Sueddeutsche: Die verachtete Wissenschaft
Eine Leserin schickt mir gerade einen Link auf diesen hervorragenden Artikel in der Sueddeutschen. Thema: Sind Forscher nur weltvergessene intrigante Eierköpfe?
Zitat:
Zurück aber bleiben nicht nur ein etwas angesengter Minister, sondern eine verheerte akademische Landschaft. Das liegt nicht nur daran, dass sich nun Hunderttausende Prüfer fragen müssen, welche Standards von Selbständigkeit und Originalität sie an die Arbeiten ihrer Kandidaten anzulegen haben. Es liegt noch weniger daran, dass die Kluft zwischen einem “summa cum laude” und einem aberkannten Doktorgrad ein erhebliches Maß an Willkür im Umgang mit Qualifikationsarbeiten auf Seiten der Universität offenbart.
Meine Rede, seit Jahren. Das Promotionswesen in Deutschland ist Ausdruck grenzenloser Willkür und Imkompetenz desinteressierter und orientierungsloser Prüfer. Und weiter:
Die Reform der akademischen Ausbildung nach den Prinzipien von Bologna setzte eine radikale Verschärfung des akademischen Wettbewerbs in die Welt, das Kriterium der Exzellenz teilte die deutschen Universitäten in international konkurrenzfähige Institute und Anstalten von regionaler Bedeutung. All diese Reformen wurden, besonders von der Politik, mit der Rhetorik höchster Dringlichkeit, ja des drohenden nationalen Notstands vorgetragen. Nicht weniger als die Zukunft Deutschlands sollte auf dem Spiel stehen.
Was davon tatsächlich zu halten ist, offenbart die Verachtung der akademischen Welt, die aus den Kommentaren Bouffiers und Merkels wie aus Mund vieler Wähler tönt. Und hätte nicht Annette Schavan, die Ministerin für Bildung und Forschung, die Propagandistin der Exzellenz und des akademischen Wettbewerbs, die Erste sein müssen, die in dieser Affäre auf Einhaltung der akademischen Standards pochte – anstatt den Kollegen sogar in Schutz zu nehmen?
Man hat sich offenbar getäuscht. Die Exzellenz muss ein Fetisch sein, der zur obsessiven Beschäftigung der akademischen Welt mit sich selbst dient. Die Aufgabe von Fußnoten besteht demnach nicht darin, die Quellen offenzulegen, den Forschungsstand zu dokumentieren und die intellektuelle Leistung anderer zu achten, sondern darin, Gunst- und Autoritätsbeweise zu spendieren. Und der akademische Betrieb besteht dieser Wahrnehmung zufolge in eben jener Ansammlung ebenso weltvergessener wie intriganter Eierköpfe, die der gesunde Menschenverstand, wie er im Volke so verbreitet ist, schon immer in der Wissenschaft erkennen wollte.
Besser kann man es kaum ausdrücken, er bringt die Sache auf den Punkt. Gunst- und Autoritätsbeweise spendieren.
Die Wissenschaft hat sich so herabgewirtschaftet, so unglaubwürdig gemacht, daß ihr Ruf inzwischen wertlos ist. Ganz unten angekommen. Der Promotionsschwindel eines zu Guttenberg hat nichts entwürdigendes mehr, weil es da nichts mehr gibt, was man noch entwürdigen könnte. Er hat nichts besonderes, nichts anrüchiges, nichts verwerfliches mehr, weil er dem entspricht, was nach dem Bild, das man von der Wissenschaft hat, darin sowieso abläuft.
Daß die Wissenschaft in Deutschland ein korrupter verkommener Sauhaufen ist, sag ich schon länger (siehe Header-Logo dieses Blogs). Aber daß es sich nun endlich mal breit herumspricht und zu einem Disput führt, ob eine Schwindelpromotion überhaupt noch etwas ungewöhnliches ist, das ist erfreulich.
Nachtrag: Noch mehr Spott: “Summa-cum-laude-Doktoranden werden verspottet”
2 Kommentare (RSS-Feed)
[…] das Blog „Forschungsmafia“ bin ich auf folgenden Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ gestoßen – oder […]
[…] das Blog „Forschungsmafia“ bin ich auf folgenden Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ gestoßen – oder […]