Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Sinnlose Wissenschaft durch Subventionierung

Hadmut Danisch
28.3.2011 12:09

Und noch einer zu diesem Thema:

Das Magazin Cicero hat einen lesenswerten Artikel von Mathias Binswanger über sinnlose Forschungswettbewerbe und die Absurdität der Exzellenzinitiative.

Kernpunkt des Artikels ist, daß man durch Subventionierung und Wettbewerbe noch keinen Markt schafft, und man die Universitäten dazu bringt, sinnloses Zeug zu forschen.

Nun muß man da aufpassen. Forschung und Wissen kann und darf man nicht allein daran ausrichten, was der Markt haben will und bezahlt, denn gerade darin liegt ja schon wieder so eine Art Straßenstrich. Auch in der Medizin sollte man ja nicht nur die Krankheiten untersuchen, die so häufig vorkommen, daß sich die Forschung durch Einnahmen auszahlt. Und je nachdem, wie ich hier im Blog schreibe, bekomme ich manchmal auch wütende Protestmails von Wissenschaftlern (oder solchen, die sich dafür halten), die mir erklären, daß Forschung auf gar keinen Fall am konkreten Bedarf ausgerichtet sein darf und der Forscher das Recht (und dazu die lebenslange Unkündbarkeit) haben muß, auch Sinnloses zu forschen, weil man in der Forschung nie wüßte, wozu es gut ist.

Da ist zwar was Wahres dran. Aber doch mehr Unfug als Wahres. Klar, wenn man sich so schön am Steuerzahler sattsäuft, sich bis ins Grab subventionieren läßt, dann ist man natürlich in der Situation, daß man das rechtfertigt. Und wenn man das tut, ohne dabei irgendetwas Sinnvolles zu produzieren, dann ist man freilich in der Position, das Sinnlose rechtfertigen zu müssen oder zu wollen. Und natürlich kann Forschung auch ab und zu mal danebengehen, denn sonst wäre es ja keine Forschung.

Aber rechtfertigt das jeden Schwachsinn, jede nutzlose Vergeudung? Daß man bei Forschung nicht immer weiß, ob hinterher irgendetwas Sinnvolles oder Nützliches rauskommt, rechtfertigt es doch nicht, auch dann zu forschen, wenn man weiß oder sieht, daß da nichts Brauchbares erzeugt werden kann oder wird. Das kann doch keine Entschuldigung dafür sein, daß unfähige Leute teuer für etwas bezahlt werden, was sie nicht beherrschen.

Dazu Cicero:

Ein Markt lässt sich nämlich nicht künstlich inszenieren. Überall und schnell lassen sich aber Wettbewerbe ins Leben rufen. Diese sorgen im Gegensatz zu einem funktionierenden Marktwettbewerb jedoch nicht dafür, Angebot und Nachfrage optimal aufeinander abzustimmen. Statt an den Bedürfnissen der Nachfrager orientieren sich die Hersteller eines Produkts oder die Erbringer einer Leistung an irgendwelchen Kennzahlen oder Indikatoren, die für den Erfolg im Wettbewerb maßgebend sind. Das führt jedoch nicht zu höherer Effizienz, sondern sorgt für perverse Anreize, die dann folgerichtig auch perverse Resultate ergeben. Da werden von Wissenschaftlern mit Fleiß und Akribie jedes Jahr in Tausenden von Fachzeitschriften über Hunderttausende von Seiten Fragen beantwortet, deren Antwort niemand wissen will. Grund dafür ist der gnadenlose Publikationswettbewerb, weil Wissenschaftler heute danach beurteilt werden, wie viele Artikel sie in Fachzeitschriften veröffentlicht haben.

Und das ist genau der Schwachpunkt. Die Leute, die immer darauf bestehen, daß sich Wissenschaft nicht an Erfolg und Markt messen lassen darf, müßten dann mal erklären, warum sie dann an solchen fiktiven Kennwerten, Impactfaktoren usw. gemessen werden darf. Ob das nicht noch schlimmer ist, als sie am Marktwert zu messen.

Irgendwie erinnert mich das immer an die Planwirtschaft in der DDR. Als der Erfolg der Schraubenfabrik am Gesamtgewicht der Schrauben gemessen wurde, die sie pro Jahr herstellen, wurden nur große Schrauben hergestellt. Als man den Erfolgsparameter auf die Zahl der Schrauben umstellte, produzierten sie nur kleine Schrauben. Oder die Schuhfabrik, die man danach bewertete, wieviele Schuhe sie herstellte. Also stellte sie im ersten Halbjahr nur linke, im zweiten Halbjahr nur rechte Schuhe her. Und zwischendrin kam der Modellwechsel. Manchmal läßt sich Erfolg am Umsatz doch wesentlich besser beurteilen als an irgendwelchen Kennwerten. Und das hat einfach spieltheoretische Gründe. In dem Moment, in dem ein Käufer als „Gegenspieler” ins Spiel kommt, herrscht ein Optimierungsdruck in eine andere Richtung als bei bloßen Kennzahlen, insbesondere wenn – wie bei den Universitäten – die Gemessenen selbst die Kriterien festlegen.

