Dresdner Studenten als Volkszähler zwangsverpflichtet
Ich kann nicht so schnell bloggen, wie mir die Leser gerade Material zuschicken. Was ist das denn jetzt schon wieder für ein Mist?
Angeblich wurden Studenten der Uni Dresden im 4. Semester gezwungen, als Volkszähler zu arbeiten. Wohl weil man nicht genügend Leute für die Volkszählung hat. Die TU kooperiert mit der Erhebungsstelle Freital.
Stinkt ganz gewaltig, als ob man unter dem Vorwand, Studienleistungen abzurufen, einfach nur billige Arbeitskräfte durch Erpressung sucht.
Es geht um Soziologiestudenten, die „eigenständige” empirische Studien einüben sollen. So kann man es natürlich auch formulieren. Ob man dabei allerdings irgendetwas lernen kann, wenn man mit einem vorgegeben Fragebogen in einen Haushalt geht und das reinschreibt, was die sagen, wage ich sehr zu bezweifeln.
Und wo die Vergütung für die Tätigkeit bleibt, die die Studenten nämlich nicht bekommen, würde mich auch mal interessieren. Wie ich überhaupt gerne wüßte, welcher Professor dafür verantwortlich ist.
11 Kommentare (RSS-Feed)
Du bist sowieso verpflichtet, als Volkszähler zu arbeiten. Hier lies mal: Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 im Freistaat Sachsen vom 23. September 2010, §6 (2):
Zur Übernahme der ehrenamtlichen Tätigkeit als Erhebungsbeauftragter sind nach Maßgabe des §11 Abs. 2 ZensG 2011 alle Bürger verpflichtet, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. […]
Da kann man wohl nix machen. Nur, ob man von der Teilnahme den Nachweis von Studienleistungen abhängig machen kann, weiß ich nicht.
Okay, mal davon abgesehen davon, dass es eine Unverschämtheit ist, sowas zur Pflichtveranstaltung zu machen und die vorgesehene Vergütung einzubehalten, ist der Artikel reichlich überspitzt.
Wie dem Link von Mr Ed zu entnehmen ist, soll das Ziel keine “eigenständige empirische Studie”, sondern die “eigenständige Durchführung einer empirischen Studie” sein. Somit trifft die Beschreibung schon ganz gut.
Und das mit dem “Draufzahlen” ist einfach mal schlecht recherchiert, da man als Student der TU Dresden mit dem Semesterticket auch die öffentlichen Verkehrsmittel in und um Freital nutzen kann ;-).
@georgi: Nur dass die normal Verpflichteten angeblich eine finanzielle Entschädigung bekommen, die Studenten dagegen nicht.
Allerdings wußte ich das gar nicht, daß man da auch als Nicht-Bediensteter verpflichtet werden kann. Danke für den Hinweis. Das kommt mir durchaus verfassungswidrig vor.
Davon ganz abgesehen scheint mir das nicht die nötige Normdichte zu haben. Da steht überhaupt nicht, in welchem Umfang jemand verpflichtet werden kann oder was passiert, wenn er nicht mitmacht. Das dürfte auch gegen das Willkürverbot verstoßen. Zudem kann man der Sache wohl relativ einfach entgehen, indem man Widerspruch einlegt, der – ob nun erfolgreich oder nicht – sicherlich so lange verzögert, bis die Zählung vorbei ist und sich die Sache erledigt hat.
Das liest sich für mich eher so wie eine Alibi-Regelung, damit irgendwelche Arbeitgeber oder sonstige Stellen nicht darüber meckern können, wenn einer zählen geht.
