Eine Studie aus zwei Fischen
Was ist denn das jetzt wieder? Auf Klimaskeptiker.info gibt es einen Artikel, wonach eine australische Klimastudie auf der Untersuchung von 2 (in Worten: zwei) Fischen beruht. (Danke an den Leser für den Link!)
Schön blöd, ne? Kleine Probengröße, keine statistisch haltbare Aussage. Wie kann man nur.
Äh, Vorsicht.
Vielleicht war es blöd. Denkbar wäre aber auch, daß die Studie auch mit zwei Fischen seriös funktioniert und daher eher die, die sich darüber aufregen, unwissenschaftlich sind. Kommt halt immer drauf an, wieviel Zufall und Aleatorik drin ist.
Wenn ich beispielsweise einen Fisch aus dem Aquarium hole und auf den Tisch lege, stirbt er. (Ja, ich weiß, es gibt Labyrintherfische, die Luft atmen, ich rede jetzt hier vom normalen Einheitsfisch.) Daß ein Fisch davon stirbt, wäre beispielsweise schon eine nach nur einem Fisch schon vertretbare Aussage. Man könnte dem natürlich entgegenhalten, daß ich selbst dann, wenn ich auf diese Weise 500 Fische ins Jenseits befördert habe, noch nicht folgern könne, daß ein Leben in der Trockenheit der Gesundheit eines Fisches abträglich ist, denn 500 sei im Verhältnis zur Weltgesamtheit der Fische eine viel zu geringe Stichprobe, um Aussagen zu rechtfertigen. Ich müßte schon mal 500 Millionen Fische vertrocknen lassen, um eine solche Aussage zu wagen.
Jetzt hoffe ich, daß dem Leser irgendeine Hirnwindung drückt. Denn einerseits weiß ja jeder, der wissenschaftlich orientiert ist, daß man Einzelfälle und geringe Stichproben nicht verallgemeinern kann. Wir haben ja alle mal die Statistikvorlesung mit Proben usw. gehört. Andererseits müßte es jedem einleuchten, daß ich mit meinem Aquariumsbeispiel gerade ziemlichen Quatsch erzählt habe.
Treiben wir’s weiter: Ich könnte natürlich auch eine Dampfwalze nehmen und jemanden damit überfahren. Und dann dem Richter vorhalten, daß er mir einen Mord nicht nachweisen kann, weil sowas sehr selten vorkommt, und deshalb ein Toter eine viel zu geringe Stichprobe ist, um nachzuweisen, daß das Überrollen mit der Dampfwalze tödlich ist.
Na, tut’s weh?
Wo ist der Denkfehler?
Der Denkfehler hat mit einem Denkfehler zu tun, der hier im Blog schon oft erwähnt wurde, nämlich daß eine Korrelation noch lange keine Kausalität ist. Nur jetzt umgekehrt. Eine Kausalität ist keine Korrelation.
Statistische Untersuchungen – und damit die Sache mit den Fischen und den Stichproben – braucht man dann, wenn man Korrelationen untersucht. Man braucht sie nicht, um Kausalitäten zu untersuchen. Die Korrelation ist nicht nur keine Kausalität, sondern man braucht sie auch nicht, wenn man die Kausalität schon hat.
Wenn ich beispielsweise einen Fisch an 230 Volt anschließe, dann zappelt er erst, dann stinkt er. Dazu brauche ich keine signifikante Stichprobe, weil ich das kausal erklären kann. (Falls sich jemand aufregt, nein, ich habe noch keine Fische durch Strom gefoltert. Wohl aber Gurken. Als Studenten haben wir uns zwei oder dreimal den Spaß erlaubt, sogenannte Siemensgurken herzustellen. Man nehme eine saure Gurke – irgendwas eingelegtes halt – steche im Abstand von einigen Zentimeter zwei Gabeln rein und lege 230 Volt auf die Gabeln. Kinder, nicht nachmachen. Macht man es richtig, dann fängt die Gurke tatsächlich an zu brummen und zu leuchten, aber leider auch barbarisch zu stinken. Das ist selbst für EHEC-Gurken ein äußerst ungewöhnliches Gebaren, trotzdem brauche ich keine größere Versuchsreihe, um die Kausalität auf den angelegten Strom zurückzuführen. Ich habe kürzlich erst beim Aufräumen meine alte Siemensgurkenmaschine = Stromkabel mit zwei aus der Mensa geklauten Blechgabeln gefunden und entsorgt, natürlich unbrauchbar gemacht.)
Zurück zum Fisch.
Worauf ich eigentlich hinauswill ist, daß der geneigte Leser sich einprägt und die kritische Sichtweise entwickelt – so er sie nicht ohnehin schon hat – daß das antrainierte und vermeintlich wissenschaftliche Statistikwissen, wonach zwei Fische keine hinreichende Probengröße sind, einen auch täuschen kann. Und damit ganz klar in die Kategorie des gefährlichen Halbwissens gehört. Denn daß zwei untersuchte Fische keine hinreichende Stichprobe sind, heißt ja noch lange nicht, daß die Studie selbst wesentlich auf statistischer Korrelation beruht und damit überhaupt anfällig für zu geringe Probenumfänge ist. Möglicherweise beruht die Studie auch auf anderen Erklärungen und auf Kausalitäten, und braucht keine große Stichprobe.
