Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Nicht mehr ihre Position zählt, sondern ihre Leistung.

Hadmut Danisch
4.11.2011 23:05

Die ZEIT schreibt über Burnout bei Professoren. Der Geldeintreiber-Druck durch die Universitäten zeigt Wirkung.

Die Frage ist, wo die richtige Balance liegt. Einerseits soll man natürlich schon die Faulen und die Unfähigen rauswerfen und die, die sich mit irgendwelchen Phantasie-Fächern und völliger Produktivitätslosigkeit den Vorwand der Wissenschaft und die Beamtenstelle umhängen. Scharlatanerie und Heißluftgebläse müssen bekämpft werden. Man muß auch mal fragen, ob etwas einen Nutzen hat oder nicht.

Andererseits schadet es der Wissenschaft aber auch wieder, alles über Kennzahlen und Umsätze zu bewerten.

Wo also liegt die richtige Mischung?

14 Kommentare (RSS-Feed)

Someone Else
6.11.2011 0:22
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Liegt das Problem vielleicht (alla “Know what you measure”) bei der Anwendung ungeeigneter Metriken und Erwartungshaltungen?


Boris
7.11.2011 11:36
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Bezeichnend finde ich dass die Klagen wieder einmal aus den Geisteswissenschaften kommen. Auch die Aussagen bzgl. Evaluierung und Dritteleinwerbung finde ich schon bemerkenswert. Frei nach dem Motto:

So! Mit meiner Habil. und meiner Berufung habe doch schon zur genüge bewiesen, dass ich ein ganz außergewöhlich toller Wissenschaftler bin! Jetzt gebt mir gefälligst das Geld und stört mein freies Künstlertum nicht weiter mit euren lästigen Fragen zu Dingen von denen ihr sowiso nichts versteht!

Noch besser sind meiner Ansicht nach noch die Kommentare von Mailer: “Das Problem ist …daß einem Nichtakademiker, vor allem aber auch einem Nichtwissenschaftler diese Denkwelt des eigenständigen (Dr./Prof.) wissenschaftlichen Arbeitens wohl weitestgehend verschlossen bleibt”

Dies ist wohl an Frechheit und Arroganz kaum noch zu überbieten!

Als promovierter Informatiker schlage ich mich täglich mit Drittmitteleinwerbungen rum!

Das geseiere einiger Professoren aus den Geistenwissenschaften bzgl Drittmitteleinwerbung ist einfach nur albern!
Geisteswissenschaftler mit Burn-out Syndrom? Das kannt doch wirkklich nur ein schlechter Witz sein!


karbau
7.11.2011 18:41
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Vielleicht sollte man akzeptieren, dass 15% (oder was auch immer) halt unproduktiv ist und so dahinlebt, wie Du es beschreibst; damit dann die 85% wirklich frei forschen können und auch Unbekanntes wagen.

Dass sind Opportunitätskosten, die eine der “wahren” Wissenschaften zuneigende Universität bereit sein muss zu zahlen.

Der armselige Glaube, diese Rate durch “Drittmittellogik” auf 0% zu reduzieren zeugt wahlweise von Hybris, Ahnungslosigkeit und Ignoranz bzgl. des wissenschaftlichen Fortschritts oder nackter Dummheit (also von genau den für Politiker typischen Eigenschaften, denen wir ja schliesslich den Bankrott der Bildung und Forschung in Deutschland zu verdanken haben)


Hadmut Danisch
7.11.2011 18:52
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@karbau: Und was, wenn das Verhältnis umgekehrt ist?


karbau
7.11.2011 22:02
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@Hadmut: ich glaube nicht, dass es das war. Aber das ist halt (persönliche) Glaubenssache.

“Objektiv” lässt sich das nie feststellen: a) wer weiss schon, was erfolgreiche Forschung ist? (in 20 Jahren macht eine eine neue Technologie aus etwas, obwohl es heute noch völlig ‘esoterisch’ ist) und b) wer will sich zum Richter aufschwingen bzw. c) auf welcher Grundlagen soll es überhaupt einen Richter geben? Der wäre dann ja ‘mächtiger’ und damit eben auch ‘anfällig’ für Lob und Schleimerei.