@ Mr. DD:
Sehe ich nicht so. Von jemand anderem ein fertiges Formular zu bekommen, mit dem man dann befragen geht, hat aus meiner Sicht mit eigenständig überhaupt nichts zu tun, und ist auch keine wissenschaftliche Tätigkeit, sondern Hilfspersonal. Vielleicht (oder eigentlich ganz sicher) habe ich da andere Vorstellungen von Wissenschaft als die Soziologen. Wenn man sich allerdings anschaut, welchen Mist die Soziologen schon als promotionsfähig ansehen (vgl. z. B. Promotion Kristina Schröder), dann zählt das bei denen ja schon als „eigenständige wissenschaftliche Leistung”, wenn man ohne fremde Hilfe den Uni-Campus findet. Insofern könnte die eigentständige Bedienung eines Kugelschreibers zum Ankreuzen dessen, was andere sagen, bei Soziologen durchaus schon als anspruchsvoll gelten. Würde zugegebenermaßen in mein Bild der Soziologie passen. Wer sich heute halt alles so Wissenschaftler nennt.
Und daß man nicht „draufzahlt” nur weil man das Semesterticket hat, ist auch Unfug. Denn die Kosten bestehen ja nicht allein daraus, zumal man auch nicht von jeder Wohnung zu jedem zu befragenden Haushalt per öff Verkehr kommt.
Man verliert einmal Zeit, und Zeit ist Geld. In der Zeit könnten Viertsemester auch durchaus einfache Hiwi-Tätigkeiten ausführen und dabei etwas verdienen.
Wie jeder Berufstätige weiß, entstehen durch Außentätigkeiten Verpflegungsmehraufwände und beispielsweise Abnutzung/Verschmutzung von Kleidung usw.
Und dann ist natürlich auch das Unfallrisiko zu beachten. Mir ist beispielsweise nicht klar, wer haftet, wenn da jemandem was passiert.
“Das kommt mir durchaus verfassungswidrig vor.”
Klingt für mich (ohne das juristisch begründen oder beurteilen zu wollen) nach einem ähnlichen Prinzip wie z.B. für die Schöffenauswahl an Gerichten oder (vielleicht bekannter, aber natürlich nur in den USA) Geschworene. Volljährige Staatsbürger zu (ehrenamtlichen) Tätigkeiten, die dem Staat dienen und erledigt werden müssen, heranzuziehen, halte ich auch nicht für verwerflich oder besonders abwegig.
Ob der Zensus durchgeführt werden muss und/oder verfassungskonform ist, ist natürlich eine andere Frage. (.
mdf Chris
Die Tätigkeit ist grundsätzlich mit der eine Schöffen vergleichbar, das ist richtig.
Aber die Regelungen zur Auswahl und Verpflichtung der Schöffen und zu deren Pflichten sind viel präziser formuliert. Da weiß man wenigstens, was konkret passiert, und wozu man verpflichtet ist und wozu nicht. Da gibt es eine greifbare gesetzliche Grundlage.
Das mit der Volkszählung ist doch nur diffuses BlaBla, das hält doch keiner Normenkontrolle stand.
Dass es für Viertsemestler an einer Uni durchaus sinvollere Beschäftigungen geben kann, sei mal dahin gestellt. Für Zeitsemestler oder solche, die keine Ahnung davon haben ein Interview durchzuführen, fände ich das an sich eine gelungene Veranstaltung, um den Umgang mit Interviewpartnern zu lernen. Wozu dann auch das Erlernen der “eigenständigen Durchfürhrung eines Interviews” passen würde.
Zum Thema Kosten hatte ich den Artikel so verstanden, dass es primär um die Fahrtkosten geht, weil es per Fahrrad doch recht unbequem sei. Deine Argumente mit Verpflegung/Kleidung (vor allem Schuhe!) sehe ich genauso, das war im Artikel aber so m.E. nicht gemeint. (“Das führt dazu, dass der Einsatzort in Freital und Umgebung liegt und so nicht problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad erreicht werden kann. Somit entsteht neben einem erheblichen zeitlichen Aufwand auch ein finanzieller Aufwand für die Studierenden.”) Und ganz nebenbei ist Freital gar nicht soo schlecht mit den Öffentichen erreichbar.