Ob die Studie, die da in Australien erwähnt wurde, nun richtig oder falsch ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist sie tatsächlich falsch und statistisch unhaltbar, ich habe sie nicht gelesen. Interessiert mich aber eigentlich nicht.
Ich will daß der Leser versteht, daß allein aus der reißerischen und verächtlichen Schlagzeile, daß die Studie nur auf zwei Fischen beruht, noch nicht zwingend folgt, daß die Studie falsch ist. Vielleicht ist diese Kritik weitaus schlechter als die kritisierte Studie. Bisschen den Verstand wetzen und nicht auf jede Schlagzeile und plakative Entlarvung reinfallen. Manche spielen da auch ein falsches Spiel, weil man mit sowas sehr leicht auch die Meinungen vieler manipulieren kann, die dann Fehler sehen, wo keine sind.
Noch ein Lacher?
Ich war 2004 bei der IETF im Bereich Spam-Bekämpfung unterwegs und auf einigen Konferenzen. Auf der Konferenz zur Eröffnung der Arbeitsgruppe hatte der damalige Gruppenleiter einem seiner Kumpel einen Vortrag zugeschustert, und die Presse war dabei, und der wollte dort ganz tolle Aussagen treffen und Wahnsinns-Powerpoint-Folien zeigen. Eine dieser Folien zeigte eine Exponentialkurve, wonach der Spam-Verkehr unaufhörlich exponentiell wachsen sollte. Die war nun sehr unglaubwürdig, weil damit der Spam-Verkehr weitaus schneller als die Übertragungskapazität des Internets wachsen sollte, was ja nicht geht. Außerdem war die Exponentialkurve viel zu glatt und perfekt. Sowas gibt’s ja gar nicht. Also fragte man, warum die Kurve so glatt und perfekt sei. Ja, sagte er, die beruhe natürlich auf einzelnen Messungen und sei zum Zwecke der Powerpoint-Folie freilich interpoliert. Ja, wurde er gefragt, wieviele Messungen er denn als Stützstellen für die Kurve habe. Zwei, sagte er. Und seine Exponentialkurve sei selbstverständlich so gewählt, daß sie da auch ganz exakt reinpasse. Damit sei belegt, daß der Spam-Verkehr exponentiell wächst.
Danke für den Fisch.
4 Kommentare (RSS-Feed)
also der erste Satz meines Kommentars sollte so enden:”…grob falsch ist.”
Ich bin gar nicht dazu gekommen, den Artikel selbst zu lesen. Ich wollte einfach mal die Zwei-Fisch-Kritik isoliert betrachten.
Temperaturen und Arten sind in ständiger Bewegung. Die Vorstellung stabiler Arten ist genauso bekloppt wie die Vorstellung stabilen Klimas. Klima ist sowieso nur eine theoretische Konstruktion, ein Mittelwert über einen willkürlichen Zeitraum.
Eine Stichprobe von zwei wird man wohl kaum signifikant bekommen. Vielleicht bei einer Grundgesamtheit von drei.
Ja, auch kleine Stichproben können sinnvoll sein, wenn man beispielsweise einen Anstieg grob abschätzen will.
Zwei Fische hat man gebraucht, weil die Leute bei Nature sich sonst kaputtlachen. Die Abhängigkeit des Stoffumsatzes von der Temperatur kann man auch an einem Exemplar messen. Die ist schon als chemische Grundregel bekannt. Signifikanz war hier also nicht gefragt, da der Zusammenhang bekannt ist.
Je kälter das Wasser, desto länger leben Aquarienfische.
Selbstverständlich steigt in der Wärme der Stoffumsatz an, mit zunehmender Temperatur nimmt auch der Sauerstoffgehalt des Wassers ab. Deshalb sind die kalten Meersströmungen fruchtbar. Natürlich gibt es da ein “Ende im Gelände”, einen Schnittpunkt.
Rätsel gelöst. Wissenschaft? Fehlanzeige!
Carsten
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Minuscule – A good education
http://www.youtube.com/watch?v=JcwqSN9mWwo
Ich habe mir die betreffende Arbeit einmal angeschaut und muss (als Laie auf dem Gebiet) sagen, dass die Aussage, die Arbeit würde nur auf Experimenten mit zwei Fischen beruhen.
Ich will hier einmal den Artikel so zusammenfassen, wie ich ihn verstanden habe.
In der Arbeit wird der folgende Gedankengang überprüft: Es wird angenommen, dass sich ein leichter Temperaturanstieg zunächst positiv auf das Größenwachstum von Tieren (hier Fischen) auswirkt. Wenn die Temperatur allerdings zu hoch wird, haben die Tiere zunehmend Kreislaufprobleme, so dass es die Tiere im Durchschnitt wieder kleiner werden.
Um das zu überprüfen wurden über 30 Jahre immer wieder wild lebende Fische gefangen und ihre Grösse gemessen. Anschließend wurde die Größenentwicklung mit der Entwicklung der Wassertemperatur verglichen.
Bei diesen Messungen wurden tatsächlich der oben beschriebene Knick in der Grössenentwicklung festgestellt.
Anschließend wurden, um auch die Kausalität im theoretischen Argument zu prüfen, Experimente mit zwei Fischen durchgeführt. Bei denen unter anderem festgestellt wurde, dass der Sauerstoffverbrauch der Tiere bei hören Temperaturen um 44% höher ist. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Teil der Arbeit vorläufig ist und noch weitere Untersuchungen nötig sind.
mich