Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

“Plagiat, Fälschung und Co. – Zieht die Wissenschaft Konsequenzen?”

Hadmut Danisch
25.10.2011 2:15

Die bayerische Akademie der Wissenschaften versprach eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion – und lieferte eine Farce. Nachdem der Trubel um zu Guttenberg und plagiierte Doktorarbeiten abgeflaut ist, scheint man nun Beschwichtigungskampagnen zu fahren und jede Änderung ablehnen zu wollen.

Wenn eine Veranstaltung zum Thema Plagiate und Wissenschaft, und welche Konsequenzen man daraus zöge, direkt hier in München vor meiner Haustür stattfindet, dann bin ich natürlich dabei (siehe auch den Flyer).

Die kurze Zusammenfassung

Schuld sind andere, die Doktoranden. Das sind erwachsene Leute, die man nicht überwachen kann und soll. Eine „Verrechtlichung” der Promotion will man nicht. Für Promotionen sind allein die Fakultäten zuständig, der Gesetzgeber möge sich heraushalten. Ertappte Professoren werden von der Wissenschaft schon mit der schlimmstmöglichen Strafe bestraft, nämlich an den Pranger gestellt, weshalb andere Sanktionen überflüssig und sinnlos sind und zu unterbleiben haben. Die Universitäten sind unterfinanziert. Und an den Promotions-Zuständen will man gar nichts ändern. Weiter so.

Mehr haben sie eigentlich nicht gesagt. In meinen Augen lief das drauf hinaus, daß sie das System so wie es ist, mitsamt den Plagiaten, eigentlich ganz gut finden und daran festhalten wollen.

Die lange Version

(aus dem Gedächtnis und einigen kurzen Notizen)

Eingangs wurde dem Publikum mit der unvermeidlichen Floskel ein „hochkarätig besetztes Podium” angekündigt (schon mal ein Podium erlebt, das nicht als „hochkarätig besetzt” beschrieben wurde?). Neben der Moderatorin waren drei Wissenschaftler geladen:

Heike Schmoll
von der FAZ als Moderatorin
Prof. Dr. Oliver Lepsius
von der Universität Bayreuth, Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Nachfolger des Doktorvaters von zu Guttenberg
Prof. Dr. Martin Lohse
hat den Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Würzburg
Tobias Bunde
ist Politikwissenschaftler und Doktorand an der Berlin Graduate School for Transnational Studies der Freien Universität Berlin und hat im Februar 2011 den Offenen Brief an die Bundeskanzlerin mit initiiert, den über 60.000 Personen unterzeichneten.

Allein schon von der Besetzung her kann das nichts werden, weil da kein Kritiker dabei ist. Schmoll, Lepsius und Bunde ist gemeinsam, daß sie zu Guttenberg als den isolierten Buhmann und Alleinschuldigen hinstellen und ansonsten die Wissenschaft reinwaschen wollen. Schmoll kritisiert zwar vordergründig, schiebt aber subtil die Aussage darunter, daß es Einzelfälle wären. Lepsius ist bekannt dafür geworden, daß er tunnelblickartig auf zu Guttenberg eindrosch, um ihn als Alleintäter hinzustellen, der die edle Universität blamiert hat. Bunde ist eigentlich auch nur durch seine Beteiligung an einem substanzlosen Empörungsbrief an Merkel aufgefallen, und zu Lohse fällt mir gar nichts ein, was der mit dem Thema zu tun haben könnte. Wirkt auf mich eher wie eine zweite oder dritte, aber nicht wie eine „hochkarätige” Besetzung.

