sogenannten Exzellenzinitiative des Bundes politisch erwünschte und also finanziell stark geförderte Veranstaltungsreihe. […]
Eine Ansammlung unterschiedlichster wissenschaftlicher Einrichtungen, die dem Laien Respekt abnötigen, ihn durchaus auch erschlagen und mundtot machen sollen. Der Kenner der Szene weiß aber, dass hier weniger Wissen als Geld akkumuliert wird, weil es mit der wissenschaftlichen Kooperation von künstlich und in panischer Eile unter einem schicken Namen zusammengeschusterten Instituten in der Praxis hapert und weil es im Zeitalter des “akademischen Kapitalismus” (Richard Münch) vor allem auf die nackte Addition von möglichst hohen Summen von Forschungsgeldern ankommt, um im Universitätsranking punkten zu können. […]
Wie bei einer öffentlich geförderten Veranstaltung zu Fragen der Toleranz in Deutschland nicht anders zu erwarten, soll natürlich keinerlei Anpassung von kulturell und religiös differenten Leuten an deutsche Gepflogenheiten erwartet werden. Im Grunde konnte man sich den Besuch dieses Stadtgesprächs nach Lektüre der Ankündigung schon ersparen. Vorsichtig gesprochen handelte es sich nämlich um ein Marketing für politisch korrekte Meinungen. Dem Zeitgeist entsprechend ist das Ganze wissenschaftlich verbrämt, um durch eine Quasi-Objektivität unangreifbar zu sein. Früher hätte man Propaganda dazu gesagt.[…]
Nun ist die Humboldtsche Universität – Bolz und Münch haben wohl recht – am Ende. Die „Idee der Bildung durch Wissenschaft, des forschenden Lernens und lehrenden Forschens in Einsamkeit und Freiheit“ (Helmut Schelksy nach Humboldt) ist abgelöst von den für praktische Zwecke instrumentalisierten Kulturwissenschaften. Betriebswirtschaftlich geschulte Dienstleister, als die heutige Wissenschaftler zu sehen sind, bedienen praktisch nützliche und ökonomisch verwertbare Forschungsgebiete. Die gewünschten Ergebnisse dieser Forschung sollen dann von “Scientific Managern” popularisiert werden. […]
Dass sich Wissenschaftler dafür finden, ist durch die erfolgreiche Selektion entsprechend disponierter Persönlichkeiten in solche universitären Positionen zu erklären: Jedes System findet die zu ihm passenden Leute. Man kann nicht einmal sagen, dass sie sich „dafür hergeben“, nein, sie tun es gerne, weil sie gar keinen Widerspruch zur Wissenschaft, wie sie diese verstehen, mehr sehen. Die wissenschaftliche Verbrämung dieser politischen Propaganda aber könnte man sich sparen – wo Wissenschaft nicht mehr unabhängig ist, kann sie auch nicht mehr zur objektiven Begründung politischer Vorgaben, zur intellektuellen Grundierung politischer Absichten verwendet werden. Sie verdoppelt nur, was politisch ohnehin gewollt ist. Sie ist tatsächlich ein Service-Center der Politik geworden.
Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob mich mich freuen soll oder nicht. Soll ich mich freuen, daß die öffentliche Diskussion in genau die Richtung läuft, die meiner Sichtweise entspricht? Immerhin ziele ich in diese Richtung ja schon seit Aufflammen meines Promotions-Korruptionsstreites 1998, also seit 12 Jahren. Nur eben ursprünglich aus der auf Karlsruhe eingeschränkten Sichtweise der korrupt-inkompetenten Durchsetzung von Prüfungs- und Berufungskomissionen. Es wird ja hier von allen drei Autoren auch bestätigt, was ich in Karlsruhe und anderswo beobachtet habe, nämlich daß es bei den Berufungen überhaupt keinen Qualitätsvergleich, keine Bestenauslese mehr gibt, sondern über die typischen MEthoden der Korruption der politisch korrekte in die Professorenstelle gehievt wird.
Und es wird hier auch bestätigt, daß der ganze Korruptionssalat von der Politik gesteuert, gewünscht, konstruiert, geschützt, instrumentalisiert wird. Der Fisch stinkt vom Kopfe her. Die Korruption geht von der Politik aus. Korruption passiert nicht einfach so. Korruption wird von unserer Regierung aufgebaut, besonders die Hochschulkorruption. Zunächst in Baden-Württemberg, und dann auf Bundesebene. Exzellenz-Tante Schavan läßt grüßen.
Schön, daß wir uns zunehmend über Diagnose und Symptomatik der Krankheit einig werden. Nur eine Heilung gibt es nicht. Die Universitäten sind durchsetzt, durchseucht, kaputtgemacht von korrupten Söldnern, und die sind alle auf Lebenszeit verbeamtet und dürfen sich den Nachwuchs selbst auswählen. Selbst wenn wir wirklich drastische und sofort wirksame Methoden hätten, würde es 30 bis 40 Jahre dauern, bis der aktuelle korrupte Filz da rausgewachsen ist, und dann hätte er verbrannte Erde, einen Scherbenhaufen hinterlassen.
Das beste, was man daraus noch machen kann, ist, die Exzellenz-Universitäten meistbietend zu versteigern, mitsamt der Professoren, und sich dann zugunsten der anderen Universitäten zu freuen, wenn sie an sich selbst pleite gehen.
In einem Punkt allerdings muß ich den drei Autoren widersprechen. Sie fordern immer so die geistige Selbständigkeit und Individualität der Universitäten. Das geht schief. Das funktioniert nur, wenn man hervorragendes (Oops, fast hätte ich geschrieben „exzellentes”) Wissenschaftspersonal hat. Das haben wir aber nicht. Wie sich an den Promotion zeigt, passieren da nur kriminelle Willkür und zelebrierte Inkompetenz, wenn man den aktuellen Wissenschaftspöbel sich selbst überläßt.
2 Kommentare (RSS-Feed)
Die Exzellenzinitiative, geschleust durch die Buchhaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ist ein lachhafter Versuch der Politik, Spitzenforschung zu fördern. “Graduiertenschulen” als letztlich nur aufgeplusterte Dktorandenprogramme herkömmlicher Art gehen ja noch, aber “Exzellenzcluster” und -noch viel schlimmer- “Zukunftskonzepte”- was um Gottes Willen soll das pumpen von zig Millionen Euro in “Zukunftskonzepte”. Muß diese Konzepte nicht jede Uni ohenhin habe? Nur mal so…
Lange vor Humboldt war die Theologie die Königin der Wissenschaften,
die Philosophie die Magd der Theologie. Heute ist eben die Ökonomie zue Leitwissenschaft geworden.