Forschungsbetrug durch Unterlassen und Verschweigen?
Laut Gesetz kann man Betrug nicht nur durch Täuschung, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Verschweigen oder Unterlassen einer Aufklärung begehen. Gibt es das auch im Forschungsbereich? Anlass: Eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zu Raubkopierern.
Ich hatte es gerade im letzten Posting schon angesprochen: Darf ein Geldgeber darüber entscheiden, ob mit seinem Geld erarbeitete Forschungsergebnisse publiziert werden dürfen oder nicht?
Die GfK hatte (ich weiß es nicht, aber vermute im Auftrag der Filmindustrie) eine Studie über Raubkopierer und den von ihnen angerichteten Schaden angefertigt und dabei herausgefunden, daß die Leute, die sich Filme raubkopieren, mehr Geld für Kino und DVDs ausgeben als andere (siehe z. B. ZEIT und Telepolis). Da hat das Ergebnis nicht gepaßt, und schon ist sie im Giftschrank verschwunden.
Ähnliche Effekte kennt man aus der Pharmaforschung. Ergibt eine Studie, daß ein Wirkstoff doch nicht so gut ist, verschwindet die Studie.
Das wirft eine grundlegende Frage auf: Umfaßt die wissenschaftliche Redlichkeit (die dieser Tage wegen der Plagiate so im Gespräch ist) eigentlich auch die Vollständigkeit der Veröffentlichungen?
Stellt Euch vor, wir führen 10 Versuchsreihen durch und prüfen, ob irgendein x so wirkt wie es soll. Nehmen wir an, nur in 3 von 10 Fällen wirkt es. Nun publizieren wir nur diese 3 erfolgreichen Reihen, so daß der Leser den Eindruck haben muß, daß x in 100% der Fälle wirkt. Dabei werden die Berichte dieser drei Versuchsreihen nach allen Regeln der Kunst exakt und einwandfrei gefertigt. Ist das nun Forschungsbetrug oder nicht?
Schwierige Frage. Ist ein Hersteller gezwungen, auch die negativen Seiten seines Produkts herauszustellen, oder darf er – wie in der Werbung – nur die positiven darstellen?
Auch da kommen wir wieder auf die Fragestellung des letzten Postings zurück: Darf der Geldgeber darüber bestimmen, ob etwas veröffentlicht wird?
Und gerade in naturwissenschaftlichen Fächern mit Laborversuchen wird ja auch häufig gefordert, daß Laborbücher geführt und alle Ergebnisse publiziert werden und nicht nur die, wo die Ergebnisse gerade schön und wie gewünscht ausfielen.
Schwieriges Thema. Ganz schwierig. Möglicherweise nicht ohne weiteres zu lösen.
Ich würde aber folgendes sagen:
- Studien sollten immer den Geldgeber nennen bzw. dieser als Herausgeber agieren, damit man gleich weiß, daß der nicht objektiv sondern im Eigeninteresse selektiv veröffentlicht.
- Irgendwie muß man unterscheiden können, ob eine Einrichtung wie die GFK oder irgendeine sonstige Forschungseinrichtung alles publiziert oder irgendein Externer bestimmt. Das ist nicht einfach, denn die Ausrede „Die Studie war wissenschaftlich nicht gut und nicht veröffentlichungstauglich” zieht ja immer.
- Vielleicht sollte man in bestimmten Bereichen – wie der Pharmaindustrie – Veröffentlichungspflichten gesetzlich normieren – daß etwa dann, wenn ein Produkt auf den Markt kommen soll, auch alle Studien dazu veröffentlicht sein müssen bzw. nur solche Studien anerkannt werden, bei denen von vornherein verpflichtend war, daß das Ergebnis publiziert wird.
- Sollte man selektiv publizierende Einrichtungen wie die GfK überhaupt noch als wissenschaftlich ansehen?
3 Kommentare (RSS-Feed)
*Grins* Wenn mir jemand mit dem Argument kommt, etwas sei getestet, geprüft, untersucht worden, frage ich auch immer erst mal nach, was bei dem Test denn herausgekommen wäre… 😀
“Studien sollten immer den Geldgeber nennen bzw. dieser als Herausgeber agieren, damit man gleich weiß, daß der nicht objektiv sondern im Eigeninteresse selektiv veröffentlicht.
Irgendwie muß man unterscheiden können, ob eine Einrichtung wie die GFK oder irgendeine sonstige Forschungseinrichtung alles publiziert oder irgendein Externer bestimmt.”
IMO sollte man einen Hinweis der Form:
“Die GfK hat die Studie im Auftrag von … durchgeführt. Die untersuchte Fragestellung basiert auf den Vorgaben des Auftraggebers. Die Entscheidung über die Veröffentlichung hat der Auftraggeber nach Vorliegen des Studienergebnisses getroffen. Die GfK hat für …/andere Auftraggeber weitere Untersuchungen mit ähnlichen Fragestellungen durchgeführt. Die Zustimmung zur Veröffentlichung dieser Ergebnisse hat der jeweilige Auftraggeber nicht erteilt.”
vorschreiben.
Die GfK ist eine ganz normale Firma, keine öffentlich-rechtliche Einrichtung. Insofern kann die GfK mit ihren Studien machen, was sie will, jedenfalls sehe ich das so.
Wenn eine Firma allerdings den Anspruch erhebt, wissenschaftliche Studien zu betreiben, dann sollten deren Ergebnisse allerdings auch öffentlich sein, so daß sie durch Dritte nachprüfbar sind. Sofern Studien selektiv veröffentlich werden ist es mit der Wissenschaftlichkeit sicher nicht mehr weit her.
Im Pharmabereich (es gibt noch andere) sollten aber bei Zulassung eines Medikaments dann auch alle Studien dazu veröffentlicht werden, da hast Du recht.
Überhaupt wird mit dem Adjektiv “wissenschaftlich” und seinen Abkömmlingen soviel Schindluder getrieben, daß es mich wundert, daß überhaupt noch jemand etwas darauf gibt.
Ein wissenschaftlicher Abkömmling ist z.B. das “dermatologisch getestet” auf so ziemlich jeder Hautcreme. Prima, sage ich da, aber mit welchem Ergebnis?