Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Trivial-Promotion in 4 Wochen?

Hadmut Danisch
30.1.2011 15:15

Warum eigentlich die Mühe wissenschaftlichen Arbeitens auf sich nehmen, wenn man in Deutschland so ganz offiziell auch mit Dünnschiss promovieren und Karriere machen kann?

Nein, ich rede nicht wieder von der Mediziner-Promotion, die so trivial ist, daß manche Politiker schon vorschlagen, doch lieber so ehrlich und effizient zu sein, sie dem Medizin-Diplom gleich kostenlos mit beizulegen. (Mir erzählte mal jemand von einem Fall, wo jemand seinen Dr. med. dafür bekommen hat, daß er für ein Krankenhaus billigere Einkaufsquellen für Papierhandtücher und Klopapier gefunden hat.)

Nein, es geht auch anders. Ein empörter Leser hat mich auf einen aktuellen Artikel in der FAZ hingewiesen. Paßt mal wieder, denn die FAZ halte ich sowieso für ein unseriöses Propagandablatt. Sowas ähnliches wie die BILD, nur an andere Bevölkerungsschichten gerichtet. Die sind mir ja schön öfters als Jubilierdienstleister für Wissenschaftler aufgefallen.

Und die bezubeln da jetzt jemanden namens Emilio Matthaei, der mit 29 in Wirtschaftswissenschaften promoviert hat und gleich einen Job bei Goldman Sachs bekommen hat. Das ist eine Bank, die ihren Bankern Milliarden-Boni auszahlt, und gegen die wegen Betrugs ermittelt wird oder wurde. Dabei jubeln sie über etwas, was sich eigentlich völlig dubios liest. Der promovierte nämlich, indem er sich vier Wochen lang die Terminkalender von Vorständen ansah und zu dem Ergebnis kam, daß sie oft über 65 Stunden pro Woche arbeiteten.

Boah, was ne Erkenntnis. Wenn’s dafür schon einen Doktor gibt, müßte jede Vorstandssekretärin, die den Terminkalender verwaltet, eine Professur bekommen.

Was für ein Trivial-Schleim, was für ein Dünnschiss. Terminkalender angucken. Eine Beleidigung für jeden, der wirklich wissenschaftlich arbeitet.

Laut FAZ hat er an der „Handelshochschule Leipzig studiert und promoviert, deren Ziel es ist, Führungspersönlichkeiten auszubilden”. Da muß man sich dann auch nicht mehr darüber wundern, was für Führungspersönlichkeiten wir so in den Banken haben.

Handelshochschule Leipzig scheint wohl diese da zu sein, die da so angestrengt auf englisch macht. Eine Privathochschule. Wenn ich mir deren Webseite angucke, dann finde ich darüber nichts über Qualifikation und wissenschaftliche Leistungen, aber viel über den Verkauf und Vertrieb von Studiengängen. Ein MBA kostet dort 27.000 Euro. Wer soviel Geld für einen Studiengang an einer Hochschule will, bei der man kaum etwas über Leistungen und Inhalte erfährt, kann die Leute offenbar nicht noch mit Prüfungsanforderungen erschrecken – oder durchfallen lassen.

Laut dem anderen Wissenschaftspropagandaorgan, der Wikipedia, haben sie einen regulären Promotionsstudiengang, der auf 3 Jahre ausgelegt ist (aber – verdächtig – neben der beruflichen Tätigkeit ausgeübt werden kann, was schon nach dünn und titelhandlig riecht). Wie sowas damit vereinbar sein soll, daß jemand dadurch promoviert, daß er vier Wochen lang in Terminkalender guckt um herauszufinden, daß Vorstände viel arbeiten, kann ich nicht nachvollziehen.

Für promotionsfähig halte ich sowas jedenfalls überhaupt nicht. Denn Gegenstand der Promotion ist nicht (wie auch an den staatlichen Universitäten viele Professoren irrtümlich glauben) das Hervorbringen neuen Wissens (wobei nicht alles die Bezeichnung „Wissen” verdient, was man vorher nicht wußte), sondern der Nachweis der Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten. Durch das Lesen von Terminkalendern hat man aber – wenn überhaupt – weniger als 1% der Fähigkeiten einer normalen Sekretärin oder Vorstandsassistentin nachgewiesen.

Aber in der Deutschen Hochschulszene geht alles.

Und gerade Privathochschulen müssen ja sehen, wo sie ihr Geld herbekommen. Da können die nicht noch zusätzlich ernsthafte Leistungen fordern. Auch eine Form von Titelhandel.

