Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Angriff gegen das Abkassieren mit Veröffentlichungen?

Hadmut Danisch
22.7.2011 13:36

Es war ja schon häufig Thema hier, das Abzocken mit überteuerten Publikationen, wenn etwa Journale mehrere zigtausend Euro pro Jahr kosten. Nun sind wiederholt auch Veröffentlichungen „geleakt”.

Der Fall ging durch die Presse, ein Leser schickt mir gerade noch den Link auf die New York Times (Danke), siehe dazu auch Golem. Ein gewisser Aaron Swartz wurde in den USA festgenommen, weil er 4 Millionen Artikel aus einem Archiv digitalisierter Fachzeitschriften kopiert hatte. Und als Protest gegen die Festnahme wurden an anderer Stelle gleich 19.000 wissenschaftliche Artikel geleakt.

Bemerkenswerter Weise hat Swartz mit seinem (angeblich auch physischen) Einbruch nur das „geklaut”, was aus Sicht der Wissenschaft ohnehin öffentlich wäre, eben „Veröffentlichungen”. Wäre das überhaupt ein Diebstahl?

In beiden Fällen wird als Motivation angegeben, daß die Forschung mit öffentlichen Geldern bezahlt wurde und daher dem Volk bereits gehört, also „Public Domain” und kostenlos zugänglich sein müsse. Ein Argument, dem ich mich anschließe (und das ich hier im Blog schon oft geäußert habe), daß es nicht angehen kann, daß Professoren oder Verlage die Arbeit, die der Staat bezahlt hat, auf eigene Rechnung verhökern.

Man muß aber nicht notwendigerweise der Meinung sein, daß wissenschaftliche Ergebnisse für alle kostenlos sein müßten. Warum soll der Staat auf Einnahmen verzichten? Als Steuerzahler muß man erwarten können, daß der Staat auch für Einnahmen sorgt um seine Kosten zu reduzieren. Aber dann dürften die Publikationen nicht von privaten Verlagen verkauft werden, sondern die Einnahmen müßten direkt in den Landes- oder Bundeshaushalt fließen. Dann würde nämlich der profitieren, der das alles finanziert, nämlich der Steuerzahler.

Schwierig wird es aber bei Drittmittelforschung. Müßte dann nicht der Drittmittelgeber die Nutzungsrechte haben und die Einnahmen kassieren?

Wie man es dreht und wendet, so wie es jetzt ist, ist es nicht in Ordnung. Und daher kann ich auch die Motivation der Täter irgendwo verstehen, wenngleich ich kriminelles Verhalten zutiefst mißbillige. Irgendwann muß diesem korrupten Wissenschaftszirkus mal Einhalt geboten und auf das Problem hingewiesen werden.

Ich habe hier mehrfach die Forderung vertreten, daß man Wissenschaftlern per Gesetz vorgeben solle, daß nur noch das als „Veröffentlichung” gewertet werden dürfe, was allen kostenlos zur Verfügung steht. Das hat natürlich den Nachteil, daß wertloses, für das sowieso niemand zahlt, eher eine Veröffentlichung wird, als wertvolles. Und gerade vor dem Hintergrund der Plagiate könnte so etwas ja die Ausrede provozieren, daß man aus kommerziellen Büchern ohne Zitat abschreiben dürfe, eben weil es keine Veröffentlichung wäre und man es daher nicht wissenschaftlich zitieren könne.

Ein anderes Problem ist, daß selbst dann, wenn etwas „Public Domain” ist, es nur dem Volk gehört, das als Steuerzahler dafür gelöhnt hat, aber nicht der ganzen Welt. Viele Länder erheben eine Maut, weil sie nicht einsehen, daß die lokalen Bürger die Autobahnen finanzieren und die Autofahrer aus anderen Ländern schmarotzend darüber fahren. Da ist was dran.

Trotzdem ist das bestehende Publikationssystem kein akzeptabler Zustand.

Meines Erachtens müssen Forschungsergebnisse

  • Entweder frei und öffentlich zugänglich sein
  • oder in Namen und auf Rechnung dessen verkauft werden, der die Forschungsarbeit daran bezahlt hat. Das wäre dann entweder der Staat – bei uns Bund oder Land – oder eben der private Geldgeber. Was nebenbei den Vorteil hätte, daß man ersieht, in wessen Interesse das erstellt wird. Es wäre doch gar nicht mal verkehrt, wenn man Forschungspublikationen neuerdings bei einem vom Staat betriebenen Publikationsservice in einheitlichem Format und zu vernünftigen Preisen beziehen könnte. Stellt Euch vor, man könnte den ganzen wissenschaftlichen Kram bei einem zentralen Vertrieb für vielleicht 80 Cent pro Paper und 5 Euro pro Buch als PDF runterladen. Fänd ich in Ordnung.

    Das hätte natürlich kuriose Konsequenzen. Wenn ein Professor etwa als Stiftungsprofessur oder über sonstige Drittmittel arbeitet und publiziert, dann würde das im Namen des Gebers – beispielsweise ein Pharma-Unternehmen oder eine Stiftung – vertrieben. Man könnte das dann freilich so gestalten, daß man sagt, daß die Erlöse nicht an den Geber zurückfließen, sondern als Erhöhung der gegebenen Drittmittel aufgefasst werden und über das zentrale Vertriebssystem mit verkauft werden. Der Geber hat also nicht x Euro, sondern x Euro plus die Erlöse aus den Publikationen gegeben.

    Zu diskutieren wäre aber auch, ob es dem Geldgeber dann zustünde, eine Veröffentlichung zu unterlassen.

3 Kommentare (RSS-Feed)

anonym
22.7.2011 13:43
Kommentarlink

“Zu diskutieren wäre aber auch, ob es dem Geldgeber dann zustünde, eine Veröffentlichung zu unterlassen.”

Schreibst Du noch was über den Forschungsethos der GfK?


Hadmut Danisch
22.7.2011 13:50
Kommentarlink

Hab ich auf der TODO-Liste, aber meine Mailbox wächst und wächst…


Matias
22.7.2011 17:17
Kommentarlink

Das Problem ist ja, dass der Staat der ein Interesse an Open-access-Publikation haben sollte gleichzeitig genau das gegenteilige Publikations-Verhalten fördert. Es gibt in den meisten Fachrichtungen heute bereits Open-Access-Zeitschriften wo man als Autor etwas bezahlt damit das paper dann von jedermann gratis abgerufen werden kann. Nun sind das aber meistens nicht diejenigen Zeitschriften mit dem höchsten ‘impact factor’. Gleichzeitig schaut aber der Staat (resp. dessen Institutionen, die die Fördergelder vergeben wie DFG o.ä.) ob denn ein Antragssteller auch schön viele Publikationen in ‘high impact journals’ hat. Deshalb gibts für den einzelnen auch keinen Anreiz woanders zu publizieren.
Und die Verlage werden sich ihre Goldgrube ganz sicher nicht so einfach nehmen lassen…