Neue Plagiatsvorwürfe
Diesmal soll eine Dissertation in weiten Teilen mit einer Broschüre der Stadtverwaltung Ludwigshafen übereinstimmen. Der Doktor erklärt es damit, daß er ja selbst an dieser Broschüre mitgeschrieben habe.
12 Kommentare (RSS-Feed)
“1.4.2 Stadterneuerung4”
und dann die Fußnote:
“4 Text folgt in Auszügen aus:
Land Brandenburg , Ministerium für Stadtentwicklung und Wohnen und Verkehr: Stadterneuerung im
Land Brandenburg, Potsdam 1997”
ist in der Tat eine etwas gewöhnungsbedürftige Zitierweise …
“Ich bin damals nicht aufgeklärt worden, was wissenschaftliche Standards sind”, so die geniale Ausflucht des Herrn H. Dabei hat der Mann jahrelang Seminare abgehalten und Diplomarbeiten bewertet… Bizarr.
Was mir langsam auf den Zeiger geht, ist jedoch was anderes: im Jahre 22 nach dem Mauerfall wird Ostdeutschland immer noch fast ausschließlich von Westdeutschen regiert, administriert, angeleitet, verwaltet und kommandiert. Selbstverständlich nur von den besten, kompetentesten, promoviertesten…
““Ich bin damals nicht aufgeklärt worden, was wissenschaftliche Standards sind”, so die geniale Ausflucht des Herrn H. Dabei hat der Mann jahrelang Seminare abgehalten und Diplomarbeiten bewertet… Bizarr.”
Was ist daran bizarr? Tue ich auch, explizit aufgeklärt hat mich über sowas auch niemand. Bei Hadmut wird es vermutlich ähnlich gewesen sein.
Wobei … Ich habe Richtlinien über gute wissenschaftliche Praxis unterschrieben. Da stehen dann so Sachen drin, wie, dass jeder Nachwuchswissenschaftler von zwei erfahrenen Wissenschaftlern betreut werden soll. Aha?!
Nein, bei mir gab es das auch nicht.
- Ich haben mehrfach den „Doktorvater” gefragt, was gefordert ist. Antwort war immer, daß eine Dissertation genau dann eine sei, wenn er als Professor sie dafür hält. Mehr nicht.
- Dem Zweitgutachter haben sie nicht sagen können, was gefordert ist, er sollte einfach mal machen, wie er denkt.
- Dem dienstvorgesetzten Ministerium konnten sie es auf dessen Nachfrage nicht sagen.
- Und dem Gericht haben sie es jahrelang auch nicht erklären können.
Ergo: Sie wissen es selbst nicht.
Es ist bizarr, weil: normalerweise jeder Erstsemester in einem Einführungskurs oder Proseminar oder “Modul” XYZ verklickert kriegt, wie er zu korrekt zitieren hat, was wissenschaftliches Arbeiten ist, wie ein Quellen- und Literaturverzeichnis auszusehen hat, etc. pp.
Ein Endvierziger und Lehrbeauftragter wie Herr H., der sich als Wissenschaftler aufspreizt und über 100 Titel in seiner stolzen Publikationsliste anführt, kann klaren Geistes nicht behaupten, nie was von wissenschaftlichen Standards gehört zu haben. “Bizarr” ist da von den möglichen Adjektiva noch eines der schwächeren.
Ach übrigens: der sächsische Kultusminister, ein 41jähriger Herr Wöller, hat auch abgekupfert. Aus einer Magisterarbeit. Die Uni Dresden hat das 2008 schon mal geprüft und offenbar abgebogen, trotz “schwerer Bedenken”. Und ja, er kommt auch aus dem Westen. Nur die besten…
„normalerweise jeder Erstsemester” ? Einführungskurs oder Proseminar?
Gabs bei uns nicht. Im ganzen Studium nicht. Und ich hätte auch nicht davon gehört, daß es das damals irgendwo anders gab.
Also ich kann mich auch nicht erinnern in KA jemals etwas über korrektes Zitieren erzählt bekommen zu haben. Wir Studenten haben uns die Sachen damals aus den Dokumenten, die wir durchgeackert haben selbst zusammengeklaubt, so wie wir dachten es wäre richtig.
Warum auch? Korrektes Zitieren war dort unerwünscht und systemwidrig. Die Literaturliste ist ein Würdigungskatalog und ein Stallbekenntnis.
Wie sollten die darauf kommen, zitieren zu lehren? Die wissen es ja nicht mal selbst.
Also, in unseren Proseminaren haben wir Originalartikel durchgearbeitet
und präsentiert und dadurch automatisch gelernt, wie vernünftiges Zitieren
aussieht. Wahrscheinlich bin ich ein Fossil, aber ich wäre damals nicht
auf den Gedanken gekommen, dass man hierfür einen eigenen Kurs braucht.
Vielleicht braucht man das auch eher in den Fächern in denen weniger
gelesen wird.
Bei uns an der Uni, haben wir im ersten/zweiten Semester ein solches Proseminar. Richtlinie in der Informatik ist es, wörtliche Zitate zu vermeiden, aber dennoch alle genutzten Quellen also solche zu Kennzeichnen.
Beispiel:
Ich schreibe einen Abschnitt und verweise an geeigneter Stelle, z.B. am Anfang (vgl. [1][2][7]) oder am Ende des Abschnittes darauf.
Ich kenne aber auch Geisteswissenschaftler von der selben Uni, die als Richtlinie “haben an möglichst vielen, mehr oder weniger […] sinnvollen Stellen wörtliche Zitate”(A. Utor et al., Zitierregeln, 1972) einzubinden. Dabei gibt es dann Vorgaben wie mindestens zwei Zitate pro Seite. Ingesamt muss die Anzahl der Quellen 2*Seitenanzahl überschreiten.
Insgesamt kann man also schon sagen, dass uns Zitierregeln beigebracht werden, allerdings unterscheiden sich diese (hier) zwischen den verschiedenen Bereichen sehr stark.
“Ingesamt muss die Anzahl der Quellen 2*Seitenanzahl überschreiten.”
In einem Paper mit 8 Seiten IEEE sind ja 16 Referenzen auch durchaus am unteren Ende. In einer Diplomarbeit fände ich aber 200 Referenzen extrem übertrieben. Die Leute sollen ja nicht nur lesen, sondern auch noch entwerfen und programmieren …
Die von Dir genannte Zitierweise hat man sich halt so angewöhnt, ja. Aber explizit beigebracht? Nö.
http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/03/06H158/prom.pdf