Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Abschreiber, Fälscher, Ideendiebe – Wissenschaftsbetrug in Deutschland

Hadmut Danisch
2.1.2011 11:45

Eine sehr interessante und kritische Radiosendung zum wissenschaftlichen Betrug auf SWR2.

Schon vor über 6 Wochen (Ich war im Dezember anderweitig beschäftigt und abgelenkt, weshalb meine Mailbox mit unabgearbeiteten Hinweisen übergelaufen war, Danke an den Leser für den Link!) kam auf SWR2 eine sehr interessante Radiosendung von Anja Braun über den in Deutschland extrem wuchernden Wissenschaftsschwindel.

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Darin wird auch gut erklärt, daß die Interessenlage in Deutschland sehr stark in Richtung Betrug und komplett gegen Aufklärung besteht, und wie die Universitäten und die Verlage eigene Interessen am Betrug haben und den stützen – und damit auch die Betrüger bevorzugen und die Ehrlichen rausdrängen. Zitat:

Es scheint, als hätten die Ombudsmannstellen an vielen Universitäten reine Alibifunktion. Damit nicht offenbar wird, wie wenig sich die Universitätsleitungen um Betrügereien ihrer Mitarbeiter scheren.

Dazu auch die Aussage eines Wissenschaftlers, der Betrug aufgedeckt hat:

Klar, wer aufmuckt, der wird im einfachsten Fall halt gekündigt oder es wird ihm lebenslange Verdammnis angedroht.

Kommt mir doch sehr, sehr bekannt vor.

Oder diese Aussage von Volker Rieble:

Normalerweise ist es so, dass all die Plagiatoren immer noch lustig weiter in all den Vereinen und Gremien der Wissenschaft sitzen und sich wichtigmachen und gelehrt
tun, obwohl sie doch eigentlich einen Teil ihrer Gelehrsamkeit geborgt haben.

Unser Wissenschafts- und Hochschulsystem ist inzwischen in wirklich jeder Hinsicht und in jedem Winkel auf organisierten Betrug im großen Maßstab ausgelegt, das sich massiv und effektiv gegen Aufklärung und Recht wehrt. Eine Forschungsmafia.

Es klingt auch gut an, daß das System insgesamt paradox ist. Man hat – anscheinend in der Absicht, die faulen und untätigen Professoren aufzuscheuchen – das ganze System auf extremen Konkurrenzdruck und hohe Publikationszahlen getrimmt, wo jede Publikation Geld bringt, und nach deren Qualität und Herkunft nicht mehr gefragt sondern nur noch abgezählt wird (wie ich das ja auch in Berufungsverfahren schon beobachtet habe), was zu extremem Publikationsdruck bei gleichzeitigem völligem Absturz der Qualität geführt hat. Stichwort Hirschfaktor. Dieser Versuch, die faulen Professoren (eine Sorte Betrüger) anzutreiben, hat im Endeffekt aber dazu geführt, daß man eine andere Sorte Betrug zu explosionsartigem, alles verdrängendem Wachstum gebracht hat.

Erinnert mich an eine Story, die mir mal jemand aus der DDR erzählt hat. Als der Plan vorsah, daß eine Schraubenfabrik im Jahr eine bestimmte Zahl von Schrauben herzustellen hat, haben sie nur ganz kleine Schrauben hergestellt. Dann hat man den Plan von Stück auf Gesamtgewicht umgestellt, und sie zur Herstellung größerer Schrauben aufgefordert, da haben sie nur noch ganz große Schrauben hergestellt. Eine Schuhfabrik hatte die Vorgabe, eine bestimmte Zahl von Schuhen pro Jahr herzustellen. Also haben sie in einem Jahr nur linke, im darauffolgenden Jahr nur rechte Schuhe hergestellt, weil man das als effizienter ansah. Und zwischendrin auf ein neues modischeres Modell umgestellt.

Diese Planwirtschaft, die allein auf möglichst hohe Publikationszahlen ausgelegt ist und jeglichen Schwindel völlig ignoriert, muß zwangsläufig auf Betrug und Kriminalität hinauslaufen, das ist eine regelrechte Betrügerzucht unter hohem evolutionären Druck.
Und dann kommen unsere Politiker, die das ja so mit angerührt haben, und behaupten, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein…

Was mich allerdings daran ziemlich ärgert ist, daß sich die DFG-Ombudsfrau Ulrike Beisiegel mal wieder als die große Sauberfrau produziert. Dabei halte ich die auch nur für eine Alibi-Attrappe, denn auf meine Hinweise hat die bisher überhaupt nicht reagiert. DFG und Beisiegel stellen sich immer so als die Betrogenen hin, die auf Aufklärung drängen, dabei ist die DFG Teil des Problemkerns. Also hätte man bei denen mal ziemlich kritisch nachfragen müssen, etwa warum Wissenschaftsbetrüger noch jahrelang weiter als DFG-Gutachter arbeiten und die in der Sendung angesprochene Rache („Verdammnis”) über die DFG vollstrecken können. Insofern muß man der Autorin Anja Braun schon den Vorwurf machen, daß sie Leute als Aufpasser/Betrogene vors Mikrofon holte, die ich eher dem Lager der Betrüger zuordnen würde. Ist aber trotzdem noch ein guter und sehr hörens-/lesenswerter Beitrag geworden.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

HF
2.1.2011 16:32
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“Dieser Versuch, die faulen Professoren (eine Sorte Betrüger) anzutreiben, hat im Endeffekt aber dazu geführt, daß man eine andere Sorte Betrug zu explosionsartigem, alles verdrängendem Wachstum gebracht hat.”

Ein Ökosystem (oder die Wirtschaft) ist eben keine Dampfmaschine.
Das Herumdrehen an irgendwelchen Schrauben, die gerade bequem erreichbar sind, bringt nur selten Verbesserungen und oft gaaanz unerwartete Folgen. Fragt sich nur, unerwartet für wen?