Direkt negativ aufgefallen ist mir – das ist so eine persönliche Aversion, die ich über die Jahre im Umgang mit Medien und Medienprofis entwickelt habe – bei Heike Schmoll, diese bei Berufsjournalisten häufig zu findende sehr professionelle Art der Moderation. Viele dieser sehr erfahrenen Moderatoren reden sehr souverän und professionell, sehr geschmeidig, redegewandt und schlagfertig, in Mikrofon-geübter Intonation. Dabei ist größte Vorsicht geboten, denn so offenkundig erfahrene Moderatoren vermögen durch ihre Redegewandheit und Professionalität das Gespräch in fast jede Richtung zu lenken, ohne daß man es merkt, wenn man nicht aufpaßt. Zu leicht überrumpeln sie einen und täuschen darüber hinweg, daß sie zugunsten des Redeflusses und der Flüssigkeit der Veranstaltung jede Konfrontation, jeden Ansatzpunkt vermeiden und sich konfliktfreier Belanglosigkeiten bedienen. Und so war es auch hier. Richtige Fragen hat sie eigentlich nicht gestellt, sondern nur Überleitungen und Vorgaben, um schön rundum jedem den Ball zuzuwerfen um seinen Standpunkt zu vertreten – oder wortreich nichts zu sagen. Bei solchen Leuten sollte man sich sehr darauf konzentrieren, was sie sagen – und was nicht. So ist mir gleich in ihrer Eingangsrede aufgefallen, daß sie zur Problematik der Plagiate nur zwei Zielgruppen angesprochen und in Beispielen erläutert hat, nämlich einmal die Doktoranden, denen wissenschaftliches Arbeiten so schwer begreiflich zu machen sei, und die unwissenschaftliche Öffentlichkeit. Damit war schon klar, gegen wen sich das richten sollte. Erst viel später wurde, so am Rande, mal erwähnt, daß man auch die Rolle der Doktorväter nicht aus den Augen verlieren wolle. Die Marschrichtung war aber ganz klar, daß Plagiate eine Mangelerscheinung des Unter- und Mittelbaus wäre und den Professoren höchstens die Rolle der Aufpasser zukäme. Was ja durchaus dazu paßt, daß sich die FAZ immer wieder als Sprachrohr und Lobbyblatt der Professoren hergibt.

Was dieser Tobias Bunde da sollte, ist mir unklar. Jedenfalls hat er nichts gesagt, was mir in Erinnerung geblieben wäre, nur etwas am Rande über sein Graduiertenkolleg. Der war wohl auch nur als Alibi da, um die „Gegenseite” möglichst harmonisch zu vertreten. Er hat nichts gesagt, was sich bei jetzt irgendwie eingeprägt oder in meinen Notizen niedergeschlagen hätte. Abgesehen davon, daß er diesen Brief an Merkel losgetreten hat, in dem außer Empörung eigentlich auch nichts steht, den man aber als Versuch werten kann, sich schnell noch als Streber zu profilieren und zu distanzieren, ist der in meinen Augen auch nur ein x-beliebiger Doktorand, der keineswegs mehr Sachkunde im Thema hätte als andere Doktoranden – sein Brief beruht in meinem Empfinden eher auf einer romantischen Verklärung der Wissenschaft als auf tatsächlichem Wissen über Prüfungen und wissenschaftliches Arbeiten (an dem ich in den Politikwissenschaften sowieso erhebliche Zweifel habe, wie hier im Blog schon öfters erwähnt).

Bei Professor Lohse war mir auch nicht klar, warum der da war und weshalb der für dieses Thema „hochkarätig” sein sollte. Und ich hatte den Eindruck, daß es ihm nicht mal selbst klar war. Der schien mir in dem Thema eher desorientiert und hilflos. In Erinnerung geblieben sind mir drei Fragen von ihm, nämlich einmal, ob und wie denn der Doktorvater den Plagiaten nachspüren könne und solle, und ob man die Promotion allen ernstes „verrechtlichen” wolle. Und daß er sich frage, um was für eine Art von Wissenschaft es sich handele, wenn der Doktorvater nicht merke, daß das da nicht neu sei, was der Doktorand abgibt. Also für mich ist das oberflächlichstes ad hoc Geplauder, das sich danach anhört, als wäre jemand zum allerersten Mal mit dem Thema befaßt – und ohne Nachdenken jede Änderung am status quo ablehnt, indem er sie einfach als Frage umformuliert und damit nur grammatisch, aber nicht intellektuell in Frage stellt, aber damit rhetorisch ablehnt. Billigste Rabulistik, die zu jedem beliebigen Thema funktioniert und in der Wissenschaft gerne verwendet wird, wenn man gerade keine Ahnung hat. Genauso könnte man mit derselben Intonation die Frage stellen, ob man dann ernsthaft verlangen wolle, daß Autos an diesen roten Lichtern ihre Fahrt unterbrechen und jedesmal anhalten sollten. So kann man einfach alles und jedes in Frage stellen, ohne selbst irgendwas gedacht oder irgendeinen greifbaren Standpunkt eingenommen zu haben.

Der einzige, der wirklich was zum Thema gesagt hat, war Lepsius. Und was der gesagt hat, war nicht gut. Gar nicht gut. Ich fand es sogar ziemlich unehrlich, unseriös, um nicht zu sagen schmierig.

