Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Ist Bloggen des Wissenschaftlers Selbstmord?

Hadmut Danisch
15.2.2011 19:14

Über einen Artikel in den Scienceblogs bin ich auf den Artikel „Science Blogging and Tenure” im ScienceMag über die Frage gestossen, ob sich Bloggen und Wissenschaft miteinander verträgt.

Anscheinend nicht sehr. Der Artikel ist lesenswert, deshalb empfehle ich lieber die Lektüre, als hier den ganzen Inhalt zu wiederholen. Die Quintessenz ist, daß Bloggen für Wissenschaftler – besonders wenn sie noch nicht in lebenslanger Festanstellung sind – potentiell gefährlich und deutlich stärker karriereschädigend als karrierefördernd ist. Ein paar ausgewählte Zitate möchte ich aufgreifen:

These days, with blogging about science taking off, the impact of blogging on careers is a hotly debated topic. […] Whether blogging aids or harms careers — or has no effect — seems to depend on how those blogs are used.

Dabei gibt es mehrere Gefahren, die der wissenschaftlicher Blogger eingeht. Einmal die Geringschätzung und die Einschätzung als Zeitverschwendung:

Blogs that support the traditional academic activities of teaching and outreach are often valued as a nonresearch activity — but only at institutions, and in departments, that value nonresearch activity. At research-intensive institutions, many scientists say, a blog is likely to be regarded at best as a harmless hobby and at worst as a liability. […]Blogging is often seen as a waste of time at major research universities, where those seeking tenured positions “progress in their careers based on their research output. That research is hard work, so you tend not to be successful unless you do it full time,” […]

Die zweite, größere Gefahr ist, daß man sich mit dem Blog in der Wissenschaftsszene unbeliebt macht – denn wie hier schon oft beschrieben, beruht die Wissenschaftsszene maßgeblich auf dem Unterlassen von Kritik (also Unwissenschaftlichkeit):

A blog can enhance the careers of scientists who follow the advice offered by the Massachusetts Institute of Technology’s Thomas Levenson at ScienceOnline2011: “Don’t be stupid.” One way you can be stupid is to spend too much time blogging, displacing more scholarly work. Another is using your blog to criticize other scientists’ research. “Blog writing is informal and rapid fire, which makes it easy to write a post that sounds overly hostile,” says Chris Rowan, a geology blogger and postdoctoral fellow at the University of Chicago in Illinois. “For those of us without a permanent position, this may be viewed unkindly by our current or future employers.”

Und die dritte Gefahr liegt nicht im Blog oder im Blogger, sondern eben im Wissenschaftspöbel, der – wie immer – klaut, plagiiert, abschreibt:

Another way to be stupid is to blog about your research you haven’t published yet. This is risky in several ways, but the biggest risk is the risk of getting scooped — of having your ideas published by others who don’t give you credit. […]Pseudonymous blogger Scicurious adds: “Blogging about your own research is a very delicate issue. I never do because of fear of scoopage.”

Jenseits all dessen kann man sich auch persönlichen Ärger bereiten:

Another way bloggers can be career-stupid is by blogging about potentially controversial subjects beyond science, subjects like politics, religion, or academic controversies. European cell biologist Bill Paley (a pseudonym employed to limit the risk to his career) used to blog about science and his Christian beliefs. Nothing he wrote, he says, was especially provocative. But when his boss discovered his blog via Google, he advised him to stop. “He said, ‘You write a lot of things about religion and science. Future employers might have strong feelings about you being religious,’ ” Paley recalls.

Das ist natürlich ein ernster Punkt. Bloggt man kritisch über Religion, bringt man jede Menge sogenannter „Wissenschaftler” gegen sich auf, denen ihre eigene Religion wichtiger als die Wissenschaftlichkeit ist. Oder man outet sich selbst als religiös und stellt damit – wie ich hier allerdings meine, zu Recht, siehe meinen zufällig gerade aktuellen anderen Artikel und Kommentar hier – seine wissenschaftliche Eignung und Befähigung in Frage. Oder bloggt halt andere Aussagen, die einen nicht als zum Wissenschaftler geeignet erscheinen lassen.

