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Vorlesungsmaterial nur über Facebook?

Hadmut Danisch
27.2.2012 13:07

Immer wenn ich denke, man muß doch irgendwann mal an einem Tiefpunkt angekommen sein, wird’s noch schlimmer. Mir schreibt gerade jemand zu einem anderen Blog-Artikel, daß es bei ihm im Studium Dozenten gibt, die mit den Studenten via Facebook kommunzieren. Wer sich beim Daten-Sumpf Facebook nicht anmelden will, ist vom Material abgeschnitten und muß andere Studenten anbetteln.

Was für Idioten sind da eigentlich als Dozenten unterwegs? Sind die Universitäten nicht mehr (waren sie es jemals?) in der Lage, eine ordentliche Kommunikationsinfrastruktur anzubieten? Sind die Dozenten nicht in der Lage, ne Webseite zu bauen?

Zu meiner Zeit kamen die Apple-Grafik-Iditioten in Mode, als es den Macintosh plötzlich gab. Plötzlich waren die Vorlesungsskripte keine Skripte mehr, sondern nur noch ein unglaublich fetter Stapel von irgendwelchen schnell hingepfuschten Grafiken, endlose Wüsten von Kästchen und der Mac-typischen hässlich asymmetrischen Pfeile. Mausklicker, die intellektuell nicht mehr in der Lage waren, eine Vorlesung zu gestalten.

Später kamen dann die Powerpoint-Deppen.

Sind dann jetzt die Facebook-Schwachköpfe dran? Eine Vorlesung auf dem Niveau eines Social-Media-Geschwätzes?

Oder paßt das am Ende sogar, weil Vorlesungen nicht mehr über ein Social-Event hinauskommen?

6 Kommentare (RSS-Feed)

Kai
27.2.2012 13:32
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Na das ging ja schnell. 🙂
Nun muss ich allerdings leider etwas zurückrudern.
Ich studiere Informationswissenschaft und Sprachtechnologie und ein großer Teilbereich dieses Studiums befasst sich zur Zeit mit Social Media. Man geht wohl davon aus, dass jeder Student, der sich mit Social Media befasst einen Facebook Account hat. Das ist wohl das Äquivalent dazu, wie ich mal gehört habe, dass man für ein Studium in Grafikdesign einen Mac bräuchte oder erst gar nicht anfangen sollte.
Ich kann nicht behaupten, dass es an meiner Uni Usus ist, Lehrmaterial ausschließlich via Facebook zu verteilen, allerdings haben die Fachschaft und auch einige Kurse ihre eigenen Facebookseiten, die viel intensiver genutzt werden als die von der Uni bereitgestellten Systeme. Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass ich Informationen nicht erhalten habe, die anderen schon lange bekannt waren. Beispielsweise bin ich immer der Depp, der nichts von ausfallenden Veranstaltungen weiß. 🙂

Zum Thema eigene Kommunikationsstruktur:
Die gibt es. Es gibt sie 100 fach. Jede Fachschaft und fast jeder Kurs nutzt sein eigenes System. Ich allein habe Account für 4 oder 5 Systeme in den ersten drei Semestern anlegen müssen. Jeder Dozent kennt in der Regel nur genau eines dieser Systeme und nutzt es ausschließlich. Für einen Jurakurs hätte ich ein weiteres System nutzen müssen, was ich dann aber gelassen habe.
Die Gründe für Facebook kann ich verstehen: Jeder hat es, jeder kann es nutzen und die Uni muss sich nicht dauernd mit Studenten rumärgern, die ihren Accountnamen oder ihr Passwort nicht mehr wissen.

Als kleiner Lichtschein am Firmament: Die Uni versucht ihr eigenes soziales Netzwerk zu bauen. Es nennt sich Mahara und ist gute Idee. Man kann Kontakte pflegen, kann Unterlagen sortiert in Ansichten verwalten und sogar Hausaufgaben einreichen. Leider ist die Usability der Software so unglaublich grottig, dass ich keinen kenne, der freiwillig Zeit darin verbringen möchte. So ein Werkzeug mit guter Nutzbarkeit, gutem Datenschutz und Standort in Deutschland würde auch ich nutzen.

