Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Professionelle Forschungsantragsberater

Hadmut Danisch
26.9.2011 11:08

Bei diesem Artikel hier bekomme ich Stirnrunzeln. Woran liegt es, daß so etwas zustandekommt?

  • Ist das Antragswesen zu komplex und absurd geworden, als daß man als Wissenschaftler damit noch zurandekäme? Ist es gar ein Anzeichen für fortschreitende Kommerzialisierung (Korruptisierung?) des Forschungswesens?
  • Sind Professoren schlichtweg zu doof oder zu unfähig, um ihren eigenen Beruf selbst auszuüben (statt von anderen für sich ausüben zu lassen), sobald es mal ernsthafte Anforderungen gibt?
  • Oder ist es eher begrüßenswert, daß die Professoren ihren Allfähigkeitswahn endlich mal aufgeben und einsehen, daß sie nicht die obersten Alleskönner sein können, und daß externe Profis was können, was sie nicht können?

9 Kommentare (RSS-Feed)

anonym
26.9.2011 12:40
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(Ohne den Artikel gelesen zu haben:) Ich würde sagen, letzteres. Die Berater sollten dann am besten auch gleich die Projektdurchführung begleiten, dann wird vielleicht das Rumgewurtschtel weniger …


anonym
26.9.2011 13:00
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Nachtrag: Bauleitung ist ja deshalb so ein Riesengeschäft, weil auf dem Bau soviel geschlampt wird (und soviel Schlampereipotenzial besteht). Insofern müsste Forschungsprojektleitung eigentlich auch ein Riesengeschäft sein. IMO müssten die Fördermittelgeber einen Qualifikationsnachweis im Hinblick auf Projektsteuerung verlangen.

Hab den Artikel jetzt gelesen: Genau das machen die ja. Die Kritik im letzten Absatz: “Ein öffentliches System, also auch die EU, sollte eigentlich nicht so kompliziert beschaffen sein, dass seine Nutzung einen Dienstleistungsmarkt erforderlich macht. Da kann man sich durchaus fragen, ob nicht grundsätzlich etwas falsch läuft.” kann ich nicht teilen. Projektentwurf und Projektsteuerung _kann_ man halt nicht in Teilzeit nebenher machen.


rjb
26.9.2011 19:35
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Subventionsberater, gerade auch im EU-Kontext, gibt es schon lange. Das hier ist eine Teilsparte, an der das einzig Verwunderliche ihre Nichtexistenz wäre.


Guy Incognito
26.9.2011 20:56
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Nicht alle Professoren haben Freude daran Anträge zu schreiben, insbesondere bei den meist niedrigen Annahmequoten. Finde ich auch nicht verwerflich, wenn jemand lieber forscht statt beantragt. Da das im System nicht vorgesehen ist, muss derjenige dann eben beantragen lassen. Ist nicht schön, aber besser als einen kreativen Kopf komplett für Projektwirtschaft zu verheizen.


Hadmut Danisch
26.9.2011 21:07
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@Guy Incognito: In den USA ist es – soweit ich weiß – Aufgabe einer eigenen Universitätsabteilung, sich um das Thema zu kümmern und bleibt nicht am jeweiligen Prof (allein) hängen.


anonym
26.9.2011 21:30
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In DE gibt es für sowas zum Teil auch Abteilungen. Öffentlicher Dienst auf Lebenszeit, und das ohne einen Tenure Track – was soll man da bitteschön erwarten? Wenn die Leute sich reinhängen wollten, wären sie in leitender Position im Ministerium.


anonym
28.9.2011 14:02
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“Ein öffentliches System, also auch die EU, sollte eigentlich nicht so kompliziert beschaffen sein, dass seine Nutzung einen Dienstleistungsmarkt erforderlich macht. Da kann man sich durchaus fragen, ob nicht grundsätzlich etwas falsch läuft.”

heißt für mich übersetzt: Wenn die EU nicht unverschämterweise erwarten würde, dass zumindest halbwegs irgendetwas rauskommt, müsste man sich in die Richtung auch nicht anstrengen.


Ich denke, es gibt zwei Ursachen – erstens sind Antragsverfahren unnötig komplex, und zweitens ist die Ablehnungsquote hoch, so dass nur “gut geschriebene” Anträge durchkommen.

Letzteres hat wohl mit der Zahl der Anträge zu tun; wie mir erzählt wurde, musste man vor ein paar Jahrzehnten nur 2-3 Seiten an die DFG schreiben, um ein Forschungsprojekt finanziert zu bekommen – heute sind es eher 20-30 Seiten, und die Erfolgsquote ist gleichzeitig geringer. Das führt zu einem Teufelskreis: Um die gleiche Zahl von Anträgen genehmigt zu bekommen, muss man mehr Anträge stellen, und bei gleichem Gesamtbudget muss dann eben rigoroser aussortiert werden. Das führt dazu, dass mehr Zeit als früher für’s Antragschreiben draufgeht.

Einerseits ist es ja gut und wichtig, dass Wissenschaftler dazu gezwungen werden, ihre Forschung begründen und rechtfertigen zu können. Andererseits ist es kontraproduktiv, wenn bei allen ein beträchtlicher Teil der Zeit draufgeht, um Anträge zu schreiben, statt produktiv zu sein. Es ist im Prinzip eine politische Abwägung: Lieber riskieren, dass mehr Geld sinnlos an den Unis versickert (und damit mehr “faule” oder “unfähige” Wissenschaftler durchfüttern), oder genauere Überprüfung durch ein aufwändigeres Antragsverfahren, mit denen die gesamte Branche stärker von der eigentlichen Arbeit abgehalten wird. Ich glaube, in Deutschland tendiert man zu Letzterem – auf der Suche nach mehr Gerechtigkeit verwaltet man sich lieber zu Tode.

Nicht zuletzt: Wer gute Forschung betreibt, ist deshalb noch lange kein Marketing-Profi, der weiß, wie er das den Förderungsgremien schmackhaft machen kann, und kennt sich auch noch lange nicht mit umfangreichen Verwaltungsprozeduren aus. Diese Lücke schließen genau die erwähnten Dienstleister, somit ist es kein Wunder, dass man sich solche Strukturen heranzüchtet. Aus meiner Beobachtung besteht die heutige “junge” Professorengeneration großteils aus ziemlichen Workaholics, die mehr als gerne bereit sind, sich solche störenden Tätigkeiten abnehmen zu lassen, der Grund ist also nicht Unfähigkeit, sondern Zeitmangel.


Paul
7.10.2011 18:39
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Hmm – also mit der im Artikel erwähnten Eurice Gmbh hatte ich vor zwei Jahren Bekanntschaft bzgl eines EU Antrags. So dolle fand ich die ehrlich gesagt nicht. Besonders heiß waren die in erster Linie darauf welche Mittel der Uni-Haushalt zur Finanzierung von EU-Anträgen bereitstellen kann. Knapp 2 Wochen vor der Abgabe teilten die mir dann mit, dass sie – entgegen der ursprünglichen Absprache – die Konsortialleitung auf keinen Fall übernehmen könnten. Sie (Eurice) würden sich aber um den “organisatorischen” Teil (Meetings organisieren, Deliverables einfordern etc.) kümmern. Wäre der Zeitpunkt für diese Ansage von denen nicht so geschickt und extrem kurzfristig gewählt und hätte ich nicht bereits sehr viel Zeit und Kraft in den Antrag gesteckt, so hätte ich die vor die Tür gesetzt!

Anyway – EU-Anträge sind extrem aufwändig, zeit- und nervenraubend. Die Konkurrenzsituation ist deutlich heftiger als auf nationaler Ebene, wo meistens mehr Klüngel als tatsächliche Qualität der entscheidenden Erfolgsfaktor ist. Dafür sind die EU Verfahren, wenn man sie denn einmal verstanden hat, deutlich transparenter.

Obwohl ich im o.g. EU-Antrag für die erforderlichen Teile zu Projekt-management (Implementation) sowie zur Verwertung (Impact) weitest-gehend auf mich alleine gestellt war, erhielt ich für diese, mir fachfremden, Teile eine ganz ordentliche Bewertung (4.5 von 5 Punkten).

Zweifellos war dieser Lernprozess mit sehr viel Zeit, Aufwand und einem äußerst frustierenden Ergebnis (keine Förderung trotz Überschreitung der Schwellwerte) verbunden. Allerdings ist für mich klar geworden, dass ich für die Antragserstellung nicht unbedingt solche Dienstleister benötige bzw. diese nur bedingt hilfreich sind. Eine 100% sichere Förderung kann einen auf EU-Ebene ohnehin niemand garantieren. Es empfielt sich m.E. eher Zeit zu investieren und die mannigfaltigen Hilfestellungen auf EU – und auch nationaler Ebene in Anspruch zu nehmen.

Meine Schilderungen und Erfahrungen beziehen sich ausdrücklich nur auf den o.g. Dienstleister – die Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern und Antragsstellern vermag daher durchaus anders aussehen. Mein Bedarf an Erfahrungen mit solchen Dienstleistern ist aber vorläufig gedeckt. Für den aktuellen EU-call schreibe ich die Anträge lieber selbst!