So schoß Lepsius immer wieder in die Richtung, daß man eigentlich gar nichts ändern solle, könne, wolle, dürfe. Promotionen sollen Angelegenheiten der Fakultäten bleiben, für die die ganz allein verantwortlich sind.

Irgendwelche Unterrichtungen der Doktoranden im wissenschaftlichen Arbeiten – und nur darum geht es doch bei der Promotion – lehnte er rundweg ab. Ihre Doktoranden der Rechtswissenschaften seien längst europa- und weltweit unterwegs und im Beruf, und nur noch so selten da, den könne man nicht sagen, daß sie dann und dann in einer Vorlesung zu sitzen hätten (was bei mir die Frage aufwirft, ob man das, was die da treiben, überhaupt promovieren oder wissenschaftliches Arbeiten nennen kann, wenn die da zwischen New York und Hong Kong ab und zu mal reinschneien). Und man könne die Anforderungen nicht zu hoch schrauben, weil die sonst an andere Universitäten gingen, denn solche Leute seien ja nicht an einen Platz gebunden. Was ist denn das für eine bekloppte Aussage? Man soll die Promotionsanforderungen ganz niedrig halten, weil die Doktoranden sonst woanders hingehen? Sind wir hier beim Discounter-Wettbewerb? An anderer Stelle wurde erwähnt, daß die Mittelvergabe auch nach der Zahl der Doktoranden erfolgt. Ach so ist das. Die Rechtswissenschaftler der Uni Bayreuth hängen ihre Promotionsanforderungen besonders tief, damit die Doktoranden zu ihnen kommen und sie damit mehr Mittel erhalten. In meinen Augen nicht weit von Korruption entfernt. Und zeigt, daß da – zumindest bei den Juristen – ein heftiger Wettbewerb unter den Universitäten um externe Doktoranden entbrannt ist, bei dem es darum geht, möglichst niedrige Anforderungen aufzustellen. Und auf zu Guttenberg ist man sauer, weil es da eben rausgekommen ist.

Lepsius will keine „Zitierkurse”. Weil die die Promotionen einschränkten. Na, und? Wenn man die Plagiatsdoktoren loswerden will, müssen es doch weniger werden. – Ach so, ich vergaß, dann bekommen die Professoren weniger Geld. Es läuft also darauf hinaus, sich zwischen Geld und ordentlich zitierenden Doktoranden zu entscheiden – da nimmt man das Geld.

Überhaupt sieht Lepsius die ganze Kritik als verfehlt an, sie sei nur der Vorwand, um langfristige Reformvorhaben zu transportieren, die die Autonomie der Hochschullehrer untergraben sollen. Er will, daß die Hoheit über die Promotion bei der Fakultät bleiben soll.

Lächerlich erschien mir auch, daß Lepsius Sanktionen gegen Professoren ablehnt – denn diese würden im Falle der Aufdeckung ja von der Wissenschaftsöffentlichkeit „an den Pranger” gestellt – und das wäre ja schon das Schlimmste, was einem passieren könnte. (Ein alter Professor aus dem Publikum hielt dem später heftig entgegen, daß das nicht nur keine wirksame Strafe sei, sondern überdies in der Praxis ja gar nicht passiere, daß die Leute eben nicht einmal an den Pranger käme, sondern ihnen überhaupt keine Nachteile oder Folgen entstünden, da passiere gar nichts. Was völlig zutreffend ist.)

Auch mit den sonstigen Niveau der Rechtswissenschaften scheint es nicht mehr weit her zu sein. Lepsius führte aus, daß sie nicht nur die Spitzenanwälte heranzüchten sollen, sondern auch einfache Land-Anwälte, die mit Ehescheidungen und sowas zu tun haben. Heißt so viel wie, daß die Ausbildung (und auch die Promotion) so gebaut sein muß, daß auch die ganz kleinen Lichter durchkommen. Also die völlige Anspruchslosigkeit. Erstaunlicherweise sagte er, daß sich viele Rechtsprofessoren gar nicht mehr mit Recht im Allgemeinen, sondern nur noch mit Wirtschaftsrecht und sonst nichts mehr befassten. Das hörte sich für mich so an, als würden die Juristen gerade fakultätsweise verblöden.

