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Wissenschaftliche Überschussproduktion: Betrug des Nachwuchses

Hadmut Danisch
27.3.2011 22:40

Unser Wissenschaftssystem zeigt die Krankheitssymptome einer Übersubventionierung – die Eutrophierung mit Forschungsgeldern führt zur Selbstvergiftung des Systems.

Die FAZ hat einen netten Artikel darüber, daß Deutschland Exportweltmeister beim akademischen Überschuss ist. Oder sollte man vielleicht eher vom Müllexport des produzierten Ausschusses reden?

Interessant ist daran auch die Diskrepanz zwischen der wissenschaftlichen Selbstwahrnehmung der Ministerin Schavan und der Realität. Während sie das deutsche Hochschulsystem als eines der effizientesten der Welt hinstellt, stufen uns andere nur als mäßig ein – nur in Physik und Ingenieurwissenschaften wären wir noch effizient – übereffizient. Wir haben da eine Überschussproduktion wie beim durch Subventionen erzeugten Milchsee und Butterberg.

Dazu einige heitere Zitate aus dem FAZ-Artikel:

Kulturell profitiert das deutsche Wissenschaftssystem noch immer, wenn auch unterschwellig, von der bildungsbürgerlichen Verehrung für Geistesakrobatik im Allgemeinen und für Forschung im Besonderen. In kaum einem anderen westlichen Land sind das Ansehen der Wissenschaft und das Prestige von Professoren so hoch wie in Deutschland.

Wir produzieren also keine Wissenschaftler, sondern Eitelkeiten. Ja, das trifft zu.

Die relative Leichtigkeit, mit der das deutsche Wissenschaftssystem junge Leute rekrutieren kann, hat jedoch auch dazu beigetragen, dass an den Universitäten sklerotische Strukturen überleben konnten, die ihrerseits die Produktion überschüssiger Wissenschaftler angetrieben haben. Hauptkennzeichen dieser Strukturen ist die Konzentration der akademischen Macht bei einer kleinen Minderheit unbefristet beschäftigter Forscher: den Professoren.

Auch das. Und es wird besser:

Die Position der Mitarbeiter an deutschen Universitäten entspricht in vielem jener von Günstlingen an vormodernen Fürstenhöfen. Um sich im akademischen Betrieb zu halten, müssen sie den Ruhm ihres professoralen Patrons durch treue Dienste und wissenschaftliche Taten erhöhen. Ein entscheidender Unterschied zum Fürstenhof besteht jedoch darin, dass Gönner und Günstling im gleichen Feld agieren, womit sie, sobald sich der Günstling einen eigenen Namen gemacht hat, zwangsläufig in ein Konkurrenzverhältnis treten.

Exakt beschrieben. Daraus ergibt sich die Kausalität:

Dass in diesen Strukturen Wissenschaftler im Überschuss produziert werden, hat zwei Gründe: Erstens trägt die Größe des Hofstaates zur Größe des Fürsten bei, was einen professoralen Wettstreit um Mitarbeiterzahlen in Gang hält, der den Reproduktionsbedarf des Systems chronisch übersteigt. Zweitens ist es für die hierarchische Stabilität der Patronagebeziehung von Vorteil, Günstlinge möglichst lange im Ungewissen zu lassen, ob sie es auf eine Professur schaffen oder nicht; […] Wenn diese dann zwischen vierzig und fünfzig noch immer ohne Professur dastehen, haben sie die Wahl zwischen dem Abwandern ins Ausland oder dem Absinken in Armut.

Das ist doch genau der Kern des Problems. Von unten werden zur Ehre der Professoren mehr wissenschaftliche Mitarbeiter nachgeschoben, als es oben Professuren gibt. Und das führt wie bei jedem Mißverhältnis von Angebot und Nachfrage zu einem Schwarzmarkt und zu Kriminalität. Und da es hier für den Nachwuchs nicht genug Professuren gibt, kommt es quasi zu einem „Graumarktimport” von Professuren aus dem Ausland, nur mit dem Unterschied, daß der Mensch zur Professur geht und nicht umgekehrt.

Die FAZ bringt dann noch einige statistische Daten dazu, daß die Mitarbeiter überproportional zu den Professuren vermehrt wurden: In einem Bereich stiegen Professuren um 0,5 Prozent, während Mitarbeiterstellen um 43 und Privatdozenten um 17 Prozent stiegen. Daraus ergibt sich meines Erachtens auch die immer stärker ausgeprägte Rolle des Professors, die man am ehesten mit der eines Lehnsherrn, Lokalfürsten (oder Zuhälters) vergleichen kann. Und so erklären sich auch die Exzesse, über die mir immer wieder berichtet wird, bei denen inkompetente Professoren einen enormen „Verbrauch” an Mitarbeitern haben – eine Folge des Überangebots.

Selbst der Wissenschaftsrat räumt ein, dass die meisten Mitarbeiter an deutschen Universitäten keine Zukunft haben.

Aber wo sonst? Wer will wissenschaftliche Mitarbeiter haben, wo könnten die von Nutzen sein? Wer braucht sowas?

Eine umfassende Strukturreform der deutschen Universität wird, da können die Verhältnisse noch so absurd sein, nie aus Professorengremien heraus erfolgen. Es wäre daher an Bildungspolitikern in Bund und Ländern, den wissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Sinn einer Forschungspolitik zu hinterfragen, die zur Profilierung weniger „principal investigators“ eine international einmalige Verschleuderung personeller und finanzieller Ressourcen betreibt.

Da beschweren sich die Professoren immer, daß sie zuwenig Geld bekommen, dabei leiden sie unter dem Gegenteil, der Ressourcenverschwendung.

(Danke für den Link!)

Ein Kommentar (RSS-Feed)

yasar
28.3.2011 9:11
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Due fragst:

> Aber wo sonst? Wer will wissenschaftliche Mitarbeiter haben,
> wo könnten die von Nutzen sein? Wer braucht sowas?

Es soll gerüchteweise auch Firmen geben, die Forschungsbateilungen haben, die sowas gebrauchen könnten. vermutlich aber nicht in dem Maße, wie dieses aus der Uni gekippt werden. Außerdem betreiben einige Firmen anscheinend einige davon schon outsourcing an die deutschen Universitäten.