Und im übrigen ist es auch egal, ob es die Geisteswissenschaftler sind, die sich aufregen oder Personen aus den Technikwissenschaften. Dass sich kaum Informatiker & Co. aufregen, liegt doch nur daran, dass sie bisher ganz gut wegkommen und sich damit beruhigen, dass es ja “nur” die Geisteswissenschaftler heftig trifft und man ja selber noch halbwegs ungeschoren davon kommt (weil ein paar Drittmittel jeder hat).

Das ist aber völlig kurzsichtig, denn was Politiker anfassen wird sowieso untergehen. Und irgendwann trifft es dann auch die Techniker. Bisher noch nicht, da leiden nur die Philosophen & Co. Aber irgendwann wird der korrupte Handlager der Industrie (aka Politiker) auch die Technikwissenschaften völlig in den Abgrund geritten haben (wer offenen Auges durch die Lande geht, sieht genug Hinweise).


Someone Else
7.11.2011 22:33
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@karbau: Hast du vllt. ein paar Beispiele für den schleichenden Niedergang in den Technikwissenschaften?


anonym
8.11.2011 0:52
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@S.E.: In Bezug auf die Informatik wurde das hier ja zur Genüge diskutiert.


karbau
8.11.2011 8:35
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@SomeoneElse:

sagt Dir der h-Index etwas? Mehr gibt es zum Thema “intell. Niedergang und Rückratlosigkeit gegenüber Excel-Logik-Politikern und ‘Managern'” nicht zu sagen.


HF
8.11.2011 14:45
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Wo also liegt die richtige Mischung?
Will da etwa jemand den Zwischenwertsatz anwenden 😕
Sind die Voraussetzungen etwa erfüllt?
Das klingt erschreckend eindimensional 🙂

Der Versuch, die “richtige” Mischeung iterativ zu finden,
etwa gar nach der beliebten Methode des Hi-Lo-Ratespiels,
ist gefährlich: Nach ein paar oszillierenden Iterationsschritten
hat man nicht etwa ein effiziente[s] Team/Abteilung/Hochschule.
Es bleiben bei der Achterbahnfahrt nur die Leute übrig,
die auf ihren Sesseln festgeklebt sind.


Boris
8.11.2011 15:18
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Ich muss zugeben den h-Index kannte ich bislang noch nicht. Liest sich ja ganz drollig. Bei Antragsstellungen ist er mir aber weder bei der DFG, BMBF noch bei der EU untergekommen. Evtl. hält man sich aber im technisch-naturwissenschaftlichen Umfeld in dem ich mich üblicherweise bewege mit solchem Quatsch nicht weiter auf.

Wie schon mehrfach an anderer Stelle erwähnt, kann und sollte man die Kriterien, Kennzahlen und Metriken nach denen die Mittelvergabe entschieden wird, diskutiert werden. So sehe ich es auch als ein sehr grosses Defizit an, dass hierzulande die Lehre nach wie vor eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Insbesondere die Lehre wäre m.E. ein Thema mit denen man nicht nur in den Geisteswissenschaften sehr gut punkten könnte.

Das Problem ist aber offenbar nicht, das die “falschen” Kriterien angewandt werden, sondern dass der Mittelgeber (Staat, Steuerzahler) sich erdreistet sich nach der Verwendung der Mittel zu erkundigen bzw. die Vergabe an Bedingungen zu knüpfen.

Ein Umstand, den so machner Philsoph, Theologe, Historiker oder Literaturwissenschaftler etc. offenbar sehr gerne übersieht, und der auch im o.g. Zeit-Beitrag zum Vorschein kommt ist:
Jeder Mensch, der im täglichen Broterwerb steht (also nicht von Kapital, Erbe oder Rente sein Einkommen bestreitet) muss – egal ob einfacher Auszubildender oder Vorstandsvorsitzender seine Leistung in irgendeiner Form nachweisen!
Für den o.g. Personenkreis scheint dies aber nicht zu gelten bzw. wer dies fordert wird empört als ahnunglos, ignorant und ungebildet zurückgewiesen.