Lepsius hat dann auch darüber geschimpft daß man ihnen das Promotionsrecht als letztes verbliebenes Recht ebenso nehmen wolle, wie man ihnen schon das Berufungsrecht genommen habe. Nicht einmal ihren Rektor dürften sie noch selbst wählen. Eine bemerkenswerte Aussage, denn als Professor des Rechts, insbesondere des Öffentlichen Rechts, müßte er eigentlich wissen, daß die Ämter an den Hochschulen Artikel 33 II Grundgesetz unterliegen (worauf er zu alledem als Beamter einen Amtseid abgelegt haben muß) und deshalb auch Rektoren nicht gewählt werden dürfen, sondern nur nach einer Bestenauslese ausgesucht. Ich habe mich bei Lepsius Aussagen immer wieder gefragt, wie so jemand Professor für Öffentliches Recht werden kann, und welche fachlichen Anforderungen man da wohl stellt (wenn überhaupt).

Noch absurder wurde es dann, als Lepsius die ganze Kritik an den Plagiaten als durchsichtigen Versuch ausgab, den Fakultäten das Promotionsrecht wegzunehmen. Das Interesse daran hätten die Hochschulleitungen und die Wissenschaftsorganisationen, die selbst kein Promotionsrecht haben, nämlich die Fachhochschulen, die Max-Planck-Gesellschaft, „andere” Wissenschaftsorganisationen.

Ah ja, verstehe. Die ganze Debatte um Plagiate ist nichts als eine Intrige einer Verschwörung der Universitätsleitungen mit den Fachhochschulen und der Max-Planck-Gesellschaft, um den Fakultäten das Promotionsrecht wegzunehmen. Und die Graduiertenkollegs dienen nur dazu, daß die „sich was vom Promotionskuchen zu holen, den sie nicht haben”. Sagt der so. Allen Ernstes.

Also ich bin ja nun wirklich bekannt als jemand, der Professoren kritisiert, kein Blatt vor den Mund nimmt und wenig gute Haare an ihnen läßt. Aber was Lepsius da aufgetischt hat, das gehörte mit zu dem absurdesten Blödsinn, den ich je von einem Professor gehört habe. Da habe ich ernsthaft das Gefühl gehabt, daß der sich da eine Scheinwelt zusammenphantasiert, so eine Verfolgungslegende. Nicht die Doktorväter sind an den Plagiaten und Schwindelpromotionen schuld, nein, das ist alles von finsteren Mächten inszeniert, die den Fakultäten ihr allerletztes Hab und Gut, das Promotionsrecht, rauben wollen. Und so einen Dünnschiß präsentiert einem die Bayerische Akademie der Wissenschaften, angekündig als „hochkarätig besetzt”.

Irgendwann wurde dann das Publikum aufgefordert, Fragen zu stellen.

Ich habe mich gleich als erster gemeldet und den Vorwurf erhoben, daß mir das Podium keineswegs als „hochkarätig” erscheine, weil ich den Eindruck hätte, daß sich da keiner bisher mit dem Thema befasst habe und nur so da reingestolpert sei. Mir schwelle der Kamm wenn ich sähe, mit welcher Oberflächlichkeit und Seichtigkeit man hier das Thema präsentiere. Die vom Podium guckten mich an, als hätte sie der Schlag getroffen. Beifall und Zustimmung für mich aus dem Publikum. Ich habe Ihnen vorgehalten, daß sie das Thema eigentlich nicht beherrschen, weil aus ihren Aussagen – Hoheit bei der Fakultät, keine Verrechtlichung, Eigenverantwortlichkeit – hervorginge, daß sie nicht mal über die Grundlagen in Prüfungsrecht verfügten. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1991 entschieden, daß jede Hochschulprüfung (wozu auch Promotionen gehören) in ihren Anforderungen und Leistungsmaßstäben der gesetzlichen Grundlage bedarf. Und daß die meisten Professoren nicht mal selbst wissen, was eine Promotion eigentlich ist und wonach man sie bewertet. Insofern hätten sie mit ihrer Fokussierung auf Doktoranden das Problem weitgehend verfehlt. (Ich erhielt nicht nur gleich Applaus, sondern nach der Veranstaltung ziemlichen Zuspruch und Lob von einer ganzen Reihe von Leuten aus dem Publikum, besonders von ganz alten Professoren, die mir zudem versicherten, sich herrlich über die deutlich sichtbare geschockte Reaktion des Podiums amüsiert zu haben.)

Das Wort erhielt darauf Lepsius, um als Jurist auf meinen Vorhalt zu antworten. Er schwafelte aber nur irgendwas davon, daß das Bundesverfassungsgericht Wissenschaft als kreativen Prozess ansehe, bla bla bla. Daß der – wohlgemerkt, als Rechtsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht! – offenbar nicht wußte (oder wissen wollte), daß es ein Prüfungsrecht gibt und der Prüfling natürlich Rechte, sogar Grundrechte hat, und daß eine Prüfung etwas ganz anderes als die bloße Wissenschaft ist. Der hat sich da schnell dran vorbeigeschwafelt, daß er dazu nichts sagen konnte (oder wollte) und damit eigentlich inkompetent ist und auf so einem Podium auch nichts verloren hat.