Kleine Anekdote zum Schluss: Eine Hausaufgabe einer Dozentin lautete wirklich sich bei picasa anzumelden, ein Foto hochzuladen und es ihr zu schicken. 🙂


Hadmut Danisch
27.2.2012 13:35
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Und für das, was normalerweise die 14-jährigen machen, bekommt man dann hinterher ein Diplom? Dafür, daß man es schafft, sich bei irgendeiner Webseite anzumelden?


Kai
27.2.2012 14:04
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Leider nein. Dafür bekommt man Punkte, die man braucht um ein Seminar zu bestehen, welches wiederum Punkte dafür gibt für die Bachelorprüfung zugelassen zu werden. 🙂


Hadmut Danisch
27.2.2012 14:08
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Punkte? Und ich dachte, man bekommt dafür „Gefällt-mir-Klicks”…


Andrea
27.2.2012 23:42
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@Kai: Meine Hochschule nutzt Moodle als E-Learning-Plattform (ohne jetzt hier Werbung dafür machen zu wollen). Das bietet alles was man (ich) braucht. Die meisten Professoren verteil darüber ihre Skripte, man kann Protokolle und andere Hausaufgaben hochladen, Abstimmungen machen und an alle Studenten des Kurses eine E-Mail schicken, falls Lehrveranstaltungen ausfallen uvm. Ich halte das für ausreichend.

Im übrigen bin ich auch nicht auf Facebook. Zu meinem bedauern musste ich feststellen, dass ich deswegen fast nicht mitbekommen hätte, dass es seit 8 Jahren das erste Klassentreffen gab. Man habe alles versucht um mich zu erreichen. Aber auf meine E-Mail-Adresse, die ich seit min. 10 Jahre habe war keine Nachricht von irgendjemanden. In ICQ (die Nummer hab ich auch schon seit min. 10 Jahren) war auch keine Nachricht bei mir angekommen. Auch bei meinem Eltern war niemande, die schon seit 25 am gleichen Ort wohnen war niemand… ich merke gerade ich schweife ab 🙂
Man hat es schon nicht so einfach ohne Facebook, aber ich vermisse es auch nicht. Diese Welle wird sich auch legen denke ich.


asd
14.3.2012 16:35
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Die Welle legt sich (glaube ich) bereits, meine Kollegen schauen eigentlich nur mehr auf Facebook, wenn sie eine bestimmte Information suchen oder jemanden kontaktieren wollen. In den letzten Jahren war es doch immer so, dass man einfach so auf Facebook rumgestöbert hat und hier und dort seinen Kommentar hinterließ. Da ich kein FB habe, kenn ich mich aber nicht gut aus.

Moodle verwenden wir in der Universität auch (hauptsächlich zum Einreichen von Aufgaben), allerdings haben wir (technische Uni) zusätzlich ein eigenes System, das automatisch per E-Mail (und wenn gewünscht, sogar per SMS) über Ausfälle, Prüfungsnoten und dergleichen informiert. Natürlich kann man das alles im Webportal einsehen und auch einen Stundenplan gibt es, der sich in jeden Kalender mittels URL einbinden lässt. Das ist sehr professionell gemacht, einzige Kritik meinerseits: SSL wird beim Login nicht erzwungen. Hat man also keinen Favoriten beginnend mit https im Browser und achtet man nicht darauf, überträgt man die Daten immer unverschlüsselt.

Was über Facebook ausgetauscht wird, sind Mitschriften und weitere Unterlagen, die ein paar Studenten abfotografieren, um es den Kollegen zur Verfügung zu stellen. Es stört mich nicht, dass ich das nicht mitbekomme – meistens sind meine eigenen Unterlagen besser. Das wundert mich auch nicht, schließlich sitzen 2/3 der Leute mit Laptop da und surfen auf Facebook und Lustige-Bilder-Seiten. Für mich bedeutet Informatik, dass ich ein Gerät mitnehme, wenn wir Microcontroller-Programmierung haben, bei Vorlesungen nehm ich kein Notebook mit.

Wenn es mir langweilig wird, erledige ich einfach Übungen für ein anderes Fach.