@karbau
Nur zur Informtion: Die Drittmittelpraxis ist im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich keineswegs unumstritten. Wer mal ein wenig über den eigenen Tellerand hinausgesehen hat, wird schnell feststellen dass Bewertungskriterien, Ausschreibungen und Vergabeverfahren u.a. auch in diesem Blog sehr kontrovers diskutiert werden. Das es dabei Machtstrukturen, Seilschaften und unlautere Machenschaften gibt bestreitet niemand. Die logische Folgerung daraus ist aber m.E. die Forderung nach mehr Transparenz und Kontrolle und nicht die Forderung in Zukunft keine Drittmittelforschung mehr zu betreiben!

Die dertzeitige beklagenswerte Situation in Bildung und Forschung ist nicht alleine eine Auswirkung der heutigen Drittmittelpolitik sondern hat eine entsprechende Vorgeschichte:
Die einerseits bedingunsglose Vergabe von Fördergeldern nach dem Gießkannenprinzip der 70er und 80er Jahre und die Versäumnisse der Politik den geänderten Bedingungen der Massenuniversität Rechnung zu tragen waren schließlich einige der wesentlichen Ursachen dafür, dass sich Mitte der 90er die deutsche Forschungs- und Bildungslandschaft am Rande der internationalen Bedeutungslosigkeit befand!

Dieser Entwicklung versucht die Politik mit Maßnahmen wie der Bologna-Reform der Förderung von Wettbewerben (Exzellenzinitiative) etc. entgegenzuwirken. Inwieweit diese Maßnahmen alle sinnvoll sind bzw. die gewünschte Wirkung erzielen ist eine andere Sache und durchaus diskussionswürdig.

Ich bin weder ein Freund von “Excel-Logik-Politikern und Managern” noch hänge ich irgendwelchen Marktradikalen / Neoliberalen Fantastereien nach (sind letzere nicht auch ein Produkt der Geisteswissenschaften?). Allerdings verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass man insbesondere in den Geisteswissenschaften immer noch den alten Zeiten der Ordinarienuniversitäten (Der Muff von 1000 Jahren!) nachtrauert und außer Lamentiererei über den bösen bösen Wettbewerb lieber den Kopf in den Sand steckt bzw. sich weiter in seinen Elfenbeinturm vergräbt als sich tatsächlich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

Wer auch immer zu den alten Magnifizienzen und Spectabili zurückmöchte kann dies gerne tun, sollte sich aber auch nach entsprechenden Fürstlichkeiten oder anderen Mäzenen umsehen die sie entsprechend finanzieren. Allerdings stellten auch in der Vergangenheit o.g. Geldgeber ihre Mittel üblicherweise nicht ohne Gegenleistungen bereit.


Dave Grohl
11.11.2011 10:25
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Lieber Boris,

Deine Unkenntnis in Sachen h-Index zeigt gleichfalls, dass Du brav eingepudert und ohne Druck forschen kannst. Glückwunsch hierzu, ohne dies böse zu meinen, höchstens ein wenig neidisch, was an dieser Stelle erlaubt sein soll. Deine Situation solltest Du aber nicht auf andere übertragen. Als Wissenschaftler sollte man das niemals, niemals wirklich tun.

Was primär kritisiert wird in dem Beitrag ist der steigende Druck an zu Publikationen, die zu veröffentlichen sind, um damit (weiter) erfolgreich Drittmittelanträge durchzubekommen und/oder das eigene Renommée zu erhalten. Sicher sollte sich keiner auf seine Lorbeeren massiv ausruhen, aber der kurzfristige Blick auf die letzten zwei bis drei Jahre erzeugt in keinster Form irgendeine kritische Reflexion. Gerade nicht vor dem Hintergrund, dass in den Sozial-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften Publikationen in hochrangigen Journals durchaus bis zu 1,5 oder gar 2 Jahre dauern können. Bei anderen Wissenschaftsbereichen kann ich es nicht sagen. Folge: Man ist ständig am irgendetwas produzieren und traut sich gar nicht, einen kritischen Blick über den Tellerrand hinauszuwerfen für zum Beispiel 6 bis 12 Monate. Folge: Inhaltsleere Forschung, die immer das gleiche durchkaut. Nebenbei steigt auch noch die Lehrverantwortlichkeit, weil die Studierenden a) mit einem stetig geringeren Wissen an die Uni kommen und b) zunehmend die universitäre Ausbildung als Bringschuld verstehen. Gab es vor fünf bis zehn Jahren erwachsene, aufgeklärte und eigenständige Studierende, sucht man die mittlerweile vergeblich. Selbst an einer Word-Formatierung wird da schon gescheitert, von einer tiefgründigen einer Literaturrecherche ganz zu schweigen. Dies soll doch bitte der Dozent frei Haus liefern, wahlweise Professor oder “einfacher” wissenschaftlicher Mitarbeiter. Macht doch Joey’s Pizza auch, wenn man bei facebook aufmerksamkeitsfressende Statusmitteilungen oder sonstigen sinnfreien Informationsfluss konsumiert, der an anderer Stelle fehlt.


