Abgeschrieben: Professor gegen Doktorandin
Der SPIEGEL berichtet von einem bemerkenswerten Plagiatsstreit zwischen einem Professor und seiner Doktorandin. Wer hat bei wem abgeschrieben?
40 Seiten der Dissertation stimmen mit dem Handbuch des Professors überein – und der Professor kann nicht erklären, warum er das bei der Bewertung der Dissertation nicht gemerkt hat (oder nicht gemerkt haben will). Normalerweise würde man daraus folgern, daß er entweder
- die Dissertation bei der Bewertung nicht gelesen hat,
- den Inhalt seines „eigenen” Handbuches nicht kannte oder
- genau wußte, was da von wo abgeschrieben war und damit in der ein oder anderen Richtung Fehlverhalten begangen hat.
Aber wie das an Universitäten so ist, besonders wenn es um Abschreiben und Professoren geht, wird immer den Mitarbeitern und Doktoranden die Schuld zugeschoben. Immer.
Bedenklich sollte eher stimmen, daß dieser Professor laut SPIEGEL in einem Alter Mitte vierzig bereits 9000 Druckseiten und 350 Fachaufsätze geschrieben haben will. Das erscheint mir nicht plausibel, und es ist ja durchaus gängige – und sogar von einer Staatsanwaltschaft bestätigte – Praxis, daß Professoren sich ihre Werke schreiben lassen.
Zudem muß man mal darüber nachdenken, was dieser Frau eigentlich vorgeworfen wird: Sie soll wissentlich 40 Seiten aus dem kurz zuvor erschienenen Handbuch ihres eigenen Erstgutachters abgeschrieben haben, wovon jedem, wirklich jedem klar sein muß, daß das höchste Aufdeckungsgefahr mit sich bringt, weil ein Prüfer seine eigenen Werke meistens kennt. Und es eben auch nicht völlig ausgeschlossen ist, daß ein Gutachter mal in eine Dissertation hineinsieht.
(Mir ist allerdings auch ein Fall bekannt, in dem ein Doktorand dem Doktorvater ein Vorabexemplar seiner Dissertation zur Korrektur geben sollte und es schon zu heftigen Reibereien zwischen beiden gekommen war. Der Doktorvater rügte den Doktoranden daraufhin immer wieder heftig und vor versammelter Mannschaft, aber nur in Worthülsen und Allgemeinplätzen, wie schlecht der Doktorand doch sei, was die Dissertation für ein Mist wäre, wieviele Fehler sie enthielte, das wäre unmöglich, müsse alles noch umgearbeitet werden, sei nicht tageslichttauglich, damit würde man sich ja blamieren usw.usw.usw. Erst Monate später bemerkte der Professor, daß der Doktorand ihm in Vorahnung dessen eine Fake-Dissertation abgegeben hatte, die zwar aus Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Überschriften und Literaturverzeichnis bestand, aber ansonsten nur ein dicker Stapel leeren weißen, aber ordentlich gebundenen Papiers war, gar kein Text drin.)
Und mir selbst ging das ja auch so ähnlich: Während meiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter habe ich eine Beobachtung gemacht und diese in meine Diss aufgenommen. Dann habe ich sie für einen Zwischenbericht in einem SFB verwendet. Als ich dann damals das Bundestagsgutachten schreiben sollte, habe ich diese Beobachtung darin erneut verwendet. Als das Bundestagsgutachten fertig war, hat der Professor meinen Namen als Autor gestrichen und das als sein Gutachten ausgegeben, und mir im Prüfungsgutachten dann vorgeworfen, ich hätte von ihm abgeschrieben ohne ihn als Urheber zu zitieren. Insofern habe ich da eine gewisse Vermutung, wie das da an der RWTH Aachen gelaufen sein dürfte. Ich würde a priori darauf tippen, daß hier der Professor lügt.
(Danke auch an die Leser für die Hinweise.)
9 Kommentare (RSS-Feed)
Naja ein kleiner Trost ist dass die Profs auch untereinander abschreiben. Ein Kollege hat mir vor kurzem mal ein Buch mit dem Titel “Sozialinformatik” überlassen. Dort steht auf Seite 13 ein verschämter Hinweis auf ein Buch von Rechenberg “Was ist Informatik?” mit diesem interessanten Hinweis: “Das Buch erklärt ausführlich die in Kapitel 3 dargestellten Zusammenhänge auf anschauliche und kompakte Weise. Auch Nicht-Informatikern vermittelt es Denk- und Arbeitsweise der Informatik und geht praxisnah auf alle heute wichtigen Bereiche ein, ohne sich dabei in technische Details zu verlieren.”