Ich wollte darauf direkt erwidern (normalerweise hat man als Fragesteller dieses Recht) und Lepsius auflaufen lassen, um ihm den Fangschuß zu geben, ihn nämlich darauf festzunageln, daß er über Prüfungsrecht nichts weiß (oder bewußt Falsches sagt), als die Moderatorin sofort und hochaggressiv unterbrach und mir das Wort verbot. Ich wäre unsachlich, und es müßten zuerst mal die anderen, die sich gemeldet haben, zu Wort kommen (wobei die meisten deutlich mehr Redezeit erhielten als ich, das also vorgeschoben war). Als ob es unsachlich wäre, wenn man als Zuhörer rügt, daß einem da solche Inkompetenz geboten wird.

Es kam ob dieses mir erteilten Redeverbotes sofort zu bösen Zwischenrufen und fast zum Eklat, man hielt der Moderatorin vor, die „Sachlichkeit” für sich gepachtet zu haben und alles, was ihr nicht in den Kram paßte, als „unsachlich” abzutun. Es lag freilich auf der Hand, daß sie wegen meines direkten Angriffs die Notbremse ziehen mußte, um sich und ihre Gäste nicht noch mehr zu blamieren. Damit hatten sie sich aber auch als unwissenschaftlich geoutet.

War aber auch gar nicht nötig, daß ich noch was sagte. Das Publikum machte nämlich lustig weiter, und vom Publikum kam eigentlich nur Kritik und Ablehnung gegenüber dem Podium, vieles ähnlich dem, was ich gesagt habe. Die haben auch ziemlich draufgehauen und das Podium kritisiert bis zerlegt. Einen guten Stand hatten die vom Podium nicht.

Was mich dabei ganz besonders – positiv – verblüffte und überraschte:

Ich hatte eigentlich erwartet, da einen typischen Querschnitt durch die Universitäten im Publikum zu finden, mit Schwerpunkt auf den Jungen, etwa so um die VroniPlag-Aktivisten (von denen war auch einer da). Das Gegenteil war der Fall. Man konnte im Publikum fast nur Leute sehen, die ich um oder oberhalb des Emeritierungsalters einstufen würde. Ein Foto des Publikums hätte durchaus so gewirkt, als wäre ein Seniorenheim auf Butterfahrt zum Kauf von elektrischen Rheumaheizdecken. Leute, ich kann Euch sagen, die waren aber rattenscharf drauf. Hellwach, hochkritisch, rhetorisch exzellent, argumentativ und analytisch sehr gut, und haben das Podium da regelrecht durchgebraten.

Warum ich das jetzt so darstelle? Weil es mir aufgefallen ist, daß da eigentlich nur alte, gar emeritierte Professoren Kritik üben und sich von den Machenschaften im Klartext distanzieren. Jüngere können sich das nicht leisten oder wollen das gar nicht.

Ein sehr alter Professor sprach mich hinterher an und klopfte mir auf die Schulter, daß er meine Kritik sehr gut fände, aber eben auch sehr mutig, das wäre sehr gefährlich für mich. Er könne sich sowas leisten, ihm kann keiner mehr, aber für mich sei das doch sehr riskant und gewagt, weil man sich damit die Karriere beenden könnte, was ihm jedoch imponiere. Er wußte nicht, daß ich nicht mehr an der Uni bin, und es deshalb auch kein Risiko mehr für mich darstellt, den Mund aufzumachen, es mit Mut also eigentlich nicht mehr viel zu tun hat. Es hat mir aber sehr zu denken gegeben, was der Mann mir da sagte. Daß Kritik an den Zuständen für einen Wissenschaftler eine sehr große Gefahr und normalerweise mit dem Karriereende verbunden sei. Genau das war mir ja vor Jahren passiert. Aber daß es mit solcher Regelmäßigkeit passiert und mich alte Professoren in solcher Deutlichkeit davor warnen und das so offen sagen – das hat mich verblüfft.

In welchem Zustand muß unser Wissenschaftsbetrieb angekommen sein, wenn die alten Professoren in Kompaniestärke anrücken und das so deutlich und fundiert kritisieren und sich distanzieren?