Hadmut Danisch
11.11.2011 10:35
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@Dave: Ist das wirklich so, daß die Studenten immer weniger können und wissen? Woran liegt das? Keine erwachsenen, aufgeklärten, eigentständigen Studierende mehr? Beachtlich…

Daß Word inzwischen als Kulturfähigkeit angesehen bzw. erwartet wird, halte ich dann aber eher doch für ein Symptom des Wissensabsturz der Wissenschaftler, nicht (nur) der Studenten. Zu meiner Zeit konnte man TeX. Ich persönlich habe nämlich durchaus den Eindruck, daß eben auch die oberen Wissenschaftsebenen immer seichter werden.


Boris
14.11.2011 12:51
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Lieber Dave,

meine Unkenntniss bzgl. h-Index belegt lediglich, dasss ich in den letzten 5 Jahren meine Drittmittel vorwiegend beim BMBF und bei der EU und nicht bei der DFG eingeworben habe. Anstelle von hübschen akademischen Publikation in Fachjournalen (deren Redakteure und Gutachter man typischerweise nach einiger Zeit kennen dürfte) wird dort der Nachweis von wirtschaftlicher Relevanz bzw. Verwertbarkeit vorausgesetzt.

Von “brav eingepudert” und freiem Forschen nach Lust und Laune kann bei mir keine Rede sein: Bis auf meine Stelle sind alle Mitglieder meines Teams aus Drittmitteln finanziert! Insofern sehr ich Klagen über Publikationsdruck und Drittmitteleinwerbungen eher doch als jammern auf reichlich hohem Niveau an.

Was die Lehre anbelangt, so hatte ich ja bereits erwähnt, dass diese meiner Ansicht nach völlig unterbewertet wird. Jemand der nachweislich gute Lehre anbietet sollte meiner Ansicht nach auch entsprechend angemessen mit freien Forschungsemester belohnt werden.

Was das gesunkene Niveau seitens der Studenten anbelangt, konnte ich mit der Einführung der Bologna-Reform und gleichzeitigen Studiengebühren eine höhere Erwartungshaltung seiten der Studenten beobachten. Zusammen mit der Verkürzung des Abiturs auf 12 Jahre kann ich mir durchaus vorstellen, das die Situation sich nicht unbedingt verbessserte.


quarc
21.11.2011 20:57
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Ich fand es auch etwas seltsam, dass der befragte Professor es anscheinend
als normal empfinded, dass umgekehrt statt Leistung die Position zählt.
Außerdem glaube ich, dass ein Professor, der in eine psychische Krise gerät,
wenn ihn auf seiner Dauerstelle drei auswärtige Rufe erreichen, bereits vorher
ein Problem hat; immerhin handelt es sich nicht um einen Postdoc, der sich
noch mit (kurz) befristeten Stellen abplagen muss und der wirklich schwierige
Entscheidungen für seine weitere Laufbahn zu treffen hat.
Insofern ist es also Jammern auf einem sehr hohen Niveau, aber das sagt er
im Interview ja auch selbst.

Dennoch kann ich verstehen, wieso es in diesem System auch bei Professoren zu
Burnout kommen kann: es ist die Diskrepanz zwischen der eigentlich angestrebten
Tätigkeit und aktuell gestellten Anforderungen.

Früher waren die Anforderungen klar: der Professor soll im jeweiligen Fach
forschen und durch Veröffentlichungen und Lehrveranstaltungen über das jeweils
erforschte berichten; die Lehrveranstaltungen haben darüber hinaus auch den
Zweck, nachfolgende Wissenschaftler auszubilden.

