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Umgang mit “auffälligen” Studierenden – Angst vor Amokläufen?

Hadmut Danisch
2.8.2011 21:34

Heute hat mich die Uni Karlsruhe (KIT) ja mal echt verblüfft.

Ich hab mal vor vielen Jahren an der Uni Karlsruhe an einer Fortbildungsmaßnahme Didaktik teilgenommen (an der bemerkenswerterweise nur Mitarbeiter und Doktoranden, aber keine Professoren teilnahmen). Seitdem bin ich bei denen auf einer Mailingliste, über die weitere Veranstaltungen angekündigt werden. Heute kam eine Ankündigung für folgenden Vortrag:

„Umgang mit ‚auffälligen‘ Studierenden – noch normal, Grund zur Sorge oder Notwendigkeit zum Handeln?“.
Themen werden sein:

  1. Warnsignale für psychische Probleme bei Studierenden
  2. Wegweiser durch die Landschaft professioneller Unterstützung: Wo finde ich wann welche Hilfe?
  3. Techniken der Gesprächsführung

Gehalten von Leuten von der Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studentenwerks Karlsruhe (PBS). Weiteres und Näheres ist hier zu finden.

Eieiei, die spielen aber heftig mit dem Feuer.

Jetzt wird dann demnächst jeder Student, der sich nicht fügt und mit irgendwas nicht einverstanden ist, gleich zum Psychotherapeuten geschickt und für verrückt erklärt. Ich habe in Karlsruhe einen Professor erlebt, der grundsätzlich jedem, der sich ihm nicht fügte, psychische Problem nachsagte. In zwei Fällen, in denen Doktoranden die Flucht antraten und sich woanders neue Doktorväter suchten, hat er bei deren neuen Doktorvätern angerufen und behauptet, die Leute hätten psychische Probleme (mit erstaunlicher Wahl von Fachbegriffen, die Laien nicht geläufig waren, was bei einigen die Vermutung begründete, daß dieser Professor selbst in psychotherapeutischer Behandlung sein könnte) und dürften deshalb auf keinen Fall promoviert werden (die übrigens beide hinterher erfolgreich promovierten, einer ist Professor geworden).

Bei mir ist ja damals der Dekan übergeschnappt, hat eine heimliche E-Mail-Sperre installiertq, und versucht (sogar mittels eines Rechtsanwaltes), für gefährlich zu erklären und in die Nähe eines potentiellen Internet-Attentäters zu rücken. Damit hatten die damals gegen Grundrecht, Verwaltungsrecht und Datenschutzrecht verstoßen, vom Datenschutzbeauftragten eine aufs Dach gekriegt, vorm Verwaltungsgericht verloren und strafbar hat er sich auch noch gemacht, er mußte dafür Strafe zahlen. Die Fakultät hatte damals sogar eine Benutzerordnung beschlossen, die eine interne Liste der als gefährlich eingestuften Leute enthielt, auf die der Dekan willkürlich und heimlich Leute setzen sollte. Und die konnten das nicht einsehen, daß sie sowas nicht dürfen (und so eine Fakultät lehrt Informatik und Datenschutz!). Grob rechtswidrig, einfach nur Schwachsinn, aber die hatten sich da voll reingesteigert, weil sie jeden, der ihr Weltbild in Frage stellt, für verrückt halten. Unter deutschen Wissenschaftlern herrscht der zwanghafte und unwiderstehliche Drang, jeden Kritiker als Person zu entwerten, um die Kritik nicht beachten zu müssen.

Insofern sehe ich da allergrößte Gefahr, daß hier ein Mißbrauch, zumindest aber eine Ignoranz gefördert wird, weil die sich dann alle plötzlich für Psychotherapeuten halten und glauben, bei jedem, der ihnen nicht paßt, psychische Krankheiten diagnostizieren zu können. Und das denke ich mir ja nicht aus, das haben die ja damals tatsächlich mit zwei Doktoranden gemacht .

Insofern halte ich es für brandgefährlich, so einen Vortrag an der Universität für das Lehrpersonal zu halten. Als ob man Benzin ins Feuer gießt.