Das da auch ein zeitlicher Aspekt eine Rolle spielt ist klar, aber ob ich in meiner Freizeit in der Bibliothek sitze und Vorlesungen nachbearbeite oder mit Fragebögen durch Freital laufe, ist egal…Freizeit hab ich als Student so oder so nur eingeschränkt.
Frage Versicherungsschutz sollte eigentlich klar sein, da es sich um Verrichtungen im Rahmen einer Pflichtveranstaltung handelt.
Nicht, dass du mich falsch verstehst, ich will das Vorgehen der Uni keinesfalls verteidigen, aber ganz so schwarz, wie im Artikel beschrieben sehe ich das nicht. So etwas als Pflichtveranstaltung zu verkaufen ist und bleibt eine Unverschämtheit.
Mal böse gesagt:
Das ganze könnte gewissen Soziologiestudenten sogar wirklich was für ihr Studium und ihren Beruf bringen. Denn damit kriegen sie ausnahmsweise mal was von der Welt außerhalb des Elfenbeinturms mit, und kriegen z.B. auch mal einen Hartz 4-Haushalt real zu sehen.
Daß die Vergütung einbehalten wird, das ist natürlich eine Obersauerei.
Ach so, der Gedanke, daß zur Abwechslung mal frische Luft ans Hirn kommt. Mal so ganz normale Menschen treffen.
Stimmt, das hat auch was.
@Mr. DD: “Für [..] solche, die keine Ahnung davon haben ein Interview durchzuführen, fände ich das an sich eine gelungene Veranstaltung, um den Umgang mit Interviewpartnern zu lernen.”
Enschuldige bitte, aber Du sprichst von elementaren Kulturtechniken. Die erlernt man in der Schule. Einen Fragebogen auszuarbeiten und Menschen zu befragen ist eine grundlegende Voraussetzung. Wir mussten derartiges im Gymnasium fast in jedem Schuljahr zu einfachen Fragestellungen leisten. Wer derartiges nicht beherrscht, gehört nicht an eine Universität!
Etwas anderes wäre es, wenn ein Seminar oder ein Praktikum in den ersten Semestern sich mit der Frage nach der Formulierung von Fragebögen befasst. Dazu ist die Volkszählung aber absolut nicht geeignet, denn die Fragebögen sind vorgefertigt.
Es ist außerdem ein gravierender Unterschied, ob ich einen Fragebogen selber ausarbeite und mir die zu befragenden Personen selber aussuchen und diese ansprechen muss, oder ob die zu befragenden Personen – wie jetzt beim Zensus – eine Benachrichtigung im Briefkasten finden und zur Antwort unter Androhung eines Bußgeldes verpflichtet sind.
Zum Schluss bitte ich Dich, einen Blick ins Zensusgesetz, §18 Abs. 4 zu werfen. Bei der Befragung an der Tür musst Du dem Erhebungsbeauftragten lediglich für alle in der Wohnung wohnenden Personen Fragen beantworten zu Geschlecht, Monat und Jahr der Geburt, Zahl der Personen im Haushalt, Familiennamen und Vornamen, Anschrift und Lage der Wohnung im Gebäude und Tag der Geburt machen. Für alle weiteren Fragen kannst Du Dir den Fragebogen aushändigen lassen und die Fragen in Ruhe alleine ankreuzen und dann per Post oder Internet abschicken, ohne dass Dein Erhebungsbeauftragter noch weiteres davon mitbekommt.
Fazit: Derartiges ist, wie Hadmut völlig richtig schreibt, Hilfstätigkeit, hat aber in keiner Weise einen akademischen Hintergrund und ist damit auch nicht für die Ausbildung von Akademikern (auch genannt “Studium”) relevant.
Eine typische “Leerveranstaltung” also…
Der Prof ist offenkundig ein Michael Häder:
http://141.30.144.245/cd_anzeigen_veranstaltungen.asp?ID=1359