Das tolle an diesem System war: wenn bei der Forschung nichts herauskam,
machte man keine Veröffentlichung daraus, sondern forschte an etwas anderem.
Ab und zu wurde auch mal aufgeschrieben, was denn so in den vergangenen
Jahren alles zusammengeforscht wurde und das ganze nannte sich Forschungsbericht.

In der schönen neuen Welt des Wettbewerbs und der Drittmitteleinwerbung
gibt es für Nachwuchswissenschaftler kaum noch feste Stellen; sie werden
dadurch finanziert, dass der Chef der Arbeitsgruppe, ein Professor,
Geld beantragt. Dazu muss er aber angeben was er denn erforschen will,
und weil das ganze ja ganz toll wettbewerbsorientiert ist, muss er
das zu erwartende Ergebnis seiner Forschungen anpreisen, als sei es
die tollste Sache seit der Erfindung der Zahnbürste. Obwohl er natürlich
zum Zeitpunkt der Beantragung gar nicht wissen kann, was denn am Ende
herauskommen wird (sonst bräuchte er ja nicht mehr zu forschen).
Am Ende des Projektzeitraums muss er dann aufschreiben, was denn so
alles erforscht und veröffentlicht wurde. Falls gar nicht viel dabei
herausgekommen ist, was ja bei richtiger Forschung vorkommen soll,
darf er das aber nicht in den Bericht schreiben, sonst bekommt er ja
nie wieder Geld und seine Assistenten und Doktoranden müssen in der
Fußgängerzone Schuhe verkaufen. Also wird irgendetwas veröffentlicht,
damit die finanzierende Stelle glücklich ist. Gelesen wird es sowieso
nicht, man sollte bloß darauf achten, schöne Wörter unterzubringen
(“Quantum” ist immer gut, auch “Fuzzy” oder “Fractal” ist nicht schlecht,
und natürlich “applied”).

Es ist verständlich, dass viele Professoren mit diesen neuen Anforderungen
nicht glücklich sind. Natürlich gab es in manchen Fächern auch früher schon
die Notwendigkeit zu Drittmitteleinwerbung und die Vertreter dieser Fächer
(meistens “big science”) werden naturgemäß besser damit zurechtkommen. Aber
nun trifft es auch Vertreter jener Fächer, die sich diesem Drittmittelzirkus
bisher entziehen konnten.

Bezeichnend ist folgende Aussage aus dem Interview:

| Bis vor wenigen Jahren zum Beispiel mussten Geistes- und
| Sozialwissenschaftler keine Drittmittel einwerben.
| Sie konnten es, aber es bestand keine Pflicht dazu. Heute ist das anders.
| Wenn ich jetzt irgendetwas von meiner Hochschulleitung möchte, kommt sofort
| die Gegenfrage: Was haben Sie in der letzten Zeit für die Universität an
| Forschungsgeldern reingeholt?

Diese Beschreibung muss man im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der
Universitäten in den letzten Jahren sehen. In vielen Bundesländern wurden die
derart umgebaut, dass dort nun eine Kommandostruktur existiert, mit der
jeweiligen Hochschulleitung an der Spitze, die keine Entscheidung mehr
begründen braucht. Man hat also so etwas wie einen Hofstaat, in dem der Rang
eines Bittstellers sich nach der Leistung bei Drittmitteleinwerbung und
Public Relation bestimmt. Wer sich nur auf Forschung und Lehre konzentriert,
steht ganz unten auf der Leiter, weil Hochschulleitung daran gar nicht mehr
interessiert sind, sondern Preisen und Exzellenzinitiativen nachjagen.
Der Erfolg des Antrags zählt, nicht was eigentlich damit erforscht werden soll.

Ich will nicht behaupten, dass Professoren die viel Zeit und Energie auf
Drittmitteleinwerbung (und PR) verwenden deshalb automatisch schlechtere
Lehre und Forschung betreiben; solche Drittmittel und auch Preise können
durchaus Anerkennung für Leistung sein. Aber das System droht zu kippen,
weil sie von Kriterien zur Messung zu Zielen mutiert sind. Kurz gesagt,
die alte Weisheit “Das Schwein wird nicht vom wiegen fett” ist mittlerweile
verlorengegangen.