Und davon mal ganz abgesehen: Ich habe in all den Jahren mit sehr viel mehr „auffälligen” Professoren zu tun gehabt, als mit solchen Studenten. Und das will was heißen, denn Studenten gibt es ja viel mehr als Professoren. Und mit „auffällig” meine ich hier ernsthaft auffällig, Realitätsverlust, Selbstüberschätzung bis zum Größenwahn, Verfolgungsneurose, und nicht selten schlichtweg Kriminalität. Und mir haben meherer Studentinnen davon berichtet, von Lehrpersonal in einer Weise bedrängt worden zu sein, die ich kaum anders als sexuell einstufen kann. (Und das verblüffenderweise gar nicht mal aus sexuellen Absichten oder mit sexueller Zielrichtung, sondern um größtmögliche Einschüchterung zu erzielen, weil sie einfach nicht hinnehmen wollten, daß eine Studenten gegen sie aufbegehrt oder ihnen gar Fehler nachweist. Hintergrund war nicht Sex, sondern Machtwahn.)

Daher hielte ich es für viel wichtiger und nützlicher, für Studenten und Doktoranden Vorträge zu halten, wie man mit durchgeknallten Professoren umgeht. Denn Studenten können den Kontakt ja nicht vermeiden, sie müssen ja versuchen, das zu überstehen, ohne von den Professoren geschädigt zu werden. Umgekehrt hat das Lehrpersonal aber keine Veranlassung, sich gegen Studenten zu schützen, die nicht in der Spur laufen, weil die ihnen ja nicht die Karriere kaputt machen.

Deshalb muß man – die Universität unterliegt öffentlichem Recht – auch mal die Frage stellen, ob das Lehrpersonal überhaupt dafür „zuständig” ist, sich um die Auffälligkeiten von Studenten zu kümmern. Mal überspitzt gesagt: Selbst wenn ein Student eine psychische Erkrankung hat, ist das zunächst mal seine Privatsache und nicht die der Universität. Das geht die eigentlich nichts an, solange keine Gefährdung besteht.

Oder ist es vielleicht so, daß die nun „Amokläufe” fürchten, daß die Angst haben, daß da einer durchdreht und mal einen vollbesetzten Hörsaal sprengt? Kleine Handgranate in die Menge? Oder vielleicht einfach mal in der Mensa rumballern? Nicht abwegig. Vielleicht sollte man weniger Leuten die Karriere ruinieren. Vielleicht sollte man den Professoren mal Prüfungsrecht und Lehren beibringen und ihnen klarmachen, daß sie bestimmte Fachkenntnisse abzuprüfen haben und nicht bestimmte Durchfallquoten zu erreichen.

Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis mal einer in einer Uni Amok läuft. (Was als Bezeichnung eigentlich Quatsch ist, weil Amok – malayisch – eine spontan rasende, ungeplante Tat bezeichnet und auf diese Vorfälle, wo jemand mit ner Knarre Leute abknallt, überhaupt nicht paßt, aber die Presse hat das eben so geprägt.)

Wetten daß!?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Ursula
3.8.2011 0:48
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Ich kann gut verstehen, dass man, wenn man selbst so negative Erfahrungen mit Professoren gemacht hat, den Text genau unter diesem Blickwinkel liest. Das muss schon schlimm gewesen sein.

Ich habe das Vortragsthema ganz anders verstanden, nämlich als Anleitung, wie Lehrende Studenten helfen können, und zwar ganz ehrlich und positiv, wenn sie merken, dass diese ernsthafte psychische Probleme haben. Das liegt natürlich daran, dass ich über solche Fälle von Psychologenseite gehört habe, und dass es dabei nicht einfach um Studenten ging, die sich unbequemerweise geweigert haben, sich allerlei Zumutungen gefallen zu lassen.

Auch unter Studenten kommen z.B. Psychosen oder Borderline-Fälle vor, und wenn man in praxi mit so einem Fall konfrontiert ist, wünscht man sich vielleicht schon, vorher mal eine Einführung zum Umgang damit aus psychotherapeutischer Sicht erhalten zu haben. Wer Wahnvorstellungen hat, lebt in einer sehr eigenen Welt, entsprechend bizarr können seine Äußerungen auf die Umwelt wirken.