Und der FAZ-Artikel scheint sogar noch eine lancierte Werbung dafür zu sein, wie leicht man dort den Doktor und damit den Super-Job bekommt. Die FAZ stinkt schon wieder nach Hochschul-Lobbyismus und Schleichwerbung unter dem Anschein des Journalismus.

6 Kommentare (RSS-Feed)

yasar
30.1.2011 16:34
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Es ist überhaupt nichts darüber ausgesagt worden, ob er überhaupt vier Wochen oder 3 Jahre für seine Promotion gebraucht hat. Die AUssage war nur, daß er vier Wochen des jeweiligen Terminkalenders analysiert hat.

Sofern es stimmt, daß er nur schwer an die Vorstände kam, könnte es durchaus mehrere Montae gedauert haben, bis er seine Daten zusammen hatte. Oder er hatte Glück und hat in einer einzigen Konferenz seine Teilnehmer zusammenbekommen und hätte dann innerhalb einer Woche das Ergebnis abliefern können. Wobei – bei dem Artikel tippe ich eher auf eine Woche als ein Jahr.


Hadmut Danisch
30.1.2011 16:43
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Es geht ja aber nicht drum, wie lange man für die Promotion kalenderzeitmäßig braucht, sondern wie lange und was man wissenschaftlich arbeitet.

Und Leute anquatschen und überzeugen mag mühsehlig und langwierig sein, aber eine wissenschaftliche Betätigung ist es nicht.


nullplan
30.1.2011 22:02
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Hach ja, Wirtschaftswissenschaften. Ein mir sehr lieber Kabarettist meinte, da habe man intelligentere Lebensformen auf seinem Duschvorhang. Jetzt mal im Ernst, die Gleichung

Gewinn = Umsatz – Kosten

ist für Wirtschaftswissenschaftler schon so schwierig, dass sie sie noch aufteilen müssen

Gewinn = Umsatz – variable Kosten – Fixkosten

Und dann darf man auch noch so Kram lernen wie Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, was nichts anderes ist, als diese Gleichung, über mehrere Kostenstellen verteilt. m( Ach ja, und natürlich die Zwischenergebnisse aufschreiben! Das sind die Deckungsbeiträge, um die es geht.

So, und jetzt sag mir mal, wie in einem Fach, dass so elementare Gleichungen wie die obige zum zentralen Punkt gleich mehrerer Teilgebiete macht, jemand ernsthaft eine Doktorarbeit schreiben können soll.

Aber egal, ich hab da eine Frage zum Wikipedia-Artikel: Da steht als Zugangsvoraussetzung für den Promotionsstudiengang ein “wirtschaftswissenschaftlicher Hochschulabschluss”. Meinen die damit auch einen Bachelor? Wenn ja: In 6 Jahren vom Abi bis zum Doktor – das hat was. Damit ist Professor unter 30 ja auch machbar.

Meine Hochschule bietet einen berufsbegleitenden Bachelorstudiengang an. Der ist zwei Jahre länger als der normale. Jetzt übertrag das mal auf den Promotionsstudiengang der HHL.


yasar
31.1.2011 12:18
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@Hadmut:

Ich woltle ja überhaupt nicht in Abrede stellen, daß da nichts wissenschaftliches dahinter ist. Ich wollte nur die Aussage relativieren “in vire Wochen promovieren”. So wie die Schildern, könnte es auch in einer Woche passiert sein:

Montag: Am Vortag der Konferenz anreisen, und Party mit den Vorständen machen.

Dienstag: Mit den Vorständen in der Konferenz Kater ausschlafen. Am Abend nochmal Party mit dnen und dabei Erwähnen, was man als Doktorarbeit macht. und daß als Ergebnis rauskommen wird, daß die Vorstände sich überarbeiten und nur für die Firma da sind.

Mittwoch: Rückreise, Kater auskurieren

Donnerstag: Mail checken und ggf kurz bei den Kotakten nochmal nachhaken.

Freitag: Die Daten der Rückmeldungen an die schon geschriebene Arbeit anpassen und fertig.

🙂


AntoninArtaud
31.1.2011 17:00
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Ob zu den 65 Stunden Arbeit pro Woche (die Maximum sind, nicht Durchschnitt) wohl auch die 10 – 20 Stunden “Geschäftsessen” zählen?


Hadmut Danisch
1.2.2011 0:36
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Würde ich so jetzt nicht sehen. Die lassen sich eher das Essen aus der Kantine bringen, um sich während der Arbeit was reinzustopfen. Nicht gesund.