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24k in school debt and a useless degree

Hadmut Danisch
6.10.2011 8:54

Bricht das amerikanische Universitätssystem zusammen?

Auf SPIEGEL ONLINE ist gerade ein Artikel über die Wallstreet-Proteste mit einer Bilderserie über Einzelschicksale erschienen.

Auf einigen der Bilder sieht man auch Aussagen der Art, daß die Leute unglaubliche Schulden für ihre Ausbildung haben, ihnen ihr Abschluß aber nichts nutzt. Neu ist das Problem nicht. Ich habe kürzlich irgendwo eine Karrikatur gesehen, in der zwei nur als Schatten gezeichnete Leute vor der Universität stehen und der eine zum anderen sagte, daß die Uni toll sei und er schon in vier Jahren seine Ausbildungsschulden abbezahlt haben wird. Auf dem nächsten Bild stehen sie im Licht und man erkennt, daß es der alte grauhaarige Vater ist, der das zu seinem Sohn als Studenten sagt. Der sagt zynisch „Toll, Dad!”.

Und hier im Blog hatte ich vor einiger Zeit schon mal auf ein (vermutlich gestelltes und nicht ernstgemeintes, aber durchaus als Kritik zu verstehendes) Foto verwiesen, auf dem jemand am Straßenrand steht und ein Pappschild hochhält, auf dem er auflistet, welche Diplome und Doktorgrade er hat, wieviel er publiziert und wieviele Konferenzen er geleitet hat, so die üblichen akademischen Wertkriterien, und darunter groß „Will work for food”.

Da haben in den USA viele Leute einfach nicht mehr das Geld, um sich teure Ausbildungen zu leisten. Und sie sehen auch keinen Nutzen mehr darin, viele bezeichnen ihre Ausbildung als nutzlos. Nutzlos!

Sind die Universitäten (noch) eine Bildungsstätte, oder sind sie in ihrer Kommerzialisierung nur noch ein Verkäufer, der den Leuten ein fragwürdiges Produkt andreht?

Neulich war ich in Namibia. Ein im Vergleich zu den USA sehr armes Land, obwohl sie im Vergleich mit manchen anderen afrikanischen Ländern noch halbwegs gut dastehen. Bei einer geführten Tour durch eines der Armenviertel erklärte uns der Guide, was es mit den Leuten auf sich hat, die an einer Hauptverkehrsstraße am Straßenrand rumhocken. Tagelöhner, die auf einfache Jobs hoffen. Völlige Analphabeten, die nicht lesen, nicht schreiben, nicht rechnen, kein Wort Englisch können, die nur in irgendeiner seltenen Stammessprache reden können. Die Kommunikation zwischen ihnen und einem möglichen Auftraggeber erfolgt durch Zeichensprache und durch Vormachen, was man von ihnen will. Viel könne man von ihnen nicht erwarten, insbesondere keine Einsicht in irgendwas. Ganz einfache, körperliche Arbeiten.

Das gehörte zum niedrigsten Bildungsniveau, dem ich überhaupt begegnet bin. Erstaunt fragte ich den, der uns da durch die Gegend führte (ebenfalls jemand aus ärmlichen Verhältnissen ohne Job, der aber gut Englisch konnte und sich mit Tourismus ein paar Kröten verdiente), warum man den Leuten denn nicht wenigstens ein Minimum an Bildung anböte, ich hätte doch gerade in der Zeitung gelesen, wie sehr sich Namibia darin bemühe. Seine Antwort: Wozu sollten sie das tun?

Er erklärte mir, daß es kostenlose Schulen gibt, und daß es jedem dieser Arbeiter völlig frei stünde, in diesen Schulen Lesen, Schreiben, Englisch usw. zu lernen. Es gäbe genug freie Plätze. Jeder, der Lust dazu habe, könne dies ohne finanziellen Aufwand tun. Aber wozu die Mühe? Sein Bruder habe ein Stipendium bekommen und auf der Universität studiert, ein Diplom erworben. Und sitzt nun genauso arbeitslos da. Hätte er statt zu studieren als einfacher Tagelöhner gearbeitet, hätte er wenigstens ein bisschen was verdient.

Der Wert der Bildung wird in Namibia sehr kritisch hinterfragt (erstaunlicherweise von Leuten, die von Mathematik und Betriebswirtschaft noch nie etwas gehört haben). Und nun offenbar auch in den USA. Wenn aber so viele Leute auf der Straße stehen, und die Universitätsausbildung kritisieren, und wenn die Leute immer weniger Geld haben und vor Krediten zurückschrecken, dann wird auch irgendwann der Geldfluß an Studiengebühren verebben.