Außerdem gab es immer schon Studenten mit unangemessenen und daher behandlungsbedürftigen Prüfungsängsten, Versagensängsten, Motivationsstörungen etc. Durch den immer größer werdenden Leistungsdruck, der heute schon auf Schülern lastet, dürfte das nicht besser geworden sein. Wenn ein Dozent ein Gespür dafür entwickelt, welcher seiner Studenten ein derartiges Problem haben könnte, kann er dem Betroffenen den nötigen Anstoß geben, sich Hilfe zu suchen. Und das Potenzial des Studenten kommt nach erfolgreicher Behandlung vielleicht erst richtig zur Blüte.

Ein weiteres Problem sind Depressionen. Ein heikles Thema, da Menschen mit Depressionen Meister der Tarnung sind. Andererseits nehme ich an, dass ebenfalls aufgrund des gestiegenen Leistungsdruck zusammen mit den vielfach unsicheren Berufsaussichten für Absolventen die Zahl der Betroffenen auch unter Studenten zunimmt. Auch hier ist es gut, wenn Lehrende mehr über die Anzeichen erfahren. Vielleicht kann dem einen oder anderen so besser geholfen werden.

“Auffällig” kann vieles bedeuten. Das kann im einen Extrem der potenzielle Amokläufer sein, im anderen Extrem der potenziell Suizidale. In den allermeisten Fällen aber wohl irgendwas dazwischen, und eher nicht im Sinne der Aggression gegen die Uni, sondern eher im Sinne des Verstricktseins in tief verwurzelte Denkprogramme, die das Bewältigen der Realität behindern. Oder einfach die Reaktion auf zu viel Erwartungsdruck. Oder – selten – eine ausgewachsene Psychose.

Ich sehe das Angebot jedenfalls positiv.


Anna Freud
4.8.2011 19:37
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@ Ursula: Der Satz: “Wer Wahnvorstellungen hat, lebt in einer sehr eigenen Welt” ist Humbug, weil jeder Mensch letztlich in seiner eigenen Welt lebt.

Ansonsten frage ich mich, wieso bitteschön Leute, die mir etwas beibringen sollen – und nicht mich heilen oder sowas – plötzlich zu paraprofessionllen Diagnostikern der Psychpathologie werden sollten oder gar könnten? Ist das nicht etwas aufweichend für die Profession des Psychotherapeuten? So in der Art von: “Wir machen jetzt alle mal diesen Persönlichkeitstest aus der LISA”? Oh je.
Naja, bei der Organisation der Studiengänge der Bachelors werden die da aber eine Menge Leute finden, die irgendwie an ihrem eigenen Rand entlang wandern oder auf dem Zahnfleich kriechen. Ob die da mal nicht ne Pandorabüchse aufmachen…


Hannes Wegner
16.8.2011 16:58
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Interessant ist das ja schon. Und schonwieder ein Beweis dafür, dass Macht und Verantwortung für andere Menschen selbst zu einem Fremdbild der heutigen Gesellschaft führt. Besonders die Überspitzung des Artikels bezüglich der Amokläufe finde ich gut, oft werden nämlich Menschen, die Verhaltensauffällig sind oder psychische Leiden haben zur derartigen Tätern abgestempelt.

Der Punkt des Machtmissbrauchs findet man heutzutage, gerade in Universitäten sehr häufig und sollte auf jeden Fall näher betrachtet werden. Nicht oft entscheiden Professoren nach eigene Manier, wenn es um die Notenvergabe geht und der Student vorerst aufgefallen war. Die Anmaßung sich dabei noch über den Geisteszustand der Person zu echauffieren finde ich reine Dreistigkeit. Wohl angelehnt an den Satz, dass oft die behauptende Person selbst Defizite hat.

Dank für den tollen Artikel. Ich denke der Postillon sollte auch hier wieder Recht behalten, alles als eine gewollte Übertreibung darzustellen.