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Bundesverfassungsgericht: Sind DFG, Fraunhofer, Max-Planck, HPI,… verfassungswidrig?

Hadmut Danisch
23.2.2011 14:28

Ich hatte es ja kürzlich schon mal angesprochen. Jetzt liegt die Entscheidung vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Streit um das Versammlungsrecht auf dem Frankfurter Flughafen mit Urteil vom 22.2.2011, 1 BvR 699/06 entschieden:

Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. […]

Die Nutzung zivilrechtlicher Formen enthebt die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Dies gilt sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen als auch für den Einsatz privatrechtlicher Organisations- und Gesellschaftsformen. […]

Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt. Der Begriff der staatlichen Gewalt ist dabei weit zu verstehen und erstreckt sich nicht nur auf imperative Maßnahmen. Entscheidungen, Äußerungen und Handlungen, die – auf den jeweiligen staatlichen Entscheidungsebenen – den Anspruch erheben können, autorisiert im Namen aller Bürger getroffen zu werden, sind von der Grundrechtsbindung erfasst. Grundrechtsgebundene staatliche Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG ist danach jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.

Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. Er und die von ihm gegründeten Vereinigungen und Einrichtungen können ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten, ohne hierfür grundsätzlich rechenschaftspflichtig zu sein. Ihre Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und – insbesondere nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit – prinzipiell begrenzt. Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung steht nicht unter einem Nützlichkeits- oder Funktionsvorbehalt. Sobald der Staat eine Aufgabe an sich zieht, ist er bei deren Wahrnehmung auch an die Grundrechte gebunden, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handelt. Dies gilt auch, wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht zurückgreift. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt.

Die unmittelbare Grundrechtsbindung betrifft nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.

Wie ich hier im Blog schon so oft beschrieben habe, hebelt der Staat immer wieder Rechte der Bürger aus, indem er staatliche Funktionen in das Privatrecht verlegt:

  • Der Staat vergibt Milliarden an Forschungsgeldern und ernennt Exzellenzuniversitäten. Jede Nachprüfung, jeder Rechtsweg, jeder Anspruch auf Chancengleichheit, jeder Auskunftsanspruch prallen aber daran ab, weil der Staat sich hinter der DFG versteckt, deren Rechtsform der privatrechtliche Verein ist.

    So kann man gegen deren Vergabeentscheidung keinen Widerspruch einlegen. Und die Exzellenzinitiative konnte ich auch nicht aufklären, weil die Bundesministerin Schavan die ihr zugesandten Akten auf CD sofort vernichten ließ, um sie der Akteneinsicht zu entziehen. Alle Akten liegen bei der DFG, und weil die Informationsfreiheit nicht für privatrechtliche Vereine gilt, prallt man da ab.

  • Wenn der Staat Professuren oder Mitarbeiterstellen besetzt, unterliegt er dabei den Anforderungen aus Art. 33 II GG und kann vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden.

    Versteckt man die Stellen aber in Vereinen und GmbHs, wie der Fraunhofer-Gesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft oder den vielen „An-Instituten” wie dem Hasso-Plattner-Institut oder dem FZI, sind die plötzlich – obwohl noch immer staatlich finanziert und unter der Fuchtel des Staates – gegen jede Grund- oder Verwaltungsrechtsausübung immun.

Das war schon immer ein schmutziges Geschäft. Und daß die DFG über diese privatrechtliche Konstruktion eine Geldwaschanlage der Bundesregierung für unauffällig getarnte Zahlungen ist, habe ich auch schon vermutet.

Jetzt ist aber zumindest mal klargestellt, daß das so nicht geht. Der Staat kann seine Akten nicht vor dem Informationsfreiheitsgesetz verstecken, indem er sie in einem Verein wie der DFG versteckt. Und er kann auch seine Milliarden-Euro-Schleuder nicht vor dem gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern schützen, indem er das über einen Verein laufen läßt.

Wird höchst Zeit, daß da mal ausgemistet wird.

4 Kommentare (RSS-Feed)

anonym
23.2.2011 19:07
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“Der Staat kann seine Akten nicht vor dem Informationsfreiheitsgesetz verstecken, indem er sie in einem Verein wie der DFG versteckt.”

Jein. Es besteht keine Verpflichtung von Verfassungs wegen, ein IFG zu haben. Das ist der Unterschied zum entschiedenen Flughafen-Fall. Der Staat könnte ja auch bestimmte Einrichtungen vom IFG ausnehmen, ohne sie in privatrechtliche Organisationsform zu überführen.

In Hinblick auf den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern und die Wissenschaftsfreiheit hast Du natürlich recht.


Hadmut Danisch
23.2.2011 19:13
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Oh, es gibt eine ganze Menge Leute, auch Juristen, die der Meinung sind, daß Informationsfreiheit demokratisch geboten ist, um fundiert wählen zu können.

Davon abgesehen geht es ja nicht nur um Informationsfreiheit. Es geht um die Vergabe von Geld und von Ämtern. Dazu müßte jede Universität, die bei der Exzellenzinitiave nicht erfolgreich war, Widerspruch einlegen und Akteneinsicht nehmen können.

Es gab ja auch den Fall des Professors, der einfach nur wissen wollte, warum sein DFG-Antrag abgelehnt wurde, damit er es künftig besser machen konnte. Die DFG meinte, sie beruhe auf Geheimhaltung. Sowohl vor dem Amts-, als auch vor dem Verwaltungsgericht ist der abgeblitzt, weil die DFG ein privatrechtlicher Verein ist.

Es gibt aber eine Rechtswegsgarantie. Das heißt, der müßte dagegen durchaus den Verwaltungsrechtsweg beschreiten und dazu eine Erklärung und Akteneinsicht verlangen können.


anonym
23.2.2011 19:40
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“Es gibt aber eine Rechtswegsgarantie. Das heißt, der müßte dagegen durchaus den Verwaltungsrechtsweg beschreiten und dazu eine Erklärung und Akteneinsicht verlangen können.”

“der” oder seine Universität? Da stellt sich die Frage: Gibt es Unis, die so angepisst sind, dass sie aus dem Kartell ausbrechen?


Hadmut Danisch
23.2.2011 19:43
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“der”. Weil er der Grundrechtsträger ist, und auch der Antragsteller sein kann. Ist aber eigentlich egal, denn irgendwer kann.

Und irgend eine kleine Betteluni in Dunkeldeutschland könnte sich durchaus so überfahren fühlen, daß sie es mal wissen will.