Empfohlen werden dann Pseudonyme, die aber auch nicht helfen:

“If you are going to blog about life in academia and personal and professional issues, I would recommend a pseudonym,” Scicurious says. But, she warns, “A pseudonym is very thin protection. You will be found and outed; it’s only a matter of when.”

Das heißt, daß Bloggen für den Wissenschaftler in vielerlei Hinsicht gefährlich ist, und einige dieser Gefahren sind kein Ruhmesblatt für die Wissenschaft, sondern zeigen eher, daß es sich dabei um eine unseriöse Schlangengrube handelt, in der mehr das Mafia-Gesetz des Schweigens gilt. Kritik ist der Anfang aller Wissenschaft, und die Wissenschaftsszene unternimmt alles, um Kritik völlig zu unterdrücken und zu vermeiden.

Man kann die diversen Gefahren und Warnungen auch anders zusammenfassen: Ein Wissenschaftler sollte keinesfalls so bloggen, wie ich hier blogge. Denn nach dieser Liste mache ich hier wirklich alles falsch, was ein Wissenschaftler beim Bloggen falsch machen kann.

Stört mich aber nicht. Macht mir sogar Spaß. Denn bei mir war’s ja andersherum: Erst war die Wissenschaftskarriere kaputt, dann habe ich das Bloggen angefangen. Nach dem Motto: Ist der Ruf erst runiert, bloggt sich’s gänzlich ungeniert.

Und schließlich: Was soll’s. Meine Blog-Artikel werden öfter gelesen als wissenschaftliche Veröffentlichungen. Nur Drittmittel bekomme ich bisher nicht dafür…

4 Kommentare (RSS-Feed)

Phil
15.2.2011 20:47
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Und schließlich: Was soll’s. Meine Blog-Artikel werden öfter gelesen als wissenschaftliche Veröffentlichungen. Nur Drittmittel bekomme ich bisher nicht dafür…

+1000 dafür 😀


Matias
15.2.2011 21:29
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Die erwähnten ‘Gefahren’ eines Blogs gelten wohl nicht nur für akademische Karrieren sondern sinngemäss auch für die Industrie. Wenn man sich heute irgendwo bewirbt ist es Standard dass man gegoogelt wird. Ob dann ein Blog in dem z.T. kontroverse Themen behandelt werden ein Pluspunkt ist wage ich zu bezweifeln. (Deshalb schreibe ich auch nie meinen vollen Namen bei den Kommentaren hier, auch wenn ich – zumindest für mein Empfinden – meine Kommentare anständig formuliere auch wenn ich anderer Meinung bin).
Frage an den Autor, hat’s wegen forschungsmafia.de noch nie Probleme mit einem Arbeitgeber/Kunden gegeben? Ich finde es jedenfalls mutig, den vollen Namen hinzuschreiben und sogar die Adresse (letzteres würde ich vielleicht nochmal überlegen, vor allem wenn noch mehr islamkritische Beiträge kommen…)


Hadmut Danisch
15.2.2011 21:36
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Ob ich Nachteile hatte?

Vermutlich viele, das merkt man nur nicht immer. Allerdings habe ich wegen des Blogs auch schon Job-Angebote bekommen.

Zwei Nachteile sind mir bisher wirklich bekannt geworden. Das waren einmal die Ablehnung meiner Dissertation. Ursprünglich wollten sie sie ja toll finden, nur eben verzögern, bis die Schmiergeldleistung erbracht ist. Erst als ich diese Erpressung publik gemacht habe, hat man mir die Dissertation endgültig abgelehnt. Leute, die Korruption kritisieren, dürfen nicht mehr in die Wissenschaft.

Ein großes deutsches Industrieunternehmen wollte mich mal unbedingt haben. Da lag schon der Arbeitsvertrag auf dem Tisch, den sie gleich unterzeichnen wollten. Dann haben sie mich noch gefragt, warum ich 4 1/2 Jahre als Mitarbeiter an der Uni war, aber nicht promoviert bin. Dann habe ich es ihnen erzählt. Und dann wollten sie nicht mehr. Weil ich, wie sie sagten, direkt an den Vorstand berichten würde, und sie jemanden, der gegen Korruption ist, nicht an den Vorstand lassen wollten.

Adresse? Wir haben in Deutschland eine Impressumspflicht.


Steffen
17.2.2011 11:39
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Umso mehr können wir über Blogs wie deinen froh sein.