Heuchelei 2.0: Wissenschaft beruhe auf Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen
Behaupten plötzlich die deutschen Wissenschaftsorganisationen. Ganz was neues.
Wie die Tagesschau berichtet hat eine „Allianz der großen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland” (von denen hab ich noch nie was gehört) durch ihren Sprecher, den Präsidenten der Leibniz-Gesellschaft Karl Ulrich Mayer, zur Ernennung von Silvana Koch-Mehrin in den Forschungsausschuss des EU-Parlaments erklärt:
“Wissenschaftlicher Fortschritt und Innovationen, letztlich also der Wohlstand in unserem Land, beruhen maßgeblich auf den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Vertrauen”, heißt es in der Erklärung. “Die deutsche Wissenschaft und deren Qualitätssicherungssysteme sind auch im internationalen Vergleich hoch anerkannt. Diese Reputation darf nicht durch die Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschädigt werden.”
Komisch. Bisher hat niemand Wert auf Wahrhaftigkeit und Redlichkeit gelegt, wissenschaftliches Fehlerverhalten fast niemanden interessiert.
Als ich damals in meinem Fall aufgeklärt habe, daß die Prüfer und die Gutachter lügen und Blindgutachten schreiben, und selbst nach Gutachtern gesucht habe – schon für Grundlagenwissen der Informatik – war keiner zu finden, der den Mund aufbekommen hätte. Und genau in den vielen Fällen, über die mir in den letzten Jahren berichtet wurde.
Jetzt plötzlich, wo durch zu Guttenberg und Koch-Mehrin der Wissenschaftszirkus der Lächerlichkeit preisgegeben ist und die Öffentlichkeit sich dafür interessiert, jetzt machen wie plötzlich auf Wahrhaftigkeit und Redlichkeit.
Wer ist denn diese Allianz? Auch darauf gibt der Artikel in der Tagesschau Antwort:
Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist der Zusammenschluss der größten deutschen Forschungsorganisationen. Zur Allianz gehören die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und der Wissenschaftsrat.
Ach herrje.
Ausgerechnet die DFG. Die sich schon mehrfach hier als Thema hatte, und die sich auf Eingaben hin noch nie für Fehlverhalten interessiert hat.
Und die Fraunhofer-Gesellschaft. Eine ihrer Direktorinnen, die Professorin Claudia Eckert, war eine der Gutachterinnen, denen ich nachweisen konnte, daß sie schon in Grundlagen versagt, nicht mal weiß, was in ihrem angeblich selbstgeschriebenen Buch steht, und ein Blindgutachten erstellt (also gelogen) hat. Die die Flucht angetreten hat, als sie ertappt worden war (siehe Adele). Das habe ich der Fraunhofer-Gesellschaft damals auch mitgeteilt. Und wißt Ihr was? Das hat die damals überhaupt nicht interessiert. Lügen, Betrügen, Gutachten zu fälschen halten die für völlig normal.
Aber jetzt, wo sich plöztlich die Öffentlichkeit interessiert, jetzt heucheln die Fraunhofers plötzlich Wahrhaftigkeit und Redlichkeit.
Soll ich Euch was sagen? Was Wahrhaftigkeit und Redlichkeit angeht, würde ich sogar Silvana Koch-Mehrin den Fraunhofers noch vorziehen. Die hat nämlich wenigstens zugegeben, daß ihre Diss Mist ist. Die Fraunhofers haben das nicht. Eine Heuchelfabrik.
Aber überraschen kann mich diese Schmierigkeit auch wieder nicht. Laut der Leibniz-Gemeinschaft ist dieser Sprecher, jener Professor Karl Ulrich Mayer, Soziologe. Und was ich von Soziologen und deren wissenschaftlichem Anspruch und Niveau halte, habe ich ja schon öfters gesagt. Die sind – neben den Informatikern – sozusagen der Running Gag hier im Blog. Denen ist gar nichts zu peinlich.
Es wird allerdings höchste Zeit, sich auch über diese Leibniz-Gemeinschaft eine schlechte Meinung zu bilden. Weil ihnen diese Forderung nach Wahrhaftigkeit und Redlichkeit auch nur gegenüber einer Politikerin und noch nie gegenüber Wissenschaftlern über die Lippen gekommen ist. Gegenüber betrügerischen Professoren, die sich ihre Bücher und Papers von Mitarbeitern schreiben lassen (was nicht weniger verwerflich als das Plagiat Koch-Mehrins ist) stellen sie solche Forderungen nicht. Reine Propaganda.
Wissenschaftliche Redlichkeit ist eben relativ und richtet sich nach der tagesaktuellen Opportunität.
(Danke für den Link!)
9 Kommentare (RSS-Feed)
“Es wird allerdings höchste Zeit, sich auch über diese Leibniz-Gemeinschaft eine schlechte Meinung zu bilden.”
Wie wärs mit dem Forschungsskandal eines Leibnizinstituts in Schleswig-Holstein? Immerhin hatten die da mal 3 Direktoren…..seit ein paar Wochen sind denen da glatt 2 abhanden gekommen…
http://www.laborjournal.de/wordpress/?tag=silvia-bulfone-paus
Wurde die Habilitationsschrift von Vosskuhle schon mal mit einem Plagiatprogramm, z. B. PlagAware durchleuchtet? Im März hatte ich das Werk noch im Internet gesehen, als ich mich kürzlich dran setzen wollte, wars nicht mehr zu finden.
Keine Ahnung. Was hat der jetzt damit zu tun?
Schlag’s mal den Guttenplags vor.
Hab vorhin versucht, einen irgendwie ausführlichen Leserkommentar zum Thema Wissenschaftsbetrug und Vosskuhle hier zu schreiben. Die Automatik hat mir dann aber erklärt, dass der Kommentar Spam wär. Dann bleibts wohl beim Versuch.
Schreib’s mir per E-Mail. Der Spam-Filter fliegt demnächst raus.
Hallo, Herr Danisch,
warum bin ich jetzt ganz rausgeflogen?
o.k. ich schreibs per email.
Was, wieso rausgeflogen?
(Wenn man einen Kommentar schreibt, sieht man ihn kurz, wie er aussehen würde. Dauerhaft ist er aber erst im Blog, wenn ich ihn freigebe. Und ich sitze halt nicht pausenlos am Rechner.)
> Wissenschaftliche Redlichkeit ist eben relativ und richtet sich nach der tagesaktuellen Opportunität.
Der aktuelle Wissenschaftsbetrieb orientiert sich daran wo man Geld bekommt. Das ist dann der normale Weg (auch über irgendwelche Sonderforschungen/Initiativen) und das kommt von der Politik.
Des weiteren ist das die Industrie. Auch dort ist ein guter Teil “Image-mäßig” eingesetzt (“Wir fördern die Forschung”) und das lässt sich durch politisches “backing” (englisch) noch besser vermarkten.
Da kommt schon kaum ein Rektor eines großen Gymnasiums oder der Bürgermeister einer Kreisstadt ohne Parteiengeplänkel/absprachen (Heute unserer – nächstes mal eurer) in sein Amt.
Daher ist dieser gesamte Betrieb ein Appendix der Parteien und ist inzwischen nicht mit großen Forschern sondern mit großen Opportunisten besetzt (Natürlich bestätigen die Ausnahmen die Regel).
Frag mich nicht wie man diese Verkrustung aufbrechen kann 🙁
Gruß Johannes