7 Kommentare (RSS-Feed)

Manuel
25.10.2011 8:54
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Hm, wenn da soviele schon ins selbe Horn blasen, wäre es dann nicht Zeit, von der Aufklärarbeit ins kreative Zerstören überzugehen und mit Aktionen und ähnlichem zu versuchen, da eine breitere öffentliche Empörung zu erzeugen?


W.W.
25.10.2011 10:50
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Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Erfahrungsbericht dieser Veranstaltung.

@Manuel
In meinen Augen wäre es sogar gebotene Pflicht, denn wie man in allen Bereichen sehen kann, möchten(können) die Verantwortlichen kaum noch etwas an den Begebenheiten ändern oder versuchen sogar teilweise diese Sachverhalte zu zementieren. Da aber leider die Verdummungsmaschine weiter arbeitet, wird es mit jedem Tag schwerer.
Es müssten mehr Internetausdrucker auf der Straße erscheinen!


Boris
25.10.2011 11:38
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Tja die großen Wogen bzgl Plagiate, Korruption und Vetternwirtschaft im deutschen Wissenschaftsbetrieb verebben so langsam. Da trauen sich dann auch so Besitzstandswahrer und eitle Selbstdarsteller wie ein Herr Lepsius wieder aus der Deckung. Ob er damit seiner Zunft einen Dienst erwiesen hat sei dahingestellt.

Letztendlich ist es aber leider so, dass (nicht nur in den Rechtswissenschaften) die alten Seilschaften weiter bestehen und unangefochten (und leider auch unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit) ihre Macht ausüben. Alle noch so hübschen Regelungen zur guten wissenschfatlichen Praxis oder Einrichtunge wie z.B. Ombudsmann (einfach nur lachhaft) dienen doch nur der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse.

Wer daran was ändern will und sich entsprechend öffentlich äußert bzw. aktiv dagegen vorgeht riskiert nach wie vor seine Karriere.


Mephane
25.10.2011 13:37
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Ich glaube das sind die Überschriften falsch geraten, ich dachte erst – nanu, was ist da los. Soll wohl eher denn sein. 🙂


Martin
27.10.2011 13:32
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Als Anwesender dieser Veranstaltung kann ich nur sagen, dass alle vorgeschlagenen Remedia nichts nutzen werden. Weiterhin gibt es keinerlei Konzepte, wie die Universitäten die vergangenen Jahre aufarbeiten wollen. Es drängt sich der Eindruck auf, alles soll so bleiben wie es ist. In Zukunft dürfen die Absolventen bitte, bitte nicht mehr plagiieren. Kein Mensch ist erpicht darauf die Vergangenheit zu beleuchten. Alles wird unter den Teppich gekehrt.

Selten habe ich eine solche Distanz zu einem Thema erlebt. Kein Wort zu den aktuellen Fällen, stattdessen die unsägliche Behauptung die wissenschaftliche Selbstkontrolle würde, wie man an den vielen Fällen sieht, funktionieren.

Indignez-vous!


Flocke84
31.10.2011 9:35
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Übrigens: http://www.gkrw.uni-bayreuth.de/fileadmin/user_upload/Tagungen/Flyer_Plagiate.pdf Juristische Fachtagung zum Thema Plagiate.


yasar
31.10.2011 13:27
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Interessanter Bericht.

Dazu noch ein kurze Anmerkung zu dem Bild aus dem Flyer mit den vielen Doktor-Schildern:

a) In der Türkei ist “Arzt” synonym mit “doktor” geworden. es gibt noch den Begriff “hekim”, der wird aber sehr selten benutzt, vorwiegend von Zahnärzten (“dis hekimi”). Daher solle es nicht evrwundern, daß jeder Arzt dort auch doktor genann wird (und auch einer ist). Es ist wie hier, daß es kaum Ärzte ohne Doktortitel gibt.

b) In der Türkei haben die Berufsstände die Angewohnheit, sich zusammen im gleichen Viertel anzusiedeln, so ähnlich wie hier früher im Mittelalter die verschiedenen Berufsstände (Gerberviertel, Färber, Weber, etc.). Das führt dann dazu daß es solche “Gesundheitszentren”, vorwiegend in Krankenhaus-Nähe, mit Dutzenden von Ärzten mit eigenen Praxen und anderen Angeboten aus dem Gesundheitswesen (Apotheken, Reha-Bedarf, Physitherapeuten, etc.) gibt. Das erklärt dann auch die Häufung dieser “DOKTOR”-Schilder. 🙂