Nun ja seh ich anders, ich kenne den Schinken von Rechenberg. Ist aber auch egal, denn wenn man sich jetzt Kapitel 3 aus dem Buch “Sozialinformatik” anschaut, dann findet man auf den insgesamt 25 Seiten die das Kapitel umfasst, nicht einen einzigen Hinweis auf Rechenberg (und nur drei Hinweise auf andere Autoren), obwohl in dem Kapitel Dinge wie Software-Integration und Customizing, Open Source usw. besprochen werden, was der Autor (wie eine Recherche ergab wohl Diplompädagoge der es auch ohne Dr. zu einer Professur geschafft hat, fragt sich wie) wohl kaum aus seinem eigenen Studium kennt. Stellt sich die Frage woher er das alles weiss. Und die Vermutung, dass das aus dem Rechenberg-Buch stammt. Wenn ich das Buch von Rieble aber richtig verstanden habe, dann ist das wohl nicht gerade korrekt angegeben worden. Auch sind eine Menge Abbildungen enthalten von denen nicht klar ist woher sie stammen. Und den TUX hat der Autor bestimmt nich selbst gemalt. Die sind sooooo lächerlich die Typen.
Es ist mehr als üblich, dass Profs sich ihre Veröffentlichungen von ihren Mitarbeitern schreiben lassen. Oftmals wird dann denen irgendwo gedankt für Kopierarbeiten oder sonstiges Unverfängliches.
Eine Hauptmotiavtin für Profs, Doktoranden anzunehmen (und Themen!), ist, davon selber zu profitieren. Z. B. durch direktes Abschreiben.
Merke: Der Doktorand muss den Prof zitieren, der Prof darf nicht den Doktoranden zitieren.
@Hadmut: Wie kann man so einem Fehlverhalten als Doktorand entgegenwirken? (Die Führung eines Laborbuchs wäre übertrieben, oder?)
Zeugen, publizieren, sich Anweisungen zur Mitarbeit an einem Buch schriftlich (wenigstens per E-Mail) geben lassen…
Leicht OT (aber ich schreib nicht gerne EMails)
Müsste man nicht sehr einfach eine Datumssignierung via kleinen Web-Service anbieten können?
Ich bin leider nicht gut was sicherheit angeht, aber das scheint mir zumindest ein vernünftiger Ansatz
also in der art:
User: Input A (etwa ein hash) and Vertrauenswürdigen WebService
hänge daran das aktuelle Dataum
hänge einen zufallstext drunter (kA ob nötig)
Verschlüssele das ganze mit privatem(beim WebService) Schlüssel (gesalzen/ täglich wechselnd)
Webservice: Gib verschlüsselten Text in Klartext und verschlüsselter Form an User zurück.
Damit müsste dann A (zB ein Hash der Promo) doch mit zugehörigem Datum von einem dritten gut signiert sein, also damit sehr glaubwürdig?
14.8.2011 10:00
Kommentarlink
[…] – Spiegel TV Guttenberg vs. Dr Guttenberg Die Wahrheit über die Doktorarbeit In Blogs gefunden: Forschungsmafia » Blog Archive » Abgeschrieben: Professor gegen 40 Seiten der Dissertation stimmen mit dem Handbuch des Professors überein und der Professor […]
@Alex: Ja. Das ist das, was das Signaturgesetz Zeitstempeldienst nennt.
“Damit müsste dann A (zB ein Hash der Promo) doch mit zugehörigem Datum von einem dritten gut signiert sein, also damit sehr glaubwürdig?”
Wenn der Dritte von der BNetzA lizensiert ist, nicht nur “sehr glaubwürdig”, sondern meines Wissens mit der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde …
Grundsätzlich ist ja eine Trennung von Betreuer und Erstgutachter überaus wünschenswert. Offenbar hat aber in diesem Fall der Betreuer die Arbeit seiner Doktorandin nicht mal gelesen – anders lässt sich doch sowas kaum erklären. Dieses offensichtliche Fehlverhalten des Professors nun der Doktorandin in die Schuhe zu schieben ist schon mehr als schäbig.
Andererseits scheint ja auch der Bonner Erstgutachter entweder nicht gerade eine Intelligenzbestie zu sein oder dem Aachener Kollegen nicht sonderlich wohlgesonnen zu sein. Ansonsten hätte er ja schließlich die Angelegenheit mit ein paar Gesprächen oder E-Mails im Vorfeld klären können. Die Art und Weise wie dies auf den Rücken der Doktorandin ausgetragen wird spricht weder für den Erstgutachter noch für den Betreuer – ein schon ziemlich erbärmlicher Haufen.