Ihre Ideen und Ergebnisse schneiden sie dünn wie Salamischeiben auf, um die Anzahl der Publikationen zu maximieren. Der Inhalt verkommt dabei vielfach zur Nebensache und ist für den Leser kaum noch konsumierbar. Immer mehr junge Menschen werden als Studenten in Hochschulen ausgebildet, um irgendwelche Bachelor und Master zu erwerben, die nichts zu ihrem Können in ihrem Berufsleben beitragen. […]

Diese Entwicklungen sind aber, so wird uns gesagt, zentral für unseren Wohlstand und unser persönliches Wohlbefinden. Je mehr Fachartikel publiziert werden, je mehr Menschen studieren, je mehr medizinische Untersuchungen wir haben, umso besser gehe es uns. Nur leider ist das nicht der Fall. Die Produktion von Unsinn schafft zwar Arbeitsplätze, doch verhindert sie gleichzeitig die Produktion der qualitativ wertvollen Erzeugnisse, die tatsächlich benötigt werden. Sinn wird durch Unsinn verdrängt, Qualität durch Quantität und die Freude an einer Tätigkeit durch Zuckerbrot und Peitsche. Auf diese Weise ist eine neue Wettbewerbsbürokratie entstanden, welche die alte Beamtenbürokratie abgelöst hat. Doch die neue Bürokratie ist viel raffinierter, da sie unter dem Deckmantel von Markt, Wettbewerb und Effizienz daherkommt.

So sieht’s aus. Und was ist die Ursache?

Inzwischen hat der Staat seine Zurückhaltung gegenüber den Universitäten aufgegeben, und aus einst stolzen Bastionen unabhängigen Denkens sind Umsetzungs- und Ausführungsorgane staatlicher Programme und Initiativen geworden. Damit die knappen Mittel „effizient“ eingesetzt werden, zwingt der Staat die Universitäten und die zur „Wissensproduktion“ und „Bildungsproduktion“ angestellten Professoren mit ihrem wissenschaftlichen Anhang auch zur ständigen Teilnahme an künstlich inszenierten Wettbewerben.[…]

Universitäten, die sich nach außen als großartige Tempel der wissenschaftlichen Exzellenz darstellen, sind intern zu Kindergärten verkommen, wo Professoren sich gegenseitig mit Publikationslisten und der Menge eingeworbener Forschungsgelder zu übertrumpfen versuchen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit werden Projekt- und Publikationsolympiaden veranstaltet, wobei die Gewinner dann statt mit Medaillen mit Elite- und Exzellenzstatus, Befreiung von Lehrverpflichtungen und im „besten Fall“ auch noch mit höheren Salären belohnt werden. Und das, obwohl viele Projekte und Publikationen für den Rest der Menschheit nicht die geringste Bedeutung besitzen und diese „Wissenschaftsolympiaden“ auch nicht annähernd den Unterhaltungswert von Olympischen Spielen besitzen.

Stimmt. Sehr gut beschrieben.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

georgi
28.3.2011 16:48
Kommentarlink

Die Gleichsetzung mit der DDR-Planwirtschaft finde ich sehr passend. Es ist schon interessant, daß dieser militante dogmatische Marktfetischismus, wovon auch Hadmut nicht ganz frei ist, 20 Jahre nach dem Ende der DDR zu Zuständen führt, die den Zuständen in der DDR im Prinzip ähnlich sind.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie Wissenschaft auf bessere, wirklich marktwirtschaftliche Art vorangebracht werden könnte. Befürchtest Du nicht, daß Wissenschaftler anstelle böser Schulmedizin Homöopathie, Schüßlersalze und Bachblüten erforschen, weil die da erzielbaren Gewinnspannen schlicht höher ist, da man ja keine Wirkungsnachweise, doppelblinde Testreihen und wer weiß sonst noch erbringen muß, die “Gegenspieler” aber trotzdem danach verlangen, nur weil geschicktes Marketing eine echte Nachfrage erzeugen konnte. Werden dann nicht Doktorgrade und Gutachten einfach an den meistbietenden verhökert? Da würde doch Abgebot und Nachfrage ins Gleichgewicht kommen. Wenn man stattdessen akademische Titel für wissenschaftliche Leistungen und nachgewiesene Qualifikationen vergeben würde, dann wäre das doch Sozialismus. Findest Du nicht? Könnte man überhaupt noch etwas gegen Korruption an Unis haben? Könntest Du Dir vorstellen, daß Dein heißgeliebtes Linux entwickelt worden wären, wenn Unis genau wie Wirtschaftsuternehmen ihre Entwicklungen schützen würden? Brauchen wir überhaupt noch Unis? Wenn man Wissenschaft marktgerecht betreiben könnte, würde es ja irgendwer auch tun, weil Kapitalisten dann ihr Kapital in Wissenschaft anlegen würden, wenn Zinsen darauf erwartet werden könnten.