Ich hatte kürzlich in einen Link auf einen Bericht, wonach die US-Universitäten ihre Aufnahmeanforderungen inzwischen schon drastisch senken, weil sie ihre Studienplätze nicht mehr voll bekommen und deshalb der Geldfluß verebbt. Inzwischen verlangen sie immer weniger Vorbildung und Können, es zählt immer mehr, ob einer Geld hat. Papis Kontostand ist viel wichtiger als der IQ des Bewerbers. Nur daß Papis Kontostand oft auch nicht mehr so toll ist.

Und wie das in der Marktwirtschaft eben so ist, wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, dann fallen die Preise. Und in der Folge vielleicht das amerikanische Universitätssystem in sich zusammen.

Was bemerkenswert ist, denn deutsche Professoren, die nach USA und Schweiz die dritthöchstbezahlten weltweit sind, fordern ja immer höhere Gehälter und begründen das mit den USA. Dieser Grund dürfte sich nicht mehr lange halten, zumal es in den USA – wie hier schon öfters gebloggt – ja inzwischen auch ein Überangebot an Wissenschaftlern und immer weniger Stellen gibt, sich also die Gehälter verringern werden.

In Portugal demonstrieren übrigens die Studenten und Absolventen, daß sie trotz Studiums keinen Arbeitsplatz mehr finden. Das Studium nutzt ihnen also nichts, kostet sie aber Zeit und Arbeit.

Könnte also gut sein, daß die Universitätsausbildung also gerade generell an Wertschätzung verliert. Und damit die „Aktien” der Universitäten.

4 Kommentare (RSS-Feed)

Matias
6.10.2011 9:10
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Ich denke, dass die Löhne in den USA nur im Durchschnitt sinken werden, die Spitzenlöhne (an den ‘Ivy League’ Unis) aber in etwa konstant bleiben dürften. Die Top-Unis können weiterhin darauf bauen, dass die Oberschicht ihre verwöhnten Kinder zu ihnen schicken, egal wieviel es kostet. Zudem können sie auch auf die neuen ‘Märkte’ in Asien vertrauen. Die Schere dürfte sich noch mehr öffnen, was für den sozialen Frieden wohl nicht gerade gut sein wird.


FDominicus
6.10.2011 9:13
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Es sind derzeitig andere Sachen gefragt wie Leistung. Insgesamt geht es nicht mehr um was man leistet sondern wie man die “Leistenden” maximal ausnehmen kann. Also wird es durchaus sinnvoller sein auf Unis zu gehen wo so die super Volskwirte ausgebildet werden für die es “süss ist dem Staat” zu dienen. Was für Griechenland tödlich war wird ja wohl für die US das Land der unbegrenzten Möglichkeiten “super” sein…


x
6.10.2011 17:36
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Die Amerikanischen Unis sind vorallem in einem gut: Werbung machen.
Das typische Werbeplakat hat Aussagen a la:
Komm zu uns/tolle Ausbildung/super Kontakt zu Arbeitgebern/Tolle fun community/Meet people/Earn a lot of money with your degree/Be a great and top professional

Was darin nicht vorkommt: Interesse am Fach selbst.
Im Hintergrund dann noch ein paar Bilder von glücklichen Menschen.
Hier verkaufen die Unis nämlich nicht Bildung, sondern eine Stellung in der Gesellschaft.

Die öffentlichen Unis sind vielleicht etwas schlechter, und die Studenten sind auch nicht so übermäßig toll, weil die allerbesten sich die Unis aussuchen können, aber im großen und ganzen ist die Ausbildung sicherlich die gleiche.

Was viel schwerer wiegt: wenn man an einer der “schlechten” Unis studiert hat, dann hat man nicht die Kontakte, um Karriere zu machen.
Es ist sicher kein Zufall, dass fast alle Profs von nur ganz ganz wenigen Unis kommen. Deshalb hat man als Aussenseiter (z.B. mit einem Abschluss aus Europa, wenn er nicht gerade von der ETHZ kommt), auch sehr schlechte Karten auf eine akademische Karriere.
Über die Qualität der ETHZ muss ich wohl in diesem Forum nichts schreiben.

Die Unis machen den Studenten nun vor, dass sie nur einen tollen Job bekommen, wenn sie einen Abschluss von der Uni xy haben. Wenn man selbst Professor werden will, dann stimmt das sicher, aber da gibt es noch das kleine Problem mit den wenigen Stellen und den vielen Interessenten.

Den Studenten kann ich wirklich nichts vorwerfen, die kommen von schlechten High Schools und sind noch sehr jung und unselbständig und durchblicken das System natürlich nicht.
Ich habe auch erst Mitte 20 begriffen, was in Deutschland an den Unis abgeht, und dabei noch nicht einmal in die tiefsten Abgründe geschaut.

Was die Unis hier also machen: Sie verkaufen ein überteuertes Produkt, das niemand braucht.
Im Gegenzug bekommen die Studis dann Edutainment, weil man seinen zahlenden Kunden natürlich nicht sagen kann, dass sie keine Ahnung haben und eh nie einen Job bekommen werden.

Was die Gehälter angeht: Die sind nicht so toll. Erstens wird sehr viel Lehre von Adjuncts=Lehrbeauftragten geleistet, denen geht es nicht gut, die dürfen nicht mal die Bibliothek voll nutzen.

Die normalen Profs arbeiten in meinem Fach (Naturwissenschaft) alle sehr sehr hart, denn ohne Drittmittel ist es aus. Die Gruppen sind auch alle eher klein, so dass die Profs wirklich selbst arbeiten (glaubt man eigentlich kaum).
Dazu kommt, dass 100000 Euro hier nicht das gleiche sind, wie in DE.
An meiner Uni ist die Tuition mit Wohnheim zusammen über $50000,
Das muss man auch als Prof für seine Kinder aufbringen, oder die Kinder müssen sich halt verschulden. Von daher verdienen die Profs hier nicht übermäßig und sind auf keinen Fall an den hohen Gewinnen beteiligt, die die Unis einfahren. Der Durchschnitt ist halt hoch, weil irgendwer in den Wirtschafts”wissenschaften” an den Ivy League Unis Millionen bekommen.

Das meiste Geld legen die Unis an, oder geben es für Prunkbauten aus, um noch mehr Studenten zu gewinnen. Im Gegensatz zu DE sind die Unis hier auch permanent am expandieren, wie jedes Wirtschaftsunternehmen auch. Dorthin verschwinden die Gelder. An der Stelle eine meiner Lieblingsseiten:

http://philip.greenspun.com/careers/women-in-science


Anna Freud
9.10.2011 0:45
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Das Probelm in den USA ist ja nicht, dass da alle einen Abschluß machen wollen, um (“dick”) Karriere an der Uni zu machen, sondern es zu Erweiterung ihrer Kenntnisse in ihrem jeweiligen bzw für den Beruf ihrer Wahl machen wollen. Gleichzeitig wird ihnen über lange Zeit vermittelt (mindestens über die gesamte Schulzeit), dass es ohne überhaupt keine Chance gibt. Übrigens gitb es da auch Menschen, die an Unis der Ivy League studiert, $120.000 Schulden haben und trotzdem nichts kriegen ausser Tagelöhner-Jobs. 20.000 liegt da noch im unteren Bereich. Entspricht fast dem Durchschnitt in Deutschland, wenn man Bafög hatte.

Ich frag mich ja, ob das nicht generell an das Problem rührt, das mal kurzzeitig in den 80igern angeschnitten wurde, nämlich das Problem, dass Universitäten an sich überhaupt nie Stätten zur Ausbildung von Nichtforschenden sein könnten, es also nach hinten losgegen muss, wenn sie anfangen, sich anstatt auf Ausbildung von Forschern und Forschung selbst, auf Ausbildung von Praktikern umzuorientieren. Also die Frage, ob Universitäten eigentlich was anderes als Forscher hervorbringen sollten/könnten und alles andere woanders ausgebildet werden müsste (zb Fachhochschulen) oder nicht. Sowas fragt man ja heute kaum noch.
Die Problemstellung wurde aber schnell wieder vernachlässigt (de facto weiß ich bisher nur von Gilles Deleuze, dass er dieses Problem 1988 (in “Abecedaire” beim Buchstaben “P comme Professeur”) aufgeworfen hat).
Das Problem so zu stellen würde natürlich unsere ganze Art und Weise durcheinander schmeißen, nach der wir Gebildete, Fähige und weniger Fähige sortieren und von einander scheiden (weil der höchste Orientierungspunkt für alle Berufe die Universität ist und zwar auch für Nicht-Berufs-Forscher, wobei man sich fragen kann, wieso das so ist). Gleichzeitig kann man die weniger Fähigen natürlich nicht noch mehr abwerten als auf diese Weise, d.h. je näher man als Arbeitender an dieser Gruppe liegt umso schlechter muss man verdienen (gleichwohl Gesellschaften ohne diese Menschen nicht funktionieren würden). daher auch der Reiz, möglichst weit von denen sich zu entfernen, also der Reiz, möglichst an einer Uni gewesen zu sein, wie sinnlos es einem auch dann erscheinen mag.
Im Grunde ist das eine Frage des Ordnungsprinzips von Berufsfähigkeiten und die Frage danach, ob das Akademische als Leitwert überhaupt Sinn macht (nicht nur bezogen auf die Gegenwart, sondern im Allgemeinen).
Das ist in Europa insbesondere bei den Geisteswissenschaften und den Sozialwissenschaften nicht anders, auch wenn es für sozialwissenschaftlich Ausgebildete (auf der Stufe des Diploms, nicht auf der des Doktor) noch Verwendung gibt. Es betrifft aber bei weitem nicht nur diese Gruppe, sondern jede, weil sich jeder Beruf an dem Grad seiner Akademisierung messen lassen muss. Obwohl die Begründung dafür alles andere als selbsterklärend ist.