Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Vom Risiko Wissenschaftler zu werden

Hadmut Danisch
1.12.2010 22:24

Der SPIEGEL hat dazu einen interessanten Artikel.

Zitat:

“Das deutsche Wissenschaftssystem”, so die Soziologen Klaus Dorre und Matthias Neis, kenne “prinzipiell nur Professoren und solche, die es noch werden wollen”. Die beiden Wissenschaftler weisen in der Studie damit auf ein strukturelles Problem hin, das viele junge Wissenschaftler verunsichert: Wer dauerhaft wissenschaftlich an einer Hochschule arbeiten will, muss früher oder später Professor werden – sonst wird die Luft dünn und ein Umsatteln auf andere Tätigkeitsbereiche jenseits der Uni ausgesprochen schwierig.

Weil es an den Hochschulen nur wenige feste Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau gibt, bekommt die Frage nach Aufsteigen oder Aussteigen ein besonderes Gewicht. Allerdings wird eine Habilitation, die trotz der Juniorprofessur immer noch der übliche Weg einer akademischen Laufbahn in Deutschland ist, im Durchschnitt aller Facher erst mit knapp 40 Jahren abgeschlossen. Viele gehen also mit hohem Einsatz in den Traumberuf Wissenschaft: Alles oder nichts.

Was ist die Konsequenz daraus?

Den Karriereweg der Wissenschaft einzuschlagen, ist eine hochriskante Sache. Falls man keine Professur bekommt, ist man im Eimer, und schafft dann auch den Sprung in die Wirtschaft nicht mehr.

In der Konsequenz führt das dazu, daß in dier Wissenschaft nur die bleiben, die lieber das Risiko eingehen als sich außerhalb der Universitäten etwas zu suchen. Mit anderen Worten: Die Professorenschaft rekrutiert sich vornehmlich aus denen, die im normalen Leben nichts werden.

13 Kommentare (RSS-Feed)

Roman
2.12.2010 11:57
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Ich verstehe Deinen Schlusssatz nicht: Wieso schliesst Du daraus, dass Leute, die sich auf die Wissenschaft stürzen, wenn auch mit Risiko im normalen Leben nichts werden konnten?

Viele Professoren (in der Informatik), die ich kenne, haben auch eine Zeit in der Industrie hinter sich, auch Uni-Profs… möglicherweise ist das in Karlsruhe anders ;-).

Im Übrigen stimme ich Deinem Zitat weitestgehend zu: Den Beruf des Forschers oder Wissenschaftlers gibt es in Deutschland fast nicht. Man kann nur Hochschullehrer werden. Und das führt dazu, dass man wenn man Forschen will Lehre auch schonmal als unangenehmes Beiwerk sieht.


Hadmut Danisch
2.12.2010 13:41
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Es ist eine ganz einfache Abwägung (die mich übigens damals selbst dazu veranlaßt hat, mir ein Fundament in der Industrie aufzubauen, obwohl ich eigentlich auch die Professur als ein Ziel hatte).

Wenn man sieht, daß man in der Universität nur Chaos, Korruption, grenzenlose Willkür und kriminelle Machenschaften bei den Berufungsverfahren zu erwarten hat (ich hab jedenfalls in Karlsruhe einige näher untersucht und in die Akten gesehen), dann ist das ein Lotteriespiel.

Es lockt zwar die Professur mit lebenslanger sicherer Verbeamtung, wenig Arbeit, lockersten Arbeitszeiten, null Qualitätsanforderungen, saftig Dienstreisen, haufenweise Nebeneinkünfte und automatisch viel Einfluß auf Politik usw. Das hat aber auch was von einen Pyramidenspiel (auch Ketten- oder Schneeballsystem genannt). Für viele leuchtet der Gewinn, aber im Endergebnis kommen nur ein paar – meist noch kriminell Veranlagte – an den Jackpot, und der große Rest ist angeschmiert und zahlt drauf. Die Professur ist ein toller Gewinn multipliziert mit einer (bei ehrlichem Vorgehen und ohne Seilschaften) geringen Gewinnchance. Jedenfalls in Karlsruhe und ähnlichen Korruptokolchosen.

Profs mit Industrieerfahrung kenne ich kaum. Und von denen fallen mir zunächst mal einige ein, die auf korrupte Weise installiert wurden (Stiftungsprofessuren, damit die Industrie ihren Lobbyisten mit dem Anschein des Wissenschaftlers und mit Professorentitel unterbringt, siehe z. B. Pharmabereich). Es mag welche geben, und die Gepflogenheiten an den Universitäten sind sicherlich auch unterschiedlich.

Aber an vielen Universitäten wird als Auswahlkriterium darauf geachtet, daß der Bewerber eine lückenlose Universitätszugehörigkeit hat. (Was auch wieder korrupte Züge hat, weil man genau weiß, daß solche Leute außerhalb der Uni ab einem gewissen Alter überhaupt nicht mehr vermittelbar und untauglich sind und deshalb als Taxifahrer, Hartz IV oder sowas enden. Ich habe mal eine längermonatige Sicherheitsuntersuchung in einem Industriekomplex vorgenommen, wo immer wieder so ein seltsamer Mensch herumschlich und die Blumen goß. Sagte nie etwas, nicht mal Guten Tag. Reagierte und kommunizierte auch nicht näher. Ich und sogar die Mitarbeiter der Firma dachten, daß wäre irgend ein armer Ausländer, der kein Deutsch spricht und nichts gelernt hat, dem man da halt die Gelegenheit gibt, sich ein paar Kröten zu verdienen. Irgendwann unterhielten die sich zufällig mal über Photosynthese und der Typ hörte das. Auf einmal sprang der wie von der Tarantel gestochen auf, schnappte sich einen Stift und hielt spontan in bestem Deutsch einen geschliffenen Vortrag über alle Details der Photosynthese und schrieb sämtliche chemischen Formeln perfekt an das Whiteboard. Es stellte sich heraus, daß der Mann deutscher, promovierter und habilitierter Biologe war, im Uni-Umfeld keine Professur bekam, den Absprung in die Industrie verpaßt hatte und sich nun seinen Lebensunterhalt damit verdienen mußte, daß er durch die Büros schlich und die Blumen goß. )

Dagegen haben (zu) viele Informatiker nicht mal ihr Studium abgeschlossen, weil es eine Zeit lang mal so war, daß man selbst als unfertiger Student mit ein paar Fähigkeiten sofort mit ordentlichem bis sehr gutem Gehalt abgeworben wurde.

Das heißt, daß für den, der soviel drauf hat, daß er sich in der Industrie selbst ernähren kann, die Abwägung zwischen Elfenbeinturm und Außenwelt ganz anders ausfällt als für den, mit dem man in der Industrie nichts anfangen kann.

Ich habe mich tatsächlich zweimal in Karlsruhe um eine Professur beworben, einmal davon habe ich das auch bis zum Konkurrentenschutzverfahren durchgezogen. Es wurde mir gesagt, daß eine Industrietätigkeit nicht nur nicht gewürdigt wird, sondern explizit unerwünscht ist. Sie wollen niemanden mit Erfahrung, das paßt nicht in ihren Schwafelclub. Die achten sehr darauf, daß man das, was man lehrt, noch nicht selbst getan hat, könnte ja die Willkür trüben oder die anderen schlecht aussehen lassen. Und selbst wenn sie diese Aversion nicht hätten, würde das nicht weiterhelfen. Es stellte sich nämlich heraus, daß sie die Bewerbungsschreiben gar nicht erst lesen. Die nehmen sich nur die Veröffentlichungslisten und zählen durch. Gucken nicht mal drauf, was veröffentlicht wurde, und ob derjenige das überhaupt selbst war. Nur die Zahl der Veröffentlichungen zählt.

Und damit kann man als Industrie-Informatik noch so viel Erfahrung und Wissen haben, mit dem man jeden Hochschul-Professor locker in die Tasche steckt. Es nutzt nichts, weil es in deren Bewertungsfunktion nicht vorkommt. Ich habe in den letzten Jahren so viele Dinge getan, die mir zwar viel Wissen eingebracht haben, aber die nicht zur Veröffentlichung taugen oder die ich schlichtweg nicht veröffentlichen darf, Schweigepflicht usw.

Und damit führt – auch ein Auswuchs der Selbstbeweihräuchrung – das kaputte Bewertungssystem der Unis dazu, daß bei der Bewerbung um eine Professur der eigentlich viel schlechtere Informatiker, der noch gar nichts gemacht hat außer ein paar dusselige inhaltslose Papers in irgendwelchen Gegenseitigkeitszirkeln zu „veröffentlichen” höher bewertet wird als der, der seit 10 oder 15 Jahren in der Industrie seinen Mann steht, echte Systeme baut und der nicht einfach irgendwelchen ungeprüften Blödsinnn behauptet, sondern dessen Arbeit seit Jahren erfolgreich funktioniert (z. B. Angriffen standhält). Deshalb gibt es so wenige, die von der Industrie (auf sauberem Wege) wieder in die Universität zurückkommen.

Und die, die auf dem Wege der lückenlosen Universitätszugehörigkeit in die Professur gehievt werden, sind eben die, für die das hohe Risiko die bessere Alternative war, weil sie außerhalb der Universität nicht überlebensfähig wären. Deshalb sind manche Informatikfakultäten auch so Theorieübersäuert. Weil da nur die Theoretiker geblieben sind.

Wie ich bei meinen Recherchen irgendwann mal herausgefunden habe, hat die Karlsruher Informatik-Fakultät ja genau deshalb auch zwei verschiedene Doktorgrade eingeführt. Den Dr. rer. nat. gibt es für die „wahren” Wissenschaftler, die irgendwas unnütz-theoretisches schreiben, was nie wieder irgendwer ließt, die man aber als Professorenanwärter ansieht, und dann zur Separierung den Dr. Ing. für die industrieartigen Dissertationen, die man eigentlich gar nicht wollte, die man aber zum Gelderwerb akzeptiert hat. Ein Hauptfehler, den ich gemacht habe, war, auf meine Diss damals „für den Dr. Ing.” draufzuschreiben, weil man damit bei denen sofort in die Denkschiene rutscht, der kann nichts wissenschaftliches, das braucht man gar nicht erst zu lesen, das ist eine Bezahlpromotion, also hängt die Note vom Schmiergeld ab. Diese Dichotomie hängt bei denen unverrückbar in den Köpfen fest, und sie wirkt sich auch auf die Berufungen aus. Professor wird man entweder als reiner Universitätsinterner, oder aus der Industrie mit Geld und Beziehungen (meist dann als Honorar- oder Stiftungsprofessor, aber nicht so richtig).

Das ganze Universitätssystem ist eine systematische Bevorzugung der Unfähigen, Untauglichen und außerhalb der Universität Unbrauchbaren.


Roman
3.12.2010 14:05
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Deine Ausführungen entsprechen praktisch überhaupt nicht meinen Erfahrungen an der Uni, an der ich studiert habe — an anderen kenne ich das aber auch so.

Es scheint große Unterschiede zu geben.


Hadmut Danisch
3.12.2010 14:10
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Ja, es gibt sehr große Unterschiede.

Und den schlechten, korrupten Universitäten gibt man die Exzellenz-Auszeichnung.

Im Nachhinein bereue ich es zutiefst, nach Karlsruhe gegangen zu sein. War halt damals die angeblich beste Informatik-Uni und lag nicht zu weit weg. War aber alles Schwindel. Von der Universität Karlsruhe kann ich jedem nur dringend abraten.


pepe
4.12.2010 2:38
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Ist doch lange bekannt. In anderen Laendern ist das anders, aber bei uns wird man nach dem Doc entweder Prof oder gar nichts.

Ohne Zweifel ein hohes Risiko. Aber unter den Leuten, den du hier pauschal Inkompetenz vorwirfst, befinden sich auch gerade die, die den Uni-Zirkus nicht ohne Weiteres mitmachen, die sich um die Kohle oder die 15min Interview bei RTL nicht scheren sondern Forschung machen wollen, und daher an korrupten Unis nicht gern in den erlauchten Kreis der Professoren aufgenommen werden.

Aus der Sicht des freien Markts ist sowas natuerlich bekloppt, und diese Leute untauglich: Man muss sich verkaufen, man muss alles tun um oben auf zu schwimmen. Auge um Auge, und wer am Ende uebrig bleibt war halt nicht “kreativ” oder “ehrgeizig” genug: Selber schuld wenn er obdachlos ist, er haette ja irgendwen erpressen oder eine Bank ausrauben koennen…


Roman
4.12.2010 18:24
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Na, mal sehen, ich bin Ende des Jahres Doc und hoffe, danach nicht gar nichts zu werden — aber auch nicht Prof. ;-).


Fabian
4.12.2010 20:34
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Wenn das ein so tief sitzender systematischer Fehler wäre, dann stellen sich zwei Fragen: Warum ist ein solches System noch nicht längst zusammengebrochen (warum z.B. steckt die Industrie zuweilen immer noch soviel Geld in Universitäten? Die Drittelmittel machen da ja einen nicht unerheblichen Teil des Budgets aus.)? Und wo kann man noch ruhigen Gewissens (z.B. Informatik) studieren?


Hadmut Danisch
4.12.2010 20:57
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@Fabian: Ich glaube, die Frage ist falsch gestellt.

Ich glaube nämlich, daß System ist – je nach Fach – gerade im Zusammenbrechen, schon zusammgebrochen oder – in der Informatik – nie hochgekommen. Es häufen sich doch die Klagen und Berichte darüber (und einige davon habe ich ja hier im Blog schon zitiert), wonach unser Universitätssystem zu einem Haufen aus Korruption, Schwindel und Gefälligkeitsgutachten degeneriert. Was ist das, wenn nicht der Zusammenbruch?

Und die deutsche Informatik war im Wesentlichen (von ein paar sehr kleinen Ausnahmen abgesehen) noch nie etwas anderes als ein Haufen Schrott, vor 30-40 Jahren zusammengekehrt aus Leuten, die in ihrem Fach nichts geworden sind. Fast keiner der Professoren in meinem Studium, oder der Prüfer und Sachverständigen, mit denen ich im Promotionsstreit zu tun hatte, hat selbst Informatik studiert. Bei manchen wäre das nicht möglich gewesen, weil es das Studium damals noch nicht gab. Aber keiner von denen hat sich selbst das nötige Wissen angeeignet. Die meisten Professoren, mit denen ich zu tun hatte, hatte von Informatik kaum bis keine Ahnung, höchstens Nischenwissen. Aber wollten mir als Vollinformatiker mit mehreren Jahren Berufserfahrung erzählen, was falsch und was richtig ist.

Und selbst die Leute, die ein Informatik-Diplom oder gar eine Promotion in Informatik haben (guck mal in Adele nach den Vergleichsdissertationen oder in diesem Blog hier nach meinen Kommentaren zur Dissertation von Heike Stach), geben manchmal einen grausamen Unfug von sich, weil die Informatik überhaupt kein greifbares Fach ist, sondern eine inkonsistente und unbegrenzte Ansammlung von lauter kleinen Einzelthemen, und damit eigentlich gar kein Fach. Es gibt in Deutschland keine einzige Fähigkeit, auf deren Beherrschen man sich verlassen könnte, wenn einer mit einem Diplom oder Doktor in Informatik rumläuft. Juristen haben Grundkenntnisse, Ärzte auch, aber Informatiker können verlässlich gar nichts. Und deshalb kann auch jeder Depp Informatik-Professor werden, weil man nichts können muß. Zu jeder beliebigen angefragten Fähigkeit kann man sich herausreden und sagen, daß man gerade vom anderen Lager ist. Deshalb gibt’s auch so viele Theoretiker – weil’s die beste Ausrede ist, daß man außer ein paar kleinen Randthemen von der Informatik eigentlich gar nichts kann.

Wenn ich heute vor der Wahl stünde, und die Wahl auch tatsächlich hätte (eben auch familiär und finanziell), würde ich in Australien studieren. Und ein paar Semester in den USA.

Die Informatik-Ausbildung in Deutschland ist ein ziemlicher Schrott.

Warum aber die Industrie da so viel Geld ablädt? Das hat verschiedene Gründe.

Ein Grund ist, daß es natürlich schon die ein oder andere kleine Befähigungsinsel gibt. Die dann meist auch nicht reicht, um die Informatik so abzudecken, daß man sich „Informatiker” nennen könnte, aber die genügt, um eine bestimmte begrenzte Aufgabe zu lösen, und das ist bei Drittmittelprojekten häufig der Fall. Weil eben viele Informatiker nur einen kleine Aspekt der Informatik drauf haben. Und wenn der gerade für das Projekt reicht…

Ein zweiter Grund (vor allem in der Medizin) ist, daß die Industrie ja oft nicht für Fähigkeiten und Problemlösungen, sondern für Schwindel, Namen, Professuren, Doktorgrade und Gefälligkeitsgutachten zahlt. Beispielsweise werden neue Wirkstoffe meist nicht in den Universitäten entwickelt, sondern in den Konzernlabors. Die Professoren und Verlage bekommen dann Schmiergeld dafür, daß sie die nötigen Studien so durchführen, daß deren Ergebnisse möglichst genehm sind, und dann Wissenschaft und Professor drunter steht. Je verdreckter das System, desto besser schmeckt es gewissen Industriezweigen.

Ein dritter Grund ist, daß es ein Irrtum ist, daß die Industrie sooo viel Geld da reinsteckt (in der Medizin schon, aber beispielsweise nicht so sehr in Rechtswissenschaften oder Informatik). In manchen Fächern kommen viele Drittmittel doch wieder über den Staat, etwa über die DFG oder Ministerien oder irgendwelche sonstigen öffentlichen Aufträge. Und die pfeifen auf Qualität. Die wollen möglichst schnell das hören und lesen, was sie hören und lesen wollen. Wenn man da mal (und das habe ich ja schon mehrfach getan) nachhakt, wie irgendein Bundesministerium (vgl. z.B. in meinem Blog die Vorgänge zur Gesundheitskarte) da den Professoren Forschungsmittel zuschustert, findet man wieder jede Menge Dreck. Da wird gelogen und geschwindelt, Befähigungsnachweise gar nicht erst gefordert, man vergibt halt an Professoren und basta. Und je korrupter und williger, das, was man haben will, auch „problemlos” so abzuliefern, desto besser.

Das hat mit Wissenschaft nichts zu tun, das ist der Straßenstrich. Und rate mal, welche Huren auf dem Straßenstrich das meiste Geld machen…


insider
10.12.2010 11:46
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Ich stimme 100% mit Herrn Danisch zu was er oben geschrieben hat, eine treffende Analyse über die Informatik an deutschen Hochschulen.

Früher dachte ich immer ich bin der Einzige der das so sieht. Schön, dass es noch mehr Leute gibt, die mit offenen Augen durch Leben gehen.


pepe
10.12.2010 23:37
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> Wenn ich heute vor der Wahl stünde, und die Wahl auch tatsächlich
> hätte (eben auch familiär und finanziell), würde ich in Australien
> studieren. Und ein paar Semester in den USA.

Das kann ein mindestens ebenso schwerer Griff ins Klo sein. In Deutschland herrscht vielleicht ueberall Mittelmass, aber in Amiland und Australien geht es doch nicht weniger korrupt zu. Es stimmt zwar, dass man dort fuer genuegend Geld eine sehr gute Ausbildung bekommen kann, aber ebenso kann man bei genau den gleichen Unis auch mit genuegend Geld einfach nur seinen Abschluss machen ohne jemals was geleistet zu haben, einfach um dann irgendein hohes Amt bekleiden zu koennen.


Hadmut Danisch
10.12.2010 23:46
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Das ist eben der Punkt: Man kann zwar korrupt, wenn man will, aber man muß nicht so wie hier, wenn man nicht will.

Freilich kann man in den USA in allem ein Diplom kriegen, indem man die Football- oder Baseball-Mannschaft der Uni nach vorne bringt. Für Geld geht auch alles. Aber wenn man will, kann man dort auch ordentlich studieren. So eine Wegelagerei und Schutzgelderpressung, wie sie mir hier widerfahren ist, gilt dort als ziemlich ausgeschlossen (habe mich mit amerikanischen und australischen Professoren ausgiebig drüber unterhalten).

Außerdem ist Australien auf dem Korruptionsindex viel besser als Deutschland.


Fabian
11.12.2010 4:08
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“Was ist das, wenn nicht der Zusammenbruch?”

Das sind alles valide Punkte, aber was ich aber mit Zusammenbruch verbinde, wäre das die Absolventen, also mithin das Resultat eines solchen Systems, aufgrund der Systemfehler in großen Maßen nicht mehr zu gebrauchen wäre, also z.B. Leute als Arzt approbiert würden und die wegen der Mängel im Hochschulsystem nicht in der Lage wären zu praktizieren (oder dies mit fatalen Konsequenzen betreiben würden). In anderen Fächern analog dazu.

Worauf ich hinaus will: dem System fehlt bis dato eine Form von negative Rückkopplung, aber über kurz oder lang müsste es doch durch solchen Qualitätsverlust (oder die wachsende Diskrepanz zur Konkurrenz bei Verharrem auf flachem Niveau) drastische Effekte geben, die die freie Wirtschaft und/oder die Politik dazu bewegen müssten, kein weiteres Geld mehr durch den Ofen zu jagen, weil selbst die kurzsichtig erkauften “Vorteile” nicht mehr recht funktionieren.

“Und selbst die Leute, die ein Informatik-Diplom oder gar eine Promotion in Informatik haben (guck mal in Adele nach den Vergleichsdissertationen oder in diesem Blog hier nach meinen Kommentaren zur Dissertation von Heike Stach), geben manchmal einen grausamen Unfug von sich, weil die Informatik überhaupt kein greifbares Fach ist, sondern eine inkonsistente und unbegrenzte Ansammlung von lauter kleinen Einzelthemen, und damit eigentlich gar kein Fach. Es gibt in Deutschland keine einzige Fähigkeit, auf deren Beherrschen man sich verlassen könnte, wenn einer mit einem Diplom oder Doktor in Informatik rumläuft.”

Die Geschichte über die Diss. von H. Stach habe ich jetzt nachgelesen und mich dabei gleichermaßen amüsiert wie gegruselt. Ich weiß nur nicht, ob die These es gebe keine Fähigkeit auf die man sich verlassen könne, wenn einer mit einem Diplom in Informatik herumläuft, so haltbar ist. Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, es ist durchaus denkbar und drin schriftliche Prüfungen an der Uni irgendwie zu bestehen (Motto: Vier gewinnt) ohne wirkliches Verständnis für den Stoff zu entwickeln (Schema F, Auswendiglernen, Bulemielernen). Aber ich denke gute und selbst durchschnittliche Noten kann man ohne ein gewisses Verständnis nicht erreichen. Oder richtet sich die Kritik gegen den Fächerkanon? Da habe ich zwar auch schon eine große Bandbreite festgestellt (beim Hauptstudium scheint es mir wirklich so zu sein, geprüft wird das was den aktuellen Profs gerade so Spaß macht), aber auch in der Informatik gibt es m.E. einen gewissen allen Studiengängen gemeinsamen Grundstock, mir wäre jetzt z.B. noch kein Informatikstudiengang ohne eine Vordiplomprüfung über Algorithmen/Datenstrukturen untergekommen – oder meinst du der Kanon ist nicht ausreichend groß bzw. zu anspruchslos?

Was die USA anbelangt: es wäre ja auch eine Unverschämtheit noch Schutzgeld zu verlangen wenn man für das Studienjahr schon eine deutlich fünfstellige Summe genommen hat. Allerdings ist das kein Pro-Gebühren-Argument, denn in Deutschland würde sich nichts ändern, egal ob man nur Verwaltungskosten, 500 Euro oder 15.000 Euro zahlen würde.

Bleibt nur noch Autodidakt zu sein, aber selbst dann muss man in diesem papiergläubigen Land durch ein Studium. Sozusagen als rite de passage.


Hadmut Danisch
11.12.2010 12:28
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Bei Medizinern mag es noch gehen, weil da ein Versagen leichter auf sie zurückfällt und da noch eine gewisse Verantwortung herrscht – Krankenhäuser achten schon aus Haftungsfragen darauf, daß es nicht zu schlimm zugeht.

Den Effekt, daß das Hochschulsystem reihenweise unfähige Leute ausspuckt, haben wir aber teilweise bei den Juristen schon erreicht. Es gibt eine Menge Richter mit der „Befähigung zum Richteramt”, die nicht einmal ihr Grundwerkzeug beherrschen. Und weil Richter für ihren Pfusch nicht haften und keine persönlichen Folgen daraus haben, stört’s keinen. Da hat der Zusammenbruch schon stattgefunden.

Warum die Industrie noch immer Geld da reinstopft? Keine Ahnung. Vielleicht wegen der erhofften Gefälligkeitsgutachten? Erklärt auch nicht alles.

Frag doch mal Hans-Werner Hector, wie er darauf gekommen ist, ausgerechnet einem Saftladen wie der Uni Karlsruhe 200 Millionen zu schenken. Ich glaube aber nicht, daß Du von dem jemals eine Antwort bekommen wirst. Dem fehlt nämlich das Veranwortungsgefühl, sich der Öffentlichkeit auch darüber zu erklären, wenn er so massiv in einen öffentlich-rechtlichen Komplex